- Italiens Staatspräsident Sergio Mattarella hat den Rücktritt von Regierungschef Mario Draghi angenommen.
- Die Regierung bleibe zunächst für die laufenden Geschäfte im Amt, hieß es.
- Bald könnte es eine Neuwahl geben.
Italiens Ministerpräsident Mario Draghi ist nach seinem verpassten Ziel bei einer Vertrauensabstimmung im Senat zurückgetreten. Das Mittelmeerland mit fast 60 Millionen Einwohnern könnte damit vor einer baldigen Neuwahl stehen. Draghis Regierung bleibe noch für die laufenden Geschäfte im Amt, entschied Staatschef Sergio Mattarella am Donnerstag, nachdem er den Rücktritt des 74-Jährigen annahm.
Draghi hatte seinen Schritt am Morgen in der Abgeordnetenkammer angekündigt. "Ich begebe mich zum Präsidenten der Republik, um ihm meine Entscheidung mitzuteilen", sagte der frühere Chef der Europäischen Zentralbank. Viele Parlamentarier applaudierten Draghi. "Danke für die ganze Arbeit, die in dieser Zeit gemacht wurde", entgegnete der parteilose Banker.
Draghi tritt zurück
Draghi hatte die Abstimmung am Mittwochabend zwar gewonnen, aber nicht mit der von ihm geforderten breiten Parlamentsmehrheit. Ein Rücktritt war für ihn deshalb unausweichlich. Alles hängt nun an Präsident Mattarella. Mitten in der Dürre-Krise, den Ängsten um die Energie-Versorgung, der Last durch die Inflation und Verunsicherung durch den Ukraine-Krieg muss er zum Wohle Italiens entscheiden, wie es weitergeht.
Die Wahrscheinlichkeit, dass er die Parlamentskammern auflöst und damit eine vorgezogene Wahl einläutet, scheint hoch - schon allein, weil er zu diesem Thema für den späten Donnerstagnachmittag die Parlamentspräsidenten Maria Elisabetta Casellati (Senat) und Roberto Fico (Abgeordnetenkammer) einberief.
Staaspräsident Mattarella entscheidet über Neuwahl
Ein Wahltermin könnte auf September oder Anfang Oktober fallen. Bis dahin ist abzuwarten, ob Italien politisch gelähmt bleibt oder anstehende Reformen umsetzen kann, die es für die Zahlung wichtiger EU-Hilfsgelder braucht. Laut Umfragen hätten derzeit die rechtsextremen Fratelli d'Italia die Nase vorn und könnten mit der rechtspopulistischen Lega und der Partei von Ex-Ministerpräsident Silvio Berlusconi, Forza Italia, womöglich eine Regierung bilden. Brüssel dürfte ein solcher Ausgang Kopfschmerzen bereiten.
An den Märkten machte sich Verunsicherung breit. Die Regierungskrise in dem hoch verschuldeten Land lastete am Donnerstag auf der Börse in Mailand, die bis zum Nachmittag im Minus blieb. Der Risikoaufschlag für zehnjährige italienische Staatsanleihen im Verhältnis zu deutschen Staatsanleihen schoss nach oben. Die Befürchtung ist auch, dass die Krise in der drittgrößten EU-Volkswirtschaft dem Euro gefährlich werden könnte. Problematisch dürfte auch die Planung und Verabschiedung des kommenden Haushalts werden, sollte eine neue Regierung etwa erst im November arbeiten könnten.
Regierungskrise in Italien
Draghis Rücktritt war das Ende eines einwöchigen Polit-Pokers um die Fortsetzung seiner Regierung. Am Donnerstag vergangener Woche hatte die mitregierende Fünf-Sterne-Bewegung für einen Eklat gesorgt, als ihre Vertreter im Senat Draghi über ein Hilfspaket, das den Bau einer von ihnen abgelehnten Müllverbrennungsanlage in Rom einschloss, nicht das Vertrauen aussprachen. Der gebürtige Römer zog sofort seine Konsequenzen und bot seinen Rücktritt an, den Präsident Mattarella zu diesem Zeitpunkt aber noch nicht annahm.
Seitdem stritten sich vor allem die linkspopulistischen Fünf Sterne und die rechtspopulistische Lega um den Fortbestand der Regierung. Bürger, Verbände und Unternehmensvertreter forderten Draghi auf, weiterzumachen. Auch aus dem Ausland bekam er Zuspruch. Am Mittwoch folgte dann der nächste Höhepunkt der politischen Achterbahnfahrt, als die Regierungsparteien Lega, Berlusconis Forza Italia und erneut die Fünf Sterne nicht am Vertrauensvotum im Senat teilnahmen.
Parteien schieben sich gegenseitig Schuld zu
Die zerstrittenen Parteien schoben sich am Donnerstag gegenseitig die Schuld zu. Erste Politiker wechselten oder verließen ihre Parteien. Die Protagonisten dieser Krise seien dieses Mal Sterne-Chef Giuseppe Conte und Lega-Parteisekretär Matteo Salvini gewesen, befand Außenminister Luigi Di Maio, der sich unlängst mit seinen Anhängern von den Fünf Sternen abspaltete. Schluss mit dem Wahnsinn der Fünf-Sterne-Bewegung und den Machtspielchen der Sozialdemokraten", polterte dagegen Salvini.
"Diese Krise haben wir nicht ausgelöst", erklärte Fünf-Sterne-Jugendministerin Fabiana Dadone. Ex-Ministerpräsident Matteo Renzi von der kleinen Mitte-Links-Partei Italia Viva twitterte: "Wir wollten Mario Draghi und haben ihn unterstützt. Conte, Salvini und Berlusconi haben ihn dagegen nach Hause geschickt." (dpa/okb)
"So arbeitet die Redaktion" informiert Sie, wann und worüber wir berichten, wie wir mit Fehlern umgehen und woher unsere Inhalte stammen. Bei der Berichterstattung halten wir uns an die Richtlinien der Journalism Trust Initiative.