• Eine Gruppe von "Reichsbürgern" soll einen gewaltsamen Umsturz in Deutschland geplant haben.
  • Die Behörden haben das verhindert. Doch was wollen ""Reichsbürger"" eigentlich?
  • Die wichtigsten Fakten zu der Bewegung im Überblick.

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Rund 3.000 Polizeibeamte waren am Mittwochmorgen im Einsatz. Ihr Ziel: Eine als terroristisch eingestufte Vereinigung von "Reichsbürgern". Die Razzia, bei der insgesamt 25 Personen festgenommen wurden, bezeichneten Ermittler gegenüber der Tagesschau als einen von seinem Umfang noch nie dagewesenen" Erfolg. Dass die Vereinigung erfolgreich hätte sein können mit ihren Anliegen, bezeichnet der Terrorismusexperte Peter Neumann im Gespräch mit unserer Redaktion als "Wahnvorstellung".

Dass es Tote gegeben hätte, falls die Gruppe ihre Pläne in die Tat umsetzen hätte können, hält Neumann hingegen für wahrscheinlich. Denn dass Menschen für ihren Umsturz getötet werden würden, habe die Gruppe laut der Bundesanwaltschaft "billigend in Kauf" genommen.

Doch was genau sind "Reichsbürger" überhaupt? Was treibt sie an? Und wie viele gibt es von ihnen in Deutschland? Der Überblick.

"Reichsbürger" glauben nicht an die Bundesrepublik

Das Element, das alle "Reichsbürger" eint: Sie erkennen die Bundesrepublik und dessen Strukturen nicht an. Oft weigern sie sich deshalb etwa Steuern zu zahlen und stehen mit Behörden im Konflikt. Allerdings haben nicht alle "Reichsbürger" dieselben Gründe, den Staat abzulehnen.

Einige sind der festen Überzeugung, dass die Verfassung der Weimarer Republik technisch nie außer Kraft getreten ist, und glauben an die Verschwörungstheorie, dass Deutschland kein Staat, sondern eine GmbH sei. Wieder andere berufen sich hingegen auf ein wie auch immer geartetes Naturrecht, das über den Gesetzen der BRD stehe.

Klar eingrenzen lässt sich die "Reichsbürgerbewegung" allerdings nicht. "Die Bewegung ist sehr vielfältig und heterogen", erklärte Tobias Ginsburg im Gespräch mit unserer Redaktion 2021. Ginsburg recherchierte in der Vergangenheit ausgiebig zu der Szene und fasste seine Ergebnisse in dem Buch "Die Reise ins Reich" zusammen.

Wie er erklärt, finden sich bei den ""Reichsbürger"n" "Menschen aus fast allen Schichten und Bildungsgraden, arm bis reich, vom Arbeitslosen bis zum Hochschulprofessor, alt wie jung, aus Ost- wie Westdeutschland."

Nicht grundsätzlich rechtsextrem, aber es gibt Überschneidungen

Der Verfassungsschutz rechnet der Szene rund 21.000 Anhänger zu. Nur ein kleiner Teil, etwa fünf Prozent, ist nach Einschätzung der Behörde als rechtsextremistisch anzusehen. Allerdings verweist der Verfassungsschutz in einem Informationsschreiben zu der Szene darauf, dass die von "Reichsbürgern" verwendeten "vielfältigen Argumentationsmuster durchaus thematische Überschneidungen mit denen von Rechtsextremisten" aufweisen.

2021 wurden der Behörde zufolge 1.011 extremistische Straftaten von Mitgliedern der "Reichsbürger" und Selbstverwalter"-Bewegung begangen. Der Szene wird vom Verfassungsschutz auch eine "Waffenaffinität" zugeordnet. Seit 2016 sei 1.050 Personen der Bewegung ihre waffenrechtliche Erlaubnis entzogen worden.

Obwohl sie die Bundesrepublik als Staat ablehnen, gab es in der Vergangenheit auch immer wieder Fälle, bei denen Staatsdiener als Anhänger der "Reichsbürgerbewegung" identifiziert wurden. Einem Bericht des Verfassungsschutzes zufolge, der im Mai 2022 veröffentlicht wurde, befinden sich in Deutschland mehr als 300 Rechtsextremisten und sogenannte "Reichsbürger" bei Polizei, Bundeswehr und Nachrichtendiensten.

"Reichsbürger"-Gruppe wollte Gesundheitsminister Lauterbach entführen

Erstmals einer breiten Öffentlichkeit bekannt wird die "Reichsbürger"-Szene 2016. Als ein Grundstück des ehemaligen Mr. Germany Adrian Ursache geräumt werden soll, eröffnet dieser das Feuer auf anwesende Polizisten. Ursache, der gegen die Räumung mit "Reichsbürger"-Ideologie argumentiert hatte und vom Verfassungsschutz als solcher eingestuft wird, wird 2019 wegen versuchten Mordes zu sieben Jahren Haft verurteilt.

Nur einen Monat nach den von Ursache abgefeuerten Schüssen schießt der "Reichsbürger" Wolfgang P. auf mehrere Polizisten. Einer der Beamten stirbt tags darauf an seinen Verletzungen. P. wird 2017 zu lebenslanger Haft verurteilt.

Bundesweite Aufmerksamkeit erlangte zuletzt der Fall einer Gruppe aus "Reichsbürgern" und Gegnern der Corona-Politik, die geplant hatte, Gesundheitsminister Karl Lauterbach zu entführen. Die Gruppe soll parallel dazu einen bundesweiten Stromausfall und einen politischen Umsturz geplant haben.

Verwendete Quellen:

  • Deutsche Presse-Agentur
  • Bundesamt für Verfassungsschutz: "'Reichsbürger und "Selbstverwalter" (PDF)
  • Bundesministerium des Innern und für Heimat: Verfassungsschutzbericht 2021 (PDF)
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