Die Luftschläge gegen die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) sollen in erster Linie der gefährdeten Bevölkerung in Syrien und im Irak nutzen. Doch der militärische Einsatz der USA hat einen unerwünschten Nebeneffekt: Ausgerechnet der syrische Machthaber Baschar al-Assad wird durch den internationalen Kampf gegen den IS politisch gestärkt. Wie konnte Assad zum Nutznießer werden?

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Seit Wochen bombardiert eine internationale Allianz um die USA den Islamischen Staat in Syrien. Jetzt hat US-Verteidigungsminister Chuck Hagel bei einer Pressekonferenz im Pentagon zugegeben, dass aus den Luftangriffen gegen den IS "auch Assad seinen Nutzen" ziehe. Eine Einbindung des syrischen Staatschefs in das multilaterale Vorgehen gegen die Terrormiliz käme, so Hagel, allerdings weiterhin nicht infrage.

Dabei gehen die US-Behörden mittlerweile davon aus, dass sich jeden Monat rund 1.000 neue Kämpfer vom IS rekrutieren lassen. Unter Berufung auf Geheimdienstmitarbeiter berichtete die "Washington Post" am Donnerstag, dass die Luftschläge sogar dazu führen könnten, dass sich künftig immer mehr Sympathisanten in den Dienst des IS stellen.

Baschar al-Assad scheint diese Entwicklung kaum zu kümmern. Er hält sich in Bezug auf die Islamisten im eigenen Land eher zurück – und fährt offensichtlich gut damit. Bereits Ende September hatten syrische Rebellen im Internet gewarnt, am Ende würde der militärische Einsatz gegen den IS nicht ihnen, sondern Assad helfen.

Doch wie konnte Assad zum Nutznießer der internationalen Intervention in Syrien werden? Petra Becker von der Berliner Stiftung Wissenschaft und Politik gibt Antworten.

Frau Becker, warum profitiert Baschar al-Assad von den auf sein Territorium gerichteten Bombardements?
Petra Becker: In erster Linie ergibt sich daraus für ihn ein militärischer Nutzen. Durch den internationalen Kampf gegen den IS ist der Druck auf die syrische Armee geringer geworden. Die Amerikaner erledigen praktisch das Problem für Assad, der sich dadurch wieder verstärkt darauf konzentrieren kann, die syrischen Rebellen zu bekämpfen.

Hat Assad auch einen politischen Nutzen?
Ja, und das ist zum Teil auch unseren Medien geschuldet. Alle gucken nur noch, was der IS macht. Kaum einer schaut noch, was gleichzeitig das syrische Regime macht. Allein im September sind mindestens 3.000 weitere Menschen im Bürgerkrieg umgekommen. Allerdings geht nur ein Bruchteil davon auf das Konto des IS. Der überwiegende Teil geht auf die Regimegewalt unter Assad zurück. Aber das scheint uns keine Nachricht mehr wert zu sein, weil wir es nicht als bedrohlich empfinden, wenn ein Diktator sein eigenes Volk umbringt. Wenn aber westliche Journalisten enthauptet werden, haben wir das Gefühl, das hat mit uns zu tun.

Das heißt, Assad gewinnt wieder an Macht?
Wenn weiterhin nur Luftschläge gegen den IS ausgeführt werden und niemand der syrischen Opposition zu Hilfe kommt, dann ist das ein Machtgewinn für Assad, ja. Der IS hat sich in den vergangenen Jahren immerhin ausschließlich in den Gebieten ausgebreitet, die von den Rebellen erobert worden sind und jetzt von den USA bombardiert werden. Erst seit Kurzem, seit er stark genug geworden ist, geht er auch gegen vom Regime kontrollierte Stützpunkte vor.

Der IS scheint aber nicht wirklich schwächer zu werden. Zumindest hat er weiter Zulauf
Der IS gewinnt tatsächlich in der syrischen Bevölkerung an Rückhalt. Immerhin ist den Rebellen in den vergangenen dreieinhalb Jahren niemand gegen Assad zur Hilfe gekommen. Erst jetzt kommt der Westen, weil der IS da ist, und engagiert sich militärisch in Syrien, wobei aber vom Regime kontrollierte Gebiete und damit Assad selbst unbehelligt bleiben. Das spielt dem IS genau in die Hände. Denn er versucht, das Ganze so darzustellen, als gehe es um einen Kampf des Westens gegen den Islam. Obwohl auch Saudi Arabien und Bahrain im Rahmen der Allianz IS-Stellungen in Syrien bombardieren.

Wie stehen der IS und Assad sich heute gegenüber?
Assad hat den IS im eigenen Land anfangs nicht nur stillschweigend geduldet, sondern er hat seine Entstehung sogar gefördert, indem er 2011 Hunderte Dschihadisten aus seinen Gefängnissen entlassen hat. Er hat die friedliche Revolution 2011, die nichts anders als einen Regimewechsel wollte, daraufhin als salafistische Bewegung dargestellt, die sein säkulares Regime bedroht. Dabei hat er diesen Verlauf selbst ermöglicht. Und jetzt ist ihm das Ganze über den Kopf gewachsen. Deshalb kommen die USA jetzt natürlich gelegen.

Petra Becker gehört der Forschungsgruppe Naher/Mittlerer Osten und Afrika der Stiftung Wissenschaft und Politik an.
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