Nach dem überraschenden Rücktritt von Irlands Regierungschef Leo Varadkar steht sein Nachfolger fest: Simon Harris ist zum jüngsten Premierminister seines Landes gewählt worden – mit 37 Jahren.

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Simon Harris wird neuer Regierungschef von Irland. Das Parlament in Dublin wählte den 37-Jährigen am Dienstag zum Nachfolger von Leo Varadkar, der überraschend zurückgetreten war. Harris, der bisher Hochschulminister war, wurde mit 88 zu 69 Stimmen gewählt. Er wird nun der jüngste Premierminister seines Landes. Er muss noch offiziell vom Präsidenten Irlands ernannt werden.

Harris wird auch als "Tiktok-Premierminister" bezeichnet

Harris – geboren im Oktober 1986 – hatte bereits mehrere Kabinettsposten inne, war beispielsweise zu Pandemiebeginn Gesundheitsminister seines Landes und ist derzeit Minister für Hochschulen, Wissenschaft und Forschung. Geprägt hat ihn nach eigenen Angaben die Autismus-Diagnose seines Bruders. Damals habe er angefangen, sich für bessere Informationen und Unterstützung einzusetzen.

Simon Harris (r.) vor seiner Ernennung im Gespräch mit Vize-Regierungschef Micheál Martin
Simon Harris (r.) vor seiner Ernennung im Gespräch mit Vize-Regierungschef Micheál Martin © ---/Maxwell Photography/Press Association/dpa

Für seine Politik nutzt Harris auch Plattformen wie Instagram und Tiktok. Dort veröffentlicht er regelmäßig Videos, weshalb ihn das Portal "Politico" und die britische Zeitung "Guardian" bereits als "Tiktok-Premierminister" bezeichneten. In den Clips wirbt er für politische Entscheidungen, kocht auch mal Tee oder ermutigt Schüler vor ihren Prüfungen.

Die Zeitung "Irish Times" schrieb, ein Kollege habe Harris mal als niedlich, gerissen und schlau beschrieben: "Man ist zufrieden damit, dass er einem zugehört hat, auch wenn er danach nicht liefert. Und er weiß alles, was in deinem Wahlkreis passiert." Von Harris wird aber nach Einschätzung der Zeitung auch erwartet, dass er es schafft, mehr junge Menschen für seine Partei zu gewinnen.

Vor zwei Wochen hatte er als einziger Bewerber den Posten des Parteichefs der liberalkonservativen Regierungspartei Fine Gael übernommen. Die Koalitionspartner – die ebenfalls liberalkonservative Partei Fianna Fáil sowie die Grünen – unterstützen seine Wahl zum Regierungschef.

Die linksgerichtete Oppositionspartei Sinn Fein forderte dagegen Neuwahlen. Harris werde bereits der dritte Premier innerhalb einer Legislaturperiode sein, hatte der Abgeordnete Pearse Doherty kritisiert. Irland mit seinen gut 5,1 Millionen Einwohnern muss spätestens im Frühling 2025 ein neues Parlament wählen.

Varadkar zog sich überraschend zurück

Der bisherige Regierungschef Varadkar hatte Mitte März überraschend seinen Rücktritt angekündigt. Der 45-Jährige verwies dabei auf persönliche wie politische Gründe. Am Montagabend hatte er offiziell beim Präsidenten des EU-Mitgliedsstaates Irland sein Rücktrittgesuch eingereicht.

Seine Regierung hatte zuletzt Niederlagen bei zwei Volksabstimmungen erlitten: Sie wollte zwei Stellen in der Verfassung zum Familienbegriff und zur Rolle der Frau im Haushalt modernisieren, bekam dafür aber keine Mehrheit. Varadkar wurden zudem Fehler in der Sozial- und Wohnungspolitik vorgeworfen.

Harris kündigte bereits an, seine Schwerpunkte bei der Wohnungspolitik, der Durchsetzung von Recht und Ordnung sowie der Unterstützung kleiner Unternehmen setzen zu wollen. Außenpolitisch dürfte interessant werden, wie sich Irland weiterhin zum Gaza-Krieg positioniert. Varadkar hatte das Verhalten Israels schon früh kritisiert.

Gefragt wurde Harris bereits, wie er zu einer Wiedervereinigung mit Nordirland steht. Nordirland ist ein Landesteil des britischen Vereinigten Königreichs. In einem langen Bürgerkrieg zwischen Gegnern und Befürwortern der politischen Union waren Tausende Menschen getötet worden.

Der TV-Sender Sky News fragte Harris, ob er die Meinung seines Vorgängers teile, dass er zu seinen Lebzeiten noch ein vereinigtes Irland erleben werde. Es sei ein legitimes politisches Ziel, ein vereintes Irland sehen zu wollen, derzeit aber nicht eine seiner Prioritäten, sagte Harris. Der Brexit sei eine herausfordernde Zeit gewesen. Während Großbritannien aus der Europäischen Union ausgetreten ist, ist Irland weiterhin EU-Mitglied – deshalb sind spezielle Regeln für die Grenze zu Nordirland nötig. (dpa/ank)

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