- Pandemiebekämpfung, Klimaschutz, Handelspolitik: US-Präsident Joe Biden hatte viel angekündigt.
- Den "Schaden", den er durch Trump angerichtet sah, wollte der Demokrat alsbald reparieren.
- Wie viel kann er nun am 29. April 2021 - nach genau 100 Tagen im Amt vorweisen? Zwei Experten sind sich in ihrem Zeugnis für Biden einig. Nur in einem Bereich ist die Rede von einem "Eiertanz".
Franklin Roosevelt hat sie populär gemacht: Die 100-Tage Bilanz für amerikanische Präsidenten. Der Demokrat – 1932 während der Weltwirtschaftskrise zum Präsidenten gewählt – hatte um eine Schonfrist von 100 Tagen gebeten, um Wirkungen des Reformprogramms "New Deal" sichtbar werden zu lassen. Die Presse hielt die Füße still und machte die 100-Tage Frist zum Maßstab der politischen Handlungsfähigkeit.
Nun steht auch für den aktuellen amerikanischen Präsidenten
Joe Biden: Erfolge in der Pandemiepolitik
Als Biden im Januar das Präsidentenamt antrat, war die Pandemie in den USA außer Kontrolle. Trump hatte das Virus verharmlost, wissenschaftlichen Rat ignoriert und krude Tipps zur Behandlung der Krankheit gegeben. Auch jetzt zählen die USA mit knapp 7 Millionen aktiven Fällen noch zu den schwerstbetroffenen Ländern.
Aber: "Biden hat in der Pandemiepolitik deutliche Erfolge vorzuweisen. Sein gestecktes Ziel waren 100 Millionen Impfungen – die hat er viel schneller erreicht, als vorgesehen", sagt Experte Haas. Aktuell liegen die USA im weltweiten Impfvergleich an erster Stelle.
Billionen Dollar schweres Hilfspaket
"Biden hat außerdem ein 1,9 Billionen Dollar Hilfspaket auf den Weg gebracht, um die Auswirkungen der Pandemie abzumildern", sagt Haas. Ebenso habe er eine Pflicht zum Maskentragen in Bundeseinrichtungen durchgesetzt. "Er wollte in den ersten 100 Tagen die Schulen auch wieder zum Teil öffnen, da hat er seine Ziele aber noch nicht ganz erreicht", merkt der Experte an.
Auch für Experte Berg ist Bidens Pandemiepolitik von Erfolgen gekrönt. Anders als Trump habe Biden keinen Zweifel daran gelassen, dass die Pandemie eine schwere Bedrohung der nationalen Sicherheit ist. "Biden profitiert aber auch davon, dass die Trump-Administration im Sommer die Produktion und Beschaffung von Impfstoff letztendlich doch stark beschleunigt hat", sagt Berg. Probleme gäbe es noch dabei, Widerstand gegen das Impfen in der Bevölkerung zu überwinden.
Ambitioniert Pläne in der Klimapolitik
In seinem Wahlkampf hatte Biden immer wieder betont, dass ihm die Klimapolitik ein besonderes Anliegen ist. "Hier ist ein maximaler Kurswechsel passiert", meint Berg. Die USA seien nicht nur sofort wieder ins Pariser Klimaabkommen zurückgekehrt, Biden habe auch Öl- und Gasbohrungen auf bundeseigenem Land gestoppt und die Keystone Pipeline, die Rohöl aus Kanada importiert, auf Eis gelegt. "Er ist bereit sich mit Amerikas mächtiger Ölindustrie anzulegen", sagt Berg. So wolle er die USA vom Bremser der Klimawandelbekämpfung zum internationalen Vorreiter machen.
"Dazu haben die USA sich das sehr ambitionierte Ziel gesetzt, bis 2030 die Emissionen zu halbieren und bis 2050 klimaneutral zu werden", erklärt Berg. Von Haas kommt dabei Kritik: "Es ist noch unklar, wie die USA ihr Nullemissionsziel erreichen wollen", sagt er, erinnert aber daran: "Manche Dinge sind nicht innerhalb von 100 Tagen umzusetzen. Die Umweltschutzbehörde ist von Trump personell ziemlich abgespeckt worden, das lässt sich nicht so schnell wieder aufbauen."
US-Präsident mit neuen Tönen in der Außenpolitik
Als klar war, dass Biden der 46. Präsident der USA sein wird, war in der EU ein Aufatmen zu vernehmen. "Was den diplomatischen Ton auf dem außenpolitischen Parkett angeht, tritt Biden deutlich anders als auf Trump", sagt Haas.
So sieht es auch Experte Berg: "Trumps Dogma "America First" war nationalistisch und er sah internationale Politik als Nullsummenspiel aus Gewinnern und Verlierern. Biden hingegen bekennt sich klar zur NATO und den westlichen Verbündeten." Er habe nicht nur den angekündigten Abzug amerikanischer Truppen nach Deutschland gestoppt, sondern in einer symbolischen Geste die Verlegung von 500 weiteren Soldaten nach Deutschland angekündigt.
Mehr Ruhe in der Innenpolitik
Auch in der Innenpolitik vernehmen die Experten eine neue Stimmungslage. "Biden hat sich erfolgreich bemüht innen- und außenpolitisch wieder Vertrauen zu schaffen. Nach vier Jahren Tollhaus, einem brutalen Wahlkampf, einer Staatskrise nach der Wahl einschließlich eines Putschversuches ist endlich wieder Ruhe eingekehrt", kommentiert Berg.
Haas hebt hervor: "Die Kabinettsbildung ist reibungslos abgelaufen. Der neue Direktor der amerikanischen Umweltschutzbehörde, Michael Regan, symbolisiert zum Beispiel einen deutlichen Umschwung. Er ist jemand, den auch die Linken in der demokratischen Partei wollten." Generell ist das Kabinett deutlich diverser als unter Trump – so zählen beispielsweise eine US-Ureinwohnerin und eine Transgender dazu.
Spaltung in den USA bleibt bestehen
Lob kommt auch von Berg: "Wo Trump den Reichen weitere Steuergeschenke machte, setzt Biden viel stärker auf eine soziale Komponente. Er hat auch Steuererhöhungen für Reiche angekündigt und möchte endlich die Internetkonzerne steuerlich zur Kasse bitten." Doch noch gibt es einiges zu tun: "Der Infrastrukturplan ist noch nicht verabschiedet. Die Republikaner haben in der vergangenen Woche einen Alternativvorschlag vorgelegt, der sogar noch unter Trumps ursprünglichen Plänen bleibt. Deshalb könnte sich das Ganze noch eine Weile hinziehen", sagt Haas.
Auch Berg sieht noch innenpolitischen Handlungsbedarf: "Die enorme Polarisierung und Spaltung der Gesellschaft ist auch nach 100 Tagen weiter ein Problem. " Es handele sich um eine Jahrzehnte-Aufgabe, die von einem einzelnen Präsidenten kaum zu bewältigen sei. "Biden hat eine gute Chance, kurzfristig eine gewisse Befriedung herbeizuführen, denn er polarisiert nicht stark", meint Berg. Obama sei eine Hassfigur vieler Republikaner gewesen, Biden als älterer weißer Mann und Mitte-Politiker werde von politischen Gegnern aber nicht als so bedrohlich wahrgenommen.
Handelspolitik: Offene Flanken
Offene Flanken erkennt Politikwissenschaftler Haas im Verhältnis zu China. "Es gibt keinen deutlichen Umschwung in der China-Politik. Hier scheint Biden eher die Linie der Trump-Politik fortzusetzen – jedenfalls legt er mindestens eine deutliche Vorsicht gegenüber dem chinesischen Vorgehen an den Tag", sagt er.
Das eher vorsichtigere Vorgehen gegenüber China erscheint Haas aber angemessen, "denn hinter vorgehaltener Hand fanden viele Amerikaner Trumps China-Politik gar nicht so schlecht", sagt er. Noch seien jedoch nicht alle Strafzölle vom Tisch. Das betrifft auch die EU: Bislang wurden nur die Strafzölle, die wegen des Streits um Flugzeugbausubventionen galten, wieder ausgesetzt.
Immigrationspolitik: Unerfüllte Versprechen
Kritik kommt im Bereich der Immigrationspolitik. "Biden führt hier einen Eiertanz auf", sagt Haas. Den "Muslim Ban" hob er noch am Tag seiner Amtseinführung auf: Mit dem Dekret hatte Trump Bürgern aus sieben mehrheitlich muslimischen Staaten die Einreise in die USA verboten. Doch das Versprechen, mehr Flüchtlinge im Land aufzunehmen, hat Biden noch nicht erfüllt.
Trump hatte während seiner Präsidentschaft mehrmals das Limit gesenkt, zuletzt auf 15.000 Personen. Biden wollte es für das laufende Haushaltsjahr auf 62.500 Menschen anheben, ließ aber nun lediglich die Herkunftskriterien ändern, um die Obergrenze von 15.000 Personen überhaupt zu erreichen. "Dafür hat er bereits Kritik vom linken Flügel bekommen" sagt Haas.
Keine folgenreichen Patzer von Biden
Hat Biden sich in den ersten 100 Tagen folgenreiche Patzer geleistet? Haas sagt: "Er stand in der Kritik, weil er Putin als Mörder bezeichnet hat. Das ist zwar ein harter Ausdruck, aber es war auch ein Zeichen an die republikanische Partei, denn hier folgten viele Trump nicht in seiner Russland-Politik", meint Haas. Auch Berg sagt: "Biden wurde in der Vergangenheit oft wegen seiner Versprecher oder Flunkereien aus Eitelkeit aufs Korn genommen, aber ich sehe in den ersten 100 Tagen nichts, was ihm direkt geschadet hätte"
Das Fazit der Experten daher: 100 vorzeigbare Amtstage. "Es ist ein unglaublicher Fortschritt, dass im Weißen Haus wieder ein rational agierender Präsident residiert", bilanziert Berg. Haas plädiert derweil für einen kritischen Blick auf die 100-Tages-Bilanzen: "Die Vergleiche zu anderen Präsidenten hinken, weil Prozesse im Kongress heute zum Beispiel deutlich länger dauern und die parteipolitische Polarisierung vieles schwieriger gemacht hat."
Verwendete Quellen:
- Gespräch mit Christoph Haas
- Gespräch mit Manfred Berg
- Johns Hopkins University: Covid-19 Dashboard. Stand 27.04.2021
- Centers for Disease Control and Prevention: COVID Data Tracker. Stand 27.04.2021
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