Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach hat jüngst eine große Pflegereform angekündigt. Bei "Markus Lanz" sprach er näher über seine Pläne und Ziele. Bei genaueren Nachfragen geriet der SPD-Politiker jedoch mächtig unter Druck.
In Deutschland erhalten ungefähr 5,5 Millionen Menschen Geld aus der Pflegeversicherung. Entsprechend groß war zuletzt die Aufregung, als berichtet wurde, dass diese bereits Anfang kommenden Jahres vor der Pleite stehen könnte.
Dem sei nicht so, stellte Bundesgesundheitsminister
Das war das Thema bei "Markus Lanz"
Nach Berichten, dass die Pflegeversicherung kurz vor der Pleite stehe, kündigte das Gesundheitsministerium ein Finanzkonzept an. Minister Karl Lauterbach gab zwar zu, dass es finanzielle Probleme gebe, versprach jedoch, dass er alles dafür tue, um die Pflegeversicherung zu stabilisieren. Ob und in welchem Umfang die Beiträge angehoben werden, ließ er dabei offen.
Markus Lanz nahm das zum Anlass, die geplante Pflegereform näher zu beleuchten. Außerdem ging es um den Rücktritt von SPD-Generalsekretär
Das waren die Gäste
- Alon Gat, Hamas-Opfer: "Diese Menschen sind immer noch in Gefangenschaft nach einem vollen Jahr. Wir tun nicht genug."
- Gerhard Conrad, Ex-BND-Agent: "Wir haben da in Gaza zusammengesessen und bei Tee und Gebäck über Leben und Tod von Menschen verhandelt."
- Karl Lauterbach, SPD-Politiker: "Die Pflegeversicherung ist nicht insolvent, ihr droht auch nicht die Insolvenz."
- Antje Höning, Journalistin: "Ich befürchte, dass bis zu 30 Prozent der Krankenhauskapazitäten verschwinden."
Das war der Moment des Abends bei "Markus Lanz"
Zu Beginn der Sendung wollte Markus Lanz von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach wissen, wann er von Kevin Kühnerts Rücktritt als SPD-Generalsekretär erfahren habe. "Ich habe davon auch gestern erst erfahren. Ich wusste davon nichts", so Lauterbach ernst. Er ergänzte: "Wir verlieren hier eines der größten Talente in der Politik in dieser Generation. Ich hoffe, dass er sich schnell wieder erholen wird und in die Politik zurückkehrt. Es wäre ein Gewinn für alle demokratischen Parteien."
Als Lanz mit einem skeptischen "Es sieht nicht so aus" reagierte, erklärte Karl Lauterbach, dass man darüber nicht spekulieren könne: "Ich wünsche ihm gute Genesung und wenn er wieder genesen ist, vielleicht kommt er dann auch wieder zurück." Grund genug für den ZDF-Moderator, nach dem Grund für Kühnerts Rücktritt zu fragen: "Wir reden worüber? Über eine psychische Erschöpfung? Über einen jungen Menschen, der nicht mehr kann?"
Der Gesundheitsminister konterte prompt: "Selbst wenn ich es wüsste, würde ich als Arzt niemals darüber öffentlich spekulieren. Das gehört sich auch ehrlich gesagt nicht." Lauterbach fügte nachdenklich hinzu: "Er ist krank und er zieht sich zunächst einmal zurück. Und damit ist alles gesagt und wir sollten jetzt nicht versuchen, zu spekulieren, was da die Hintergründe sind."
Dennoch ließ Lanz nicht locker und hakte nach, ob man mit Blick auf das politische Geschäft im Jahr 2024 sagen müsse, dass man es Menschen "so eigentlich nicht mehr zumuten" könne. Karl Lauterbach nickte vorsichtig: "Was auf jeden Fall zu beobachten ist, ist eine Verrohung der Politik. Und diese Verrohung ist durch die sozialen Medien nochmal massiv verstärkt worden. In den sozialen Medien werden Leute quasi aufgehetzt, (...) hasserfüllt über Politiker zu reden, ihnen das Übelste zu unterstellen und drohen auch mit Gewalt. Und zum Teil kommt es dann auch zu Gewalt."
In dem Zusammenhang erklärte der SPD-Politiker, dass er "null Verständnis für Parteien" habe, "die versuchen, auf der Grundlage dieser Verrohung noch populistisch Wähler abzugreifen". "Eine politische Kultur, die baut man in Jahrzehnten auf und man zerstört sie in wenigen Monaten", so der aufgebrachte Politiker weiter.
Dies veranlasste Markus Lanz abschließend dazu, den Ex-SPD-Generalsekretär als Politiker zu bezeichnen, "der keinem harten rhetorischen Fight aus dem Weg gegangen ist". In den letzten Monaten habe er ihn jedoch "tatsächlich immer wieder erschöpft erlebt". Deswegen habe ihn sein aktueller Rücktritt "nicht wirklich überrascht".
Das war das Rede-Duell des Abends
Rauer wurde der Ton, als es um den möglichen Kollaps des Pflegesystems und die Nachricht ging, die Pflegeversicherung sei bereits im Februar zahlungsunfähig. "Man liest das und man ist irgendwie fassungslos und denkt sich: Wie kann das sein?", so Markus Lanz erschüttert. Journalistin Antje Höning wiegelte zunächst ab: "Zahlungsunfähig heißt nicht, dass die Pflegekasse das Heim nicht mehr bezahlt."
Sie gab dennoch zu: "Es zeigt, wie angespannt die Lage ist und dass dringend was passieren muss. Das ist ein kollektives Versäumnis!" Höning warnte: "Die Babyboomer gehen in Rente. Damit fangen da die ersten Pflegefälle an. In zehn bis 20 Jahren, wenn die so richtig in das pflegefähige Alter kommen, wird es noch viel schlimmer werden. Die Personalkosten sind stark gestiegen. Wir haben jetzt auch noch eine schlechte wirtschaftliche Lage, also weniger Beitragszahler - weniger Einnahmen."
Eine Steilvorlage für Lanz, der vom Bundesgesundheitsminister wissen wollte: "Wie dramatisch ist denn die Situation tatsächlich?" Lauterbach stellte zunächst klar: "Die Pflegeversicherung steht nicht vor der Insolvenz, die ist nicht pleite!" Dennoch gab der Politiker zu, dass die Pflegeversicherung unter "wirtschaftlichem Druck" stehe.
Lauterbach versicherte jedoch, dass er "mit der Ampel wirklich Tag und Nacht an großen Reformen" arbeite. "Wir arbeiten auch an einer großen Pflegereform, die ist auch weitestgehend fertig", so Lauterbach. Er fügte hinzu, dass es auch beim Thema Eigenbeteiligung im Pflegebereich "eine Lösung geben" müsse. Aber er werde die Reform "heute nicht ausplaudern".
Lanz zeigte sich unzufrieden und reagierte genervt: "Können Sie heute hier versprechen, zusichern, dass diese hohen Summen, die da jeden Monat fällig werden, signifikant sinken?" Lauterbach konterte schwammig, dass die Ampel Reformen "jetzt recht gut" hinbekomme, indem sie die Inhalte nicht öffentlich diskutiere.
Ein Argument, das Lanz nicht akzeptieren wollte: "Sie lenken gerade sehr professionell von der Frage ab." Lauterbach blieb jedoch standfest und bat um Geduld: "Die Reform ist weitestgehend fertig." Antje Höning stichelte daraufhin: "Damit wecken Sie doch falsche Hoffnungen. Die Eigenbeteiligung wird nie sinken!" Der Politiker konterte nüchtern: "Ich wecke ehrlich gesagt keine Hoffnungen, weil ich nichts sage."
Abschließend wurde er deutlicher: "Wir haben Mehrlasten, die wir schultern müssen. Die Zahl der Pflegebedürftigen steigt stark an. Wir rechnen in diesem Jahr mit 400.000 Pflegebedürftigen." Daher könne das System nicht unverändert bleiben und es brauche stattdessen "eine Strukturreform", in die nicht "nur mehr Geld" reingespült werden könne.
So hat sich Markus Lanz geschlagen
Markus Lanz versuchte immer wieder, Karl Lauterbach aus der Reserve zu locken und Details zur Pflegereform herauszufinden. Als Lauterbach schließlich mit einem genervten "Es hat keinen Zweck" reagierte, konterte Lanz prompt: "Hat keinen Zweck, weiterzufragen? (...) Dann ist das hier der falsche Rahmen, ehrlich gesagt. Der Rahmen hier heißt: Ich stelle eine Frage und Sie beantworten sie idealerweise. Es fällt Ihnen selber auf die Füße, denn die Leute interessiert genau das."
Das ist das Fazit bei "Markus Lanz"
Bei "Markus Lanz" versuchte sich Karl Lauterbach in Bezug auf die geplante Pflegereform bedeckt zu halten. Zum Ende der Sendung sagte er dennoch überraschend konkret: "Wir haben stark steigende Pflegebedürftige. Wir werden uns dafür einsetzen, dass diese Eigenbeteiligungen nicht stetig steigen."
Der Gesundheitsminister ergänzte, dass man auch die Angehörigen stärken müsse: "Das wird auch ein Schwerpunkt dieser Reform sein, dass wir pflegende Angehörige deutlich besser stellen." © 1&1 Mail & Media/teleschau
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