In Deutschland nimmt die Anzahl israelkritischer und antisemitischer Stimmen zu und macht auch vor Schulhöfen keinen Halt. Bei "Markus Lanz" kritisierte Studentin Anna Staroselski, Sprecherin des deutsch-jüdischen Vereins WerteInitiative, die Fehler der deutschen Politik und bemängelte die allgemeine Unwissenheit über das jüdische Leben - auch jene von Richard David Precht. Daraufhin setzte sich der ZDF-Moderator mit klaren Worten für seinen Podcast-Kollegen ein.

Eine Kritik
Diese Kritik stellt die Sicht von Natascha Wittmann dar. Informieren Sie sich, wie unsere Redaktion mit Meinungen in Texten umgeht.

Das ist das Thema bei "Markus Lanz"

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Trotz eines Demonstrationsverbots sind am vergangenen Sonntag am Berliner Potsdamer Platz etwa 1.000 Menschen zu einer pro-palästinensischen Kundgebung zusammengekommen. Markus Lanz sprach am Dienstagabend über den Umgang mit Antisemitismus sowie dem zunehmenden Judenhass an deutschen Schulen. Gleichzeitig äußerte sich der ZDF-Moderator zur Causa Richard David Precht, der im Podcast "Lanz & Precht" Stereotype über orthodoxe Juden verbreitete und seither in der öffentlichen Kritik steht.

Das sind die Gäste

  • Kai Wegner, CDU-Politiker: "Ich will jüdisches Leben schützen in unserer Stadt."
  • Melanie Amann, Journalistin: "Wenn im Nahen Osten Krieg ausbricht, dann ist er keine 48 Stunden später auch in deutschen Klassenzimmern angekommen."
  • Golineh Atai, Journalistin: "Es geht auch um die Glaubwürdigkeit westlicher Politik."
  • Guido Steinberg, Islamwissenschaftler: "Selbst ich hätte nicht für möglich gehalten, dass die Hamas zu so etwas fähig ist."
  • Anna Staroselski, Studentin: "Ich als Jüdin fühle mich hier nicht mehr sicher."

Das ist der Moment des Abends bei "Markus Lanz"

Was den zunehmenden Antisemitismus an deutschen Schulen angeht, gab CDU-Politiker Kai Wegner zu, dass "zu lange weggeschaut" wurde. Der Berliner Oberbürgermeister erklärte zudem, dass "an Berliner Schulen ganz häufig 'Du Jude' wieder als Schimpfwort benutzt" werde. "Damit fängt es an", so Wegner sorgenvoll. Er fügte hinzu, dass an vielen Schulen sogar Israel von der Landkarte "ausgekratzt" werde. Dafür verantwortliche Schüler müssten jedoch "keinerlei Konsequenzen" fürchten.

Journalistin Melanie Amann beschuldigte daraufhin die fehlende Konsequenz der deutschen Politik, die viel zu lange blind agiert habe. "Wie kann es sein, dass wir jetzt erst diskutieren über Kinder, die total ideologisiert sind und an deutschen Schulen ihren Judenhass offen zeigen?", fragte die stellvertretende "Spiegel"-Chefredakteurin.

Auch Islamwissenschaftler Guido Steinberg kritisierte die "blauäugige" Regierung, die "eine große Migrationswelle" aus Ländern zugelassen habe, "in denen Hass auf Israel, Hass auf Juden ein wichtiger Teil der politischen Kultur ist". Anna Staroselski gewährte daraufhin einen emotionalen Einblick in die Gefühlswelt unzähliger Juden, die sich laut der Studentin "wirklich hilflos" und in Deutschland nicht mehr sicher fühlen.

Wie die Sprecherin des deutsch-jüdischen Vereins WerteInitiative erzählte, verlassen immer mehr jüdische Schüler und Schülerinnen ihre Lehreinrichtungen, "weil sie Antisemitismus täglich erleben". Dass die Lehrkräfte nicht damit umzugehen wüssten, ist laut Staroselski "ein Riesenproblem". Sie ergänzte, dass es auch problematisch sei, "dass sehr wenig Wissen über jüdisches Leben, über den israelisch-palästinensischen Konflikt da ist".

Die Studentin richtete ihren Blick auf Markus Lanz und sagte: "Ein gutes Beispiel ist ja Richard David Precht - das haben Sie ja ganz konkret auch miterlebt." Statt den Kommentar zu übergehen, bezog Lanz Stellung: "Sie können ihm gerne mangelndes Wissen vorwerfen, aber die Verkürzung hin zum Antisemitismus finde ich an dem Punkt tatsächlich schwierig. Richard David Precht ist jemand, den ich persönlich sehr gut kenne, sehr schätze. (...) Nichts ist dem weiter entfernt als Antisemitismus, um das mal ganz klar zu sagen."

Melanie Amann stellte sich trotzdem auf die Seite von Anna Staroselski und betonte: "Man kann auch aus kompletter Ahnungslosigkeit antisemitische Klischees verbreiten." Die Journalistin ergänzte, dass man nicht zwingend selbst antisemitische Überzeugungen haben müsse, aber wenn man sie "mit einer gewissen Autorität als Philosoph" verbreite, werde "das Problem natürlich nochmal potenziert".

Das ist das Rede-Duell des Abends

Mit Blick auf die jüngste pro-palästinensische Demonstration am Potsdamer Platz in Berlin sagte CDU-Politiker Kai Wegner zunächst, dass mit aller Macht verhindert werden müsse, "dass dieser Hass" und die brutale Ideologie der Hamas auf offener Straße weiter verbreitet werde. Wegner fügte hinzu, dass er solche Bilder nicht mehr sehen wolle und es "inakzeptabel" sei, Morde zu feiern. Gleichzeitig lobte er jedoch auch die Konsequenz und harte Arbeit der Berliner Polizei.

Daraufhin konterte Anna Staroselski: "Ich bin wirklich fassungslos darüber, dass es eine Kundgebung war, die verboten wurde und dass die Sicherheitskräfte über viele Stunden nicht in der Lage waren, diese Kundgebung aufzulösen."

Auch Melanie Amann zeigte sich verwundert darüber, dass die Versammlung überhaupt stattfinden konnte. Sie fragte stichelnd in Richtung Kai Wegner: "Die Alltagsangst der Jüdinnen und Juden, da fragt man sich schon: Hat die Politik da irgendein Konzept für?".

Der Berliner Bürgermeister verteidigte sich vehement und betonte, dass die Berliner Polizei mittlerweile "an der Belastungsgrenze" arbeite und nicht an jeder Ecke zur Stelle sein könne. Dennoch müsse jetzt bewiesen werden, "dass 'Nie wieder' auch 'Nie wieder' heißt".

Kai Wegner versprach: "Ich will jüdisches Leben schützen in unserer Stadt." Um die Sicherheit zu gewährleisten, seien nun mit Blick auf die jüngsten Demonstrationen "mehrere Strafverfahren eingeleitet" worden. Der CDU-Mann hoffe deshalb, "dass hier wirklich auch Strafen ausgesprochen werden, die weh tun".

Amann reagierte nüchtern: "Wir werden, fürchte ich, (...) mit diesen Menschen leben müssen. Die werden in Deutschland bleiben." Auch Staroselski zeigte sich skeptisch. Ihrer Ansicht nach reicht eine strafrechtliche Verfolgung längst nicht aus, um das Problem zu lösen. Stattdessen müsse es "Mechanismen und Möglichkeiten geben, wie man diese Menschen von dieser antisemitischen Ideologie befreit".

So hat sich Markus Lanz geschlagen

Markus Lanz schaffte es, den wachsenden Antisemitismus an deutschen Schulen sowie die allgemeine Radikalisierung vieler in Deutschland lebender Muslime dank informativer Debatten zu beleuchten. Dennoch blieb dem Moderator nicht genügend Zeit, die Versäumnisse und Fehler der Politik mit CDU-Mann Kai Wegner auszudiskutieren.

Das ist das Fazit bei "Markus Lanz"

Eine Lösung für die zunehmende Judenfeindlichkeit an deutschen Schulen konnte nicht gefunden werden. Während Anna Staroselski dafür plädierte, die deutschen Lehrer zu bestärken, "ein sicheres Schul- und Lernumfeld zu schaffen", machte Melanie Amann deutlich, dass bislang keine staatlichen Konzepte existieren, die den Nahost-Konflikt pädagogisch so aufbereiten könnten, "dass man auch die schon verblendeten oder ideologisch irregeführten Kids erreicht".  © 1&1 Mail & Media/teleschau

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