- Nach dem Fernsehfilm "Gott" diskutierte Frank Plasberg in "Hart aber fair" mit seinen Gästen über das Für und Wider der Sterbehilfe.
- Dabei gab er dem Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz einen mit.
- Bewegend war der Fall eines Mannes, der seine Mutter völlig auf sich gestellt beim Freitod unterstützte.
Das Bundesverfassungsgericht hat das Recht auf selbstbestimmtes Sterben im Februar 2020 deutlich gestärkt. Das 2015 vom Bundestag beschlossene Verbot geschäftsmäßiger Sterbehilfe erklärten die Richter für verfassungswidrig. Es verletze das allgemeine Persönlichkeitsrecht, so die Argumentation.
Voraus ging der Debatte der ARD-Fernsehfilm "Gott". Darin diskutiert ein Ethikrat über den Fall der Figur Richard Gärtner (78), der – obwohl bei bester Gesundheit – nach dem Tod seiner Frau selbstbestimmt aus dem Leben scheiden will. In der anschließenden Abstimmung befürworteten gut 70 Prozent der Zuschauer, dass Gärtner ein todbringendes Medikament erhalten darf.
Wer waren die Gäste bei "Hart aber fair"?
- Olaf Sander: Der Altenpfleger berichtete, wie er seine schwer kranke Mutter beim Suizid begleitet hat. "Ich fühle mich gut, ich habe überhaupt kein schlechtes Gewissen. Ganz im Gegenteil", sagte Sander. Nachdem er seiner Mutter den tödlichen Medikamentencocktail bereit gestellt hatte, ging er in eine weit entfernte Spielothek, wo Überwachungskameras ihn aufnehmen konnten. Als Beweis, dass er beim Tod nicht anwesend war und um eine Anklage wegen unterlassener Hilfeleistung zu verhindern. Sander fühlt sich vom Staat komplett alleine gelassen. Die letzten Stunden "hätten schöner sein können", wenn er einfach für seine Mutter da gewesenen wäre.
- Bettina Schöne-Seifert: Die Expertin für Medizinethik findet es richtig, dass nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts "Selbstbestimmung das letzte Wort hat". Mit Blick auf Länder mit liberalen Sterbehilfegesetzen kann sie keine "ungeheuer erschreckende" Zahl an Menschen erkennen, die von dem Recht Gebrauch machen. Durch den "Notausgang" werde "kein zusätzlicher Anreiz" geschaffen, schlussfolgerte Schöne-Seifert. Sie glaubt, dass das Ergebnis der Abstimmung nach dem ARD-Film noch eindeutiger ausgefallen wäre, hätte man den Fall eines Sterbenskranken verhandelt.
- Georg Bätzing: Dem Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz bereiten die steigenden Fallzahlen in der Schweiz, Belgien und den Niederlanden dagegen Sorgen. Er befürchtet, dass sich pflegebedürftige alte Menschen künftig auch in Deutschland zum Suizid genötigt sehen könnten. Etwa um Pflegekosten zu sparen und um mehr Geld vererben zu können. Er rechnet mit einem Dammbruch. "Ich bin schockiert über diesen Richterspruch", sagte Bätzing zum Urteil des Bundesverfassungsgerichts.
- Dr. Susanne Johna: Die Vorsitzende des Marburger Bundes lehnt den assistierten Suizid und erst recht die aktive Sterbehilfe durch Ärzte ab. "Die Tötung eines Menschen gehört nicht zu den ärztlichen Aufgaben", sagte die Internistin mit Blick auf das Gerichtsurteil. Johna gab aber zu, dass das Thema innerhalb der Ärzteschaft kontrovers diskutiert werde.
Was war der Moment des Abends?
Es waren bewegende Szenen, die Olaf Sander in einer alten TV-Dokumentation zeigten, als er seine Mutter beim Sterben begleitete. Eine Kamera-Crew zog sich erst kurz vor der Einnahme des tödlichen Mittels aus der Wohnung zurück, um sich nicht strafbar zu machen. Eine der letzten Szenen zeigte eine innige Umarmung zwischen Mutter und Sohn.
Was war das Rededuell des Abends bei "Hart aber fair"?
Die Szene ließ auch Bischof Bätzing nicht kalt. Er selbst lehnt jegliche Form der Sterbehilfe strikt ab. Gott habe das Leben gegeben, nur Gott könne es auch nehmen. "Ich kann ihm meine Glaubensüberzeugung nicht überstülpen", sagte er mit ruhiger Stimme über Sander. Der Angesprochene bemängelte die Ego-Perspektive vieler Sterbehilfegegner. "Wer guckt mit den Augen derer, die dort sitzen?"
Wie hat sich Frank Plasberg geschlagen?
Dass der Gastgeber durch spitze Bemerkungen oder kritische Fragen in seiner Sendung hin und wieder Stellung bezieht, ist nicht neu. Dieses Mal setzte Plasberg fast schon zu einer Fundamentalkritik an der katholischen Kirche an.
Ablehnung der Homo-Ehe, Ablehnung der Sterbehilfe (wo die Evangelische Kirche in Deutschland eine etwas offenere Position vertritt), die schleppende Aufklärung von sexuellem Kindesmissbrauch in den eigenen Reihen. "Woher nimmt die Katholische Kirche noch den Anspruch, moralisches Denken einer Gesellschaft mitzubestimmen?" Da geriet der Bischof arg in die Defensive.
Was ist das Fazit?
Olaf Sander war sich - anders als Bischof Bätzing - sicher, dass es durch die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts keinen "Dammbruch" hin zu deutlich mehr Selbstmorden geben wird. "Jedes Leben kämpft ums Leben", sagte er. Seine Mutter habe die tödlichen Medikamente drei Jahre im Schrank aufbewahrt, bis sie aus dem Leben schied. Für ihn ist der selbstbestimmte Suizid am Lebensende wie für Bettina Schöne-Seifert ein Menschenrecht.
Anders sahen es Bätzing und Susanne Johna, die hervorhob, dass ein Großteil der Menschen mit Suizidabsichten an psychischen Erkrankungen leidet. Durch Psychotherapie und/oder Medikamente könnte vielen von ihnen geholfen werden. Bei einer anderen Risikogruppe, Eltern, die ein Kind verloren haben, verschwinden die Suizidabsichten oft nach einiger Zeit. Diese Menschen beim Freitod zu unterstützen oder ihn aktiv herbeizuführen, wäre aus Sicht der Sterbehilfe-Gegner ein riesiger Fehler.
Selbst in Ländern mit liberalen Gesetzen können Menschen ohne schwere chronische Schmerzen oder einer Krebserkrankung, die zum Tod führt, allerdings nicht ohne weiteres aus dem Leben scheiden. Wie der kerngesunde Richard Gärtner aus dem ARD-Film. In Deutschland steht eine gesetzliche Neuregelung der Suizidassistenz nach dem wegweisenden Gerichtsurteil aus dem Februar noch aus. Es gibt also weiter jede Menge Diskussionsbedarf.
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