Der Kriegsverlauf in Nahost wirft immer wieder die Frage auf, ob ein Flächenbrand kurz bevorsteht. Bei "Markus Lanz" äußerte sich Vizekanzler Robert Habeck zur Bedeutung der Staatsräson und schloss einen deutschen Militäreinsatz zum Schutz Israels nicht aus.

Eine Kritik
Diese Kritik stellt die Sicht von Natascha Wittmann dar. Informieren Sie sich, wie unsere Redaktion mit Meinungen in Texten umgeht.

Am 7. Oktober veränderte sich die Welt, als Hamas-Terroristen in Israel eindrangen und unschuldige Zivilisten töteten. Bei "Markus Lanz" machte Vizekanzler Robert Habeck deutlich, dass Deutschland mit allen Mitteln die Sicherheit Israels gewährleisten muss. Gleichzeitig stellte er sich den schweren Vorwürfen von Deborah Feldman, die energisch ein Ende der Gewaltspirale forderte.

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Das ist das Thema bei "Markus Lanz"

Seit dem Terrorangriff der Hamas auf Israel steigt auch im Gazastreifen die Zahl der zivilen Opfer weiter an. Mehrere UN-Vertreter hatten sich bereits kritisch zu Israels Gegenoffensive geäußert. Markus Lanz sprach daher über die Bedeutung Deutschlands in Bezug auf den Nahost-Konflikt und beleuchtete, was wirklich hinter der Idee der Staatsräson steckt.

Das sind die Gäste

  • Robert Habeck, Vizekanzler: "Israels Sicherheit ist deutsche Staatsräson."
  • Giovanni di Lorenzo, Journalist: "Ich spüre eine gewisse Kälte gegenüber den Opfern dieses Überfalls."
  • Florence Gaub, Politologin: "Die Hamas ist eine Ideologie, und deshalb kann man sie gar nicht zerstören."
  • Deborah Feldman, Schriftstellerin: "Politik ist so wahnsinnig selbstsüchtig."

Das ist der Moment des Abends bei "Markus Lanz"

Zu Beginn der Sendung wollte Lanz von Vizekanzler Robert Habeck wissen, ob er Verständnis für die Gegenoffensive Israels in Gaza habe. Der Grünen-Politiker antwortete, dass bei vielen Jüdinnen und Juden das Vertrauen in das Versprechen, frei und sicher ihren jüdischen Glauben leben zu können, "tiefgehend zerbrochen" sei. "Das ist 80 Jahre nach dem Holocaust wirklich ein dramatischer Befund", konstatierte der Bundeswirtschaftsminister.

Laut Habeck habe Israel daher "das Recht, sich zu verteidigen" und "diesen Schutzraum wieder herzustellen - und das heißt, die Hamas zu bekämpfen". Gleichzeitig sei Deutschland in der "Verpflichtung, Israel beizustehen, dieses Schutzversprechen (...) wieder herzustellen und aufrechtzuerhalten". Dies brachte Lanz auf die Idee der Staatsräson zu sprechen.

"Was heißt das?", wollte der Moderator wissen. Habeck antwortete: "Staatsräson bedeutet: Die Sicherheit Israels gehört zur Identität der Demokratie dieser Republik dazu." Dieses Versprechen gehe laut des Vizekanzlers mit einer "Verpflichtung einher", zu der gehöre, "dass Israel militärischen Beistand bekommt" und "Waffenlieferungen (...) erfüllt werden".

Lanz hakte nach: "Wenn dieser Flächenbrand entstünde, würde das bedeuten, dass wir im Zweifel auch mit der Bundeswehr, mit eigener Truppe, Israel zur Seite stehen würden?" Habeck wich zunächst der Frage aus und sagte: "Das wäre ja jetzt absolute Spekulation." Der Fokus müsse laut des Vizekanzlers auf der politischen Unterstützung sowie der Bereitstellung militärischer Ausrüstung liegen, damit "dieser Flächenbrand, der dann ja schnell ein Weltbrand werden kann, verhindert" werde. "Alle Kraft muss darauf gerichtet sein, genug Gesprächskanäle offenzuhalten, dass das nicht passiert."

Er fügte hinzu: "Die Spekulation über ein Szenario, dass dann ja wirklich Armageddon-ähnlich sein könnte, dem möchte ich jetzt nicht Tür und Tor öffnen." Dennoch gab der Vizekanzler zu: "Die Solidarität mit Israel schließt natürlich auch militärische Unterstützung mit ein." Wie überhaupt ein Frieden in Nahost hergestellt werden könne, sei "schwer zu sehen". Habeck gab offen zu, dass die "Folgen natürlich unabsehbar groß" wären, sollte es zu einem Flächenbrand kommen.

Daher werde momentan hart dafür gearbeitet, "dass wir nicht eine Eskalation des Krieges bekommen". Er ergänzte: "Die unmittelbare Gefahr besteht darin, dass andere Regierungen, andere militärische Gruppen eintreten in den Krieg." Seine "allergrößte Sorge" sei demnach, "dass es noch viel schlimmer werden kann".

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Das ist das Rede-Duell des Abends

Besonders die jüdisch-amerikanische Schriftstellerin Deborah Feldman zeigte sich entsetzt über die bedrückende Aussichtslage. "Es gibt eine erhebliche Stimme in der israelischen Gesellschaft (...), die nach einem Ende der Gewaltspirale schreit. Ich bin eine dieser Stimmen", machte Feldman klar. Für sie gebe es auf beiden Seiten "keine Rechtfertigung der Gewalt" gegen unschuldige Zivilisten. Aus diesem Grund sagte die Schriftstellerin: "Wer den Holocaust instrumentalisieren will, um weitere Gewalt zu rechtfertigen, hat seine eigene Menschlichkeit verwirkt."

Feldman wandte sich daraufhin mit der Bitte an die Politik, die friedvollen Stimmen vieler Palästinenser hervorzuheben, denn "es ist womöglich unsere allerletzte Chance, umzulenken. Wenn diese Eskalation der Gewalt nicht jetzt zu beenden ist, erleben wir möglicherweise eine dramatische, gefährliche Veränderung in der Welt und in unserer Gesellschaft, die wir vielleicht nicht mehr in den Griff kriegen."

Mit Blick auf Robert Habeck sagte Deborah Feldman: "Sie erlauben Menschen mit palästinensischer Herkunft, die tolerante und friedliebende Ansichten haben, nicht zu Wort zu kommen, weil Sie wollen diese Menschen hinter dem gewaltvollen Gesicht des Terroristen verstecken!"

Ein Vorwurf, den Robert Habeck nicht unkommentiert ließ. Er gab zunächst zu: "Die Angst, jüdisches Leben in Deutschland frei zu leben, ist zurück - eindeutig." Dies bedeute, dass vor allem "die Aufklärung und die Debatte und auch das Zurückdrängen des Antisemitismus in all seinen Formen - islamistisch, von rechts wie von links - Aufgabe dieser Stunde" sei. Dennoch konterte Habeck, dass es nicht seine Schlussfolgerung sein kann, "bei dem Hinschlachten von Unschuldigen, bei dem brutalen Ausstellen von Gewalt" zu sagen: "Darauf reagieren wir alleine mit Friedfertigkeit."

Der Vizekanzler erklärte weiter, dass es für "einen nicht-jüdischen, deutschen Politiker" unmöglich sei, "zu sagen: 'Naja, das war jetzt zwar ganz schlimm, was die Hamas gemacht hat, aber das Recht auf Verteidigung, auf Zerstörung der Hamas, das habt ihr nicht'." Zu Deborah Feldman sagte er daraufhin: "Das können Sie mit einer großen moralischen Klarheit und Härte einfordern. Ich kann das nicht." Ein Argument, auf das die Schriftstellerin konterte: "Herr Habeck, es gibt keine Sicherheit für Juden in der Welt, solange dieser Nahost-Konflikt weiter brodelt!"

So hat sich Markus Lanz geschlagen

Markus Lanz gelang eine äußerst emotionale und tiefgründige Sendung, bei der nicht nur Robert Habeck seine Standpunkte erläutern konnte. Vor allem im Gespräch mit Deborah Feldman nahm sich der ZDF-Moderator viel Zeit und beleuchtete damit eine neue Seite des Konflikts.

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Das ist das Fazit

Mit Blick auf einen möglichen Frieden in Nahost stellte Sicherheitsexpertin Florence Gaub klar, dass Menschen wie Deborah Feldman diejenigen sein könnten, "die diesen Konflikt politisch auflösen werden", weil sie "es schaffen, die intellektuelle Leistung zu erbringen, in der Grauzone zu denken" und "dem Leid aller Raum" zu geben.

Die Politologin ergänzte jedoch mit ernster Miene, dass eine Zerstörung der Hamas schier unmöglich ist, denn: "Ultimativ kommt man auch mit der größten militärischen Maschine gegen so eine Ideologie nicht an, wenn es da einen Nährboden gibt."  © 1&1 Mail & Media/teleschau

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