Trump und seine Republikaner haben an viele Arbeitsplätze in Washington die Axt angelegt. In der Stadt geht die Angst um. Eine Betroffene spricht von einem Kreislauf der Trauer.
Jennifer Nikolaeff atmet langsam ein und langsam aus. Ein, aus. Ein Moment der Ruhe für sie in den leisen Räumen mit dem Parkettböden und den grünen, weichen Matten, die darauf verteilt liegen. In diesem Yoga-Studio in Washington will Nikolaeff zu sich kommen, nach Wochen, die ihr Leben auf den Kopf gestellt haben.
Wie Nikolaeff geht es Tausenden Menschen in Washington.
15 Jahre lang hatte Nikolaeff für USAID gearbeitet, die US-Entwicklungshilfebehörde, die Trump unter Mithilfe seines Beraters Elon Musk binnen weniger Tage abgewickelt hat. Anfang Februar wurde der 53-Jährigen erst ihr Zugang zum USAID-Computernetzwerk gesperrt. Zwei Wochen später erhielt sie dann ihr Kündigungsschreiben, am Valentinstag.
Seither durchlebe sie jeden Tag einen Kreislauf der Trauer, berichtet sie: Niedergeschlagenheit, Verlustgefühle, Wut. Hier im Yoga-Studio trifft Nikolaeff immerhin viele, die ihr Schicksal teilen, die jetzt einen neuen Job finden müssen.
Trump legte an viele Arbeitsplätze die Axt an
700.000 Menschen leben in Washington, 70.000 von ihnen sind Angestellte der Bundesbehörden. Mindestens 110.000 weitere Angestellte wohnen in den Vororten der Stadt. Trump und seine republikanischen Mitstreiter haben an die Arbeitsplätze vieler dieser Menschen die Axt angelegt. Neben USAID sollen weitere Behörden schließen, das Bildungsministerium etwa, das vielen konservativen US-Politikern seit Jahren ein Dorn im Auge ist.
90 Prozent der Menschen in der Stadt haben bei der Präsidentschaftswahl im November für Trumps demokratische Konkurrentin Kamala Harris gestimmt. Den Wahlsieg des Republikaners verhinderte das nicht. Bereits seit dem Urnengang im November liegt eine düstere Stimmung über der Stadt. Seit Trumps Amtsantritt im Januar geht es vielen nun an ihre Existenz.
Im Februar dieses Jahres haben drei Mal so viele Menschen Arbeitslosenhilfe beantragt wie im Vorjahreszeitraum. Viele der aus dem Staatsdienst Entlassenen sind auf Jobsuche - und kämpfen gleichzeitig vor Gericht darum, ihre alten Stellen wiederzubekommen.
Unter vielen anderen, die nicht entlassen worden sind, geht die Angst um, selbst die eine, schicksalhafte E-Mail ins Postfach zu bekommen. Manchmal geht es ganz plötzlich: Auf einmal ist die Zugangs-Karte zum Arbeitsplatz gesperrt, noch bevor die Stellenstreichungen offiziell bestätigt worden sind.
"Viele Menschen leiden unter zunehmenden Angstzuständen und Depressionen. Man merkt wirklich, wie sich die Stimmung und das Umfeld verändern."
Und auch für Angestellte, die nicht um ihren Job fürchten, wird der Arbeitsalltag härter: Die Möglichkeiten zur Arbeit aus dem Homeoffice wurden etwa drastisch zurückgefahren - oder ganz gestrichen. "Washington schläft nicht mehr", so hat die "Washington Post" einen Artikel über den Seelenzustand der Stadt überschrieben.
Psychotherapeutin Elana Woolf sieht in ihrer Arbeit, was das bedeutet. "Viele Menschen leiden unter zunehmenden Angstzuständen und Depressionen", sagt sie. "Man merkt wirklich, wie sich die Stimmung und das Umfeld verändern."
Auch in einer Straße unweit des Weißen Hauses ist nicht mehr zu übersehen, wie die Trump-Präsidentschaft die Stadt verändert hat: Die berühmte Kunstinstallation "Black Lives Matter", ein im Juni 2020 angebrachter Schriftzug in gelber Farbe auf dem Asphalt, ist verschwunden. Arbeiter haben die Lettern zu Ehren afroamerikanischer US-Bürger mit riesigen Presslufthammern aus dem Boden gemeißelt, nachdem republikanische Kongressmitglieder damit gedroht hatten, der Stadt Washington Bundesgelder zu entziehen.
In Washington zeigen manche ihre Solidarität mit den Menschen, die in den Bundesbehörden ihren Job verloren haben: Tierärzte bieten Rabatte an, Bars gesonderte "Happy Hours" für die Entlassenen, Karriereberater bieten Workshops an, um den Lebenslauf ansprechender zu gestalten.
Vielen hilft das nicht wirklich weiter. "Auf dem Arbeitsmarkt hier herrscht ziemliches Chaos", sagt Seth Commichaux, den sie nach neun Jahren bei der Lebensmittel- und Arzneimittelbehörde FDA entlassen haben. "Wenn ich mich auf Stellen bewerbe, sehe ich manchmal, dass ich binnen weniger Tage 1000 Konkurrenten habe", sagt er auf einer kleinen Protestveranstaltung gefeuerter Staatsangestellter.
Im Yoga-Studio, wo sich Jennifer Nikolaeff und die anderen Entlassenen zum Durchatmen treffen, spricht Eigentümerin Kristine Erickson von einem "Gefühl der Hoffnungslosigkeit" in der Stadt. "Als würden wir bestraft." (AFP/bearbeitet von mbo)