Ein Mann hat in London drei Menschen getötet und rund 30 verletzt. Seine Waffen: Ein Auto und zwei Messer - Dinge, die fast jeder besitzt. Zur Tat bekannt hat sich der sogenannte Islamische Staat (IS). Angriffe mit Alltagsgegenständen gehören zur Strategie der Terrormiliz - wohl auch, weil sie militärisch zuletzt stark geschwächt wurde.

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Für seinen tödlichen Anschlag musste sich der Attentäter von London kein Maschinengewehr besorgen, kein Flugzeug in seine Gewalt bringen, keine Bombe basteln.

Stattdessen raste er am Mittwoch mit einem grauen Hyundai i40 auf der Westminster-Brücke neben dem Parlament in Passanten. Anschließend stach er mit einem Messer auf einen Polizisten ein, bevor dessen Kollege den Angreifer erschoss.

Der britische Verteidigungsminister Michael Fallon geht davon aus, dass die Tat "in Verbindung zum islamistischen Terrorismus steht". Der Täter soll dem Geheimdienst MI5 bekannt gewesen sein, weil vor Jahren wegen extremistischer Verbindungen gegen ihn ermittelt worden sei.

Die Terrormiliz Islamischer Staat hat sich zu der Tat bekannt. Von welcher Art die Verbindung zwischen Miliz und Attentäter auch gewesen sein mag - dass es sie gibt, liegt aus Sicht des deutschen Terrorismusforschers Peter Neumann nahe.

"Dieser Anschlag passt genau in das Muster der Anschläge, die wir in Nizza und Berlin gesehen haben", sagte Neumann der Deutschen Presse-Agentur.

Der Experte leitet das internationale Zentrum zur Erforschung von Radikalisierung (ICSR) am King's College in London und berät die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) in Sachen Deradikalisierung von Islamisten. "Das ist genau die Art von Anschlag, die der IS promoted und anstiften will."

Alltagsgegenstände als tödliche Waffen

Attentate mit zur Waffe umfunktionierten Alltagsgegenständen gab es zuletzt immer wieder: In Nizza hat im Juli 2016 ein Attentäter einen Lastwagen in eine Menge Feiernder gesteuert. 86 Menschen starben.

Im belgischen Charleroi verletzte im August ein Mann mit einer Machete zwei Polizistinnen. An der Ohio State University fuhr im November ein Student gezielt einen Fußgänger an und ging mit einem Fleischermesser auf Passanten los.

In Berlin starben im Dezember auf dem Weihnachtsmarkt an der Gedächtniskirche durch einen Laster-Angriff zwölf Menschen. In Paris griff im Februar 2017 ein Mann Soldaten vor dem Louvre mit einer Machete an.

All diese Attentate hat der IS für sich reklamiert. Und die Terrormiliz hat gezielt für solche selbstorganisierten Angriffe mit einfachen Methoden geworben. "Wenn Anschläge gut gelaufen sind, werden sie promotet", sagte Neumann nach dem Berlin-Attentat dem Deutschlandfunk.

Zu Anschlägen mit Lastwagen hat das IS-Magazin Rumiyah gar eine detaillierte Anleitung veröffentlicht.

IS setzt auf Veteranen - und auf Laien

"Der Islamische Staat hat eine zweigleisige Strategie", erklärt Neumann. "Zum einen sagt er: Kommt nach Syrien, wir bilden euch hier aus und schicken euch mit Kampfauftrag zurück."

Die Anschläge von Paris und Brüssel etwa seien von ehemaligen Auslandskämpfern durchgeführt worden.

"Aber zum anderen sagt der Islamische Staat auch, macht was ihr wollt, wenn ihr Unterstützer unserer Organisation im Westen seid. Dann könnt ihr mit einfachsten Mitteln Anschläge durchführen, und wir reklamieren die dann später für uns."

Dass der IS vermehrt auf Anschläge mit einfachen Mitteln setzt, lässt sich als Zeichen seiner militärischen Schwäche interpretieren. Im Irak sind die Regierungstruppen dabei, mit Mossul eine der letzten IS-Hochburgen zurückzuerobern.

Auch in Syrien steht die Miliz unter Druck. Womöglich schafft sie es derzeit nicht, im Westen koordinierte Anschläge zu organisieren, für die viel Ausrüstung und eine detaillierte Planung nötig sind.

Der letzte koordinierte Anschlag des IS in Europa - die Selbstmordattentate von Brüssel - liegen ein Jahr zurück. Aufatmen kann der Westen deshalb nicht. Denn auch bei den jüngsten Anschlägen gab es viele Opfer.

Und spontane Taten mit Alltagsgegenständen sind für die Sicherheitsbehörden extrem schwer zu verhindern.

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