Es sind Schlagzeilen, die Joe Biden mitten im Wahlkampf so gar nicht gebrauchen kann: Die US-Justiz klagt seinen Sohn in einem weiteren Fall an. Was dröge klingt – Steuerdelikte – entpuppt sich als ein Quell delikater Details, die dem Vater unbequeme Fragen bescheren.

Eine Analyse
von Christiane Jacke (dpa)
Dieser Text enthält eine Einordnung aktueller Ereignisse, in die neben Daten und Fakten auch die Einschätzungen von Christiane Jacke (dpa) sowie ggf. von Expertinnen oder Experten einfließen. Informieren Sie sich über die verschiedenen journalistischen Textarten.

Mitten im US-Wahlkampf ist Präsident Joe Biden mit einer weiteren Anklage gegen seinen Sohn Hunter konfrontiert - und mit der Veröffentlichung pikanter Details aus dessen Vergangenheit. Am Donnerstagabend (Ortszeit) wurde in einem zweiten Fall Anklage gegen Hunter Biden erhoben: diesmal wegen Steuerdelikten.

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Die Justiz legt dem 53-Jährigen zur Last, er habe seine fälligen Bundessteuern mehrere Jahre lang nicht beglichen, sondern stattdessen Millionen für einen "extravaganten Lebensstil" ausgegeben. Die Anklageschrift, die am Donnerstagabend veröffentlicht wurde, listet in aller Ausführlichkeit delikate Ausgaben auf, etwa für Sexclubs, Drogen und Frauen.

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Die Vorwürfe gegen Hunter Biden

Konkret geht es um die Jahre 2016 bis Mitte Oktober 2020 – also bis kurz vor Joe Bidens Wahl zum Präsidenten. In der Zeit habe Hunter Biden mehr als sieben Millionen US-Dollar an Einnahmen verbucht, heißt es in der 56-seitigen Anklageschrift. Der Beschuldigte habe jedoch beschlossen, keine Steuern zu zahlen, sondern das Geld für andere Dinge aufzuwenden: "für Drogen, Hostessen und Freundinnen, Luxushotels und Mietobjekte, exotische Autos, Kleidung und andere Dinge persönlicher Natur, kurzum: für alles außer für seine Steuern".

Aufgeführt sind mehrere Anklagepunkte: Nichtzahlung von Steuern, Steuerhinterziehung und Einreichung falscher Steuerdokumente.

Undurchsichtige Einnahmen

In der Anklageschrift ist genau aufgelistet, was Hunter Biden in jenen Jahren einnahm, unter anderem durch einen lukrativen Posten beim ukrainischen Gaskonzern Burisma – zu einer Zeit, als Joe Biden als Vizepräsident federführend für die Ukraine zuständig war. Das hat Joe Biden schon zuvor negative Schlagzeilen, unbequeme Fragen und Ermittlungen im Parlament beschert.

Aber auch andere undurchsichtige Auslandsgeschäfte von Hunter Biden, etwa in China, sind in der Anklage aufgeführt. Ebenso Zahlungen eines "persönlichen Freundes" in Höhe von 1,2 Millionen Dollar über mehrere Monate im Jahr 2020.

Wilde Ausgaben

Vor allem die penible Zusammenstellung von Hunter Bidens Ausgaben in jenen Jahren hat es in sich. Ein paar Posten allein aus dem Jahr 2018: 383.548 Dollar für Zahlungen an "verschiedene Frauen", 100.330 Dollar für "Erwachsenen-Entertainment", 772.548 Dollar Bar-Abhebungen an Geldautomaten, 151.459 Dollar für Kleidung und Accessoires. In mehreren Fällen habe Hunter Biden Zahlungen an Frauen, mit denen er eine romantische oder sexuelle Beziehung gehabt habe, als Gehälter abgerechnet. Auch andere Dinge habe er als "Geschäftsausgaben" verbucht, etwa 10.000 Dollar für eine Mitgliedschaft in einem Sexclub, Zahlungen an Stripperinnen, Flugtickets für eine "exotische Tänzerin" oder die Miete eines Lamborghinis. Ebenso zahllose Übernachtungen in teuren Hotels, die er in seinen Memoiren selbst als Schauplatz von Alkohol- und Drogenorgien beschrieben hatte.

In dem Buch, das 2021 erschien, hatte Hunter eindrücklich und mit erstaunlicher Offenheit seine Vergangenheit als Alkoholiker und Junkie nacherzählt, und weitere private Eskapaden. Die Autobiografie bescherte ihm bereits an anderer Stelle juristischen Ärger: wegen eines Waffenkaufs im Jahr 2018, zu einer Zeit, in der er laut seinen Memoiren noch tief im Drogen-Sumpf versunken war.

Die andere Anklage

Im September war der 53-Jährige bereits deswegen im Bundesstaat Delaware angeklagt worden. Ihm wird in dem Fall zur Last gelegt, bei jenem Waffenkauf falsche Angaben gemacht und wissentlich seine Drogenabhängigkeit verschwiegen zu haben – ein Verstoß gegen das Waffenrecht. Die neue Anklage zu den Steuervorwürfen, mit der sich nun ein Gericht im Bundesstaat Kalifornien zu beschäftigen hat, wo Hunter Biden lebt, kommt nun noch hinzu.

Der 53-Jährige ist bereits seit längerem im Visier der US-Justiz. Jahrelang liefen Ermittlungen gegen ihn im Zusammenhang mit möglichen Steuervergehen. Im Juni hatte die Staatsanwaltschaft in Delaware schließlich formale Vorwürfe gegen den Präsidentensohn veröffentlicht wegen der Verstöße gegen das Waffen- und das Steuerrecht. Damals sah es zunächst so aus, als könne er durch einen juristischen Deal mit der Staatsanwalt einen Prozess in beiden Fällen abwenden. Doch die Vereinbarung fiel bei einer Anhörung vor Gericht Ende Juli durch.

Und kurz darauf setzte US-Justizminister Merrick Garland angesichts der heiklen Konstellation Mitte August dann einen Sonderermittler zu Hunter Biden ein: Der bereits zuvor ermittelnde Staatsanwalt David Weiss bekam damit extra Befugnisse und trieb die Nachforschungen voran. Vom Justizministerium hieß es am Donnerstag, die Untersuchungen gingen weiter. Womöglich droht Hunter Biden damit noch zusätzliches rechtliches Ungemach.

Die Implikationen für das Wahljahr

Dass der Sohn eines amtierenden Präsidenten angeklagt wird, ist hochgradig ungewöhnlich, wenn nicht beispiellos. Dass dabei weitere pikante Details an die Öffentlichkeit kommen, die noch über die Enthüllungs-Memoiren hinausgehen, ist für Joe Biden mitten im Wahlkampf eine zusätzliche Belastung. Auch weil der Demokrat sich gerne als Beispiel für Integrität und Anstand gibt.

Vor allem aber fügt es einem Wahljahr, das ohnehin eines wird wie keines je zuvor, eine weitere bemerkenswerte Wendung zu: Im kommenden Jahr wird sich nicht nur der frühere US-Präsident und aktuelle Präsidentschaftsbewerber Donald Trump, der Joe Biden herausfordern will, neben dem Wahlkampf mehreren Gerichtsverfahren wegen diverser schwerer Vorwürfe stellen müssen. Auch der Sohn des Amtsinhabers wird parallel zur Wiederwahlkampagne des Vaters Gerichtstermine zu absolvieren haben. Beides gab es so noch nie.

Die Anklagen gegen Hunter Biden liefern den politischen Gegnern des Präsidenten viel Material für politische Angriffe. Auch die Republikaner im Repräsentantenhaus dürften versuchen, dies für sich zu nutzen: Sie haben Nachforschungen für ein mögliches Amtsenthebungsverfahren gegen Joe Biden angestoßen, wegen angeblicher Verwicklungen in die Geschäfte seines Sohnes. Das Vorhaben hat zwar nach jetzigem Stand keinerlei Aussicht auf Erfolg, kann dem Demokraten im Wahljahr allerdings noch lästig werden. (dpa/tas)

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