Pegida ist zurück: Ein Jahr nach der ersten Demonstration in Dresden ist die islamfeindliche Bewegung wieder massenhaft auf der Straße. Am Montagabend demonstrierten rund 20.000 Pegida-Anhänger. Doch wer läuft da eigentlich bei einer Demo mit?
Das, was der deutsch-türkische Autor Akif Pirinçci am Montagabend bei Pegida als Gastredner sagte, zeigt, warum die Politik vor der islamfeindlichen Bewegung warnt. Flüchtlinge nannte er "Invasoren", diffus sprach er von "Moslemmüllharde" und "Moslemsaft". Für seinen Satz "Aber die KZs sind ja derzeit leider außer Betrieb" erhält er von den Demonstranten Applaus.
Am Morgen danach bezog
"Jede Menge ganz normale Leute" - aber...
Politikwissenschaftler der Technischen Universität Dresden haben bereits im vergangenen Winter begonnen, die Pegida-Bewegung wissenschaftlich zu beleuchten. Dazu gehörten auch Umfragen unter Demonstrationsteilnehmern.
Demnach ist der "typische" Pegida-Demonstrant männlich, Ende 40, konfessionslos - und er kommt aus der Mittelschicht. Die meisten sind gut ausgebildet, berufstätig, haben aber ein unterdurchschnittliches Einkommen. "Man kann jenseits von Glaubensfragen sagen, dass bei Pegida jede Menge ganz normale Leute mitlaufen", sagt Werner Patzelt von der TU Dresden im Interview.
Dennoch: Die Mehrheit der Demonstranten vertritt klar rechte Positionen. Oft sind es Nichtwähler.
17 Prozent Rechtsradikale bei Pegida
Patzelt hatte in einer im Mai 2015 veröffentlichten Studie einen Anteil von 17 Prozent Rechtsradikaler angegeben, die auch Gewalt gegen politische Gegner befürworten. Diese Gruppe ist jünger als die der anderen Teilnehmer.
Die Hälfte der Pegida-Demonstranten ist hingegen nicht offen rechts, jedoch rechts von der Mitte einzuordnen. Sie wollen weniger Ausländer, vor allem Muslime, in Deutschland und sehen sich selbst als Patrioten. Die reale Demokratie sehen sie kritisch.
Weitere 30 Prozent gehören laut Patzelt zu den Gemäßigten und lehnen Rechtsradikalität und Gewalt komplett ab. Sie sorgen sich eher um die Rahmenbedingungen der Einwanderung in Deutschland, sind aber nicht generell gegen Migranten oder friedliche Muslime.
Pegida hat jetzt "wesentlich mehr Wut im Bauch"
"Wie derzeit die Mischungsverhältnisse sind, lässt sich schwer sagen, weil es keine aktuellen Studien dazu gibt", erklärt Patzelt nun. Man könne aber davon ausgehen, dass die Demonstranten wesentlich mehr Wut im Bauch haben als noch vor einem Jahr.
Eines der Kernthemen von Pegida ist weiter der Wandel Deutschlands hin zu einem Einwanderungsland. Die Demonstranten hätten Angst davor, "kulturell entheimatet" zu werden und sehen ihre Lebensleistung bedroht, meint der Politikwissenschaftler. "In diesem Rahmen wurden Muslime und die Angst vor Muslimen zu einer Projektionsfläche für alles an Sorgen und Ängsten, was sich um die fehlerhafte Einwanderungs- und Integrationspolitik herum entwickelt", erklärt Patzelt.
Die Demonstranten pauschal als rechtsradikal abzuwerten, hält Patzelt für den falschen Weg. "Mich ärgern diese Versuche, weil sie genau das Gegenteil bewirken." Durch die Ablehnung verhärten sich die Demonstranten, Demokratieskepsis oder gar die offene Ablehnung von Demokratie würden weiter zunehmen.
"Haben im Umgang mit Pegida versagt"
Das bereitet den Boden für rechtspopulistische Parteien wie die AfD, die die Stimmung für sich ausnutzt. Patzelt sieht eine "gigantische Polarisierung", die Verantwortlichen seien naiv mit dem deutschen Rechtspopulismus umgegangen. "Wir haben es geschafft, Pegida groß zu machen, weil wir politisch im Umgang mit Pegida versagt haben."
Pegida und Flüchtlingskrise: Boom bleibt aus
Dennoch gibt es einen positiven Aspekt: Obwohl die Flüchtlingskrise im Sommer die Öffentlichkeit beherrschte, konnte Pegida nicht einmal zum Geburtstag mehr Menschen auf die Straße locken als in der Spitze im vergangenen Winter. Inzwischen dürfte vielen gemäßigten Demonstranten bewusst geworden sein, mit wem sie dort durch die Straßen ziehen.
Organisatoren wie Lutz Bachmann, Redner wie jetzt Pirinçci und manche Träger von Plakaten spielen bewusst mit Bildern, Symbolen und dem Vokabular aus der rechtsextremen Szene. Oft sind sie historisch besetzt, wie der Begriff "Lügenpresse".
Wer diese Begriffe akzeptiert, müsse auch die Verantwortung tragen, meint der Historiker Norbert Frei von der Universität Jena. "Diejenigen, die jetzt da mitlaufen, können sich nicht mehr darauf berufen, dass es ihnen in den tiefen Dimensionen nicht bekannt sei", sagte er in den "Tagesthemen".
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