Österreichs Nationalrat hat einen FPÖ-Politiker zum Parlamentspräsidenten gewählt. Eine Mehrheit der frisch angelobten Abgeordneten wählte Walter Rosenkranz in das zweithöchste Amt des Landes.

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Der österreichische Nationalrat hat zum ersten Mal einen Politiker der rechtspopulistischen FPÖ zum Nationalratspräsidenten gewählt. Das zweithöchste Amt im Staat nach dem Bundespräsidenten wird künftig von Walter Rosenkranz ausgeübt. Er erhielt bei der geheimen Abstimmung am Donnerstag 100 von 162 abgegebenen Stimmen, das entspricht 61,7 Prozent.

Die Grüne Fraktion lehnte Rosenkranz geschlossen ab. Auch viele Parlamentarier anderer Parteien unterstützten ihn nicht.

Kritik an der Wahl

Traditionell stellt die größte Fraktion den Präsidenten der großen Parlamentskammer. Es sei jedoch nicht Tradition, jemanden in dieses Amt zu wählen, dessen Partei europafeindlich sei und sich nicht ausreichend gegenüber dem Rechtsextremismus abgrenze, betonte Grünen-Chef Werner Kogler. "Diese Republik hat etwas anderes und etwas Besseres verdient", sagte er.

Auch die Israelitische Kultusgemeinde, die NS-Gedenkorganisation Mauthausen Komitee und das Dokumentationsarchiv des Österreichischen Widerstandes hatten davor gewarnt, Rosenkranz zum Vorsitzenden des Nationalrates zu machen. Diese Organisationen wiesen unter anderem darauf hin, Rosenkranz sei Mitglied einer rechten Burschenschaft.

"Solche Horror-Szenarien sind bei mir unangebracht."

Walter Rosenkranz, FPÖ

Laut "oe24.at" sagte Rosenkranz nach der Wahl: "Es wird manchmal behauptet, der Nationalratspräsident sei der zweitmächtigste Mann, sei die zweitmächtigste Person in der Republik. Unterstellungen, ich könnte zum Beispiel Sitzungen nicht einberufen und so die Demokratie behindern, entbehren jeder Grundlage. Solche Horror-Szenarien sind bei mir unangebracht." Er sehe den Dialog als einen Grundpfeiler der Demokratie. "Er schüttet Gräben zu und baut Brücken." Sein Verständnis des Amtes sei es, "im konstruktiven Einvernehmen mit den beiden anderen Mitgliedern des Präsidiums auch über die routinemäßigen Präsidialsitzungen hinaus die Geschicke dieses Hauses zu lenken".

Der 62-jährige Rosenkranz diente in den vergangenen fünf Jahren als Volksanwalt in Österreichs offizieller Beschwerdestelle für Bürger. Von 2008 bis 2019 war er Parlamentsabgeordneter, teilweise als FPÖ-Fraktionschef.

"Vollkommen unüblicher Fall" nach Nationalratswahl

Die FPÖ war bei der Wahl Ende September mit 28,85 Prozent der Stimmen erstmals stärkste Kraft im Parlament geworden. Die konservative ÖVP erzielte 26,3 Prozent, gefolgt von der sozialdemokratischen SPÖ mit 21,1 Prozent, den liberalen Neos mit 9,1 Prozent und den Grünen mit 8,2 Prozent.

Trotz des FPÖ-Wahlsiegs hatte zuletzt Österreichs Bundespräsident Alexander van der Bellen ÖVP-Chef und Bundeskanzler Karl Nehammer mit der Regierungsbildung beauftragt. Van der Bellen begründete dies mit dem "vollkommen unüblichen Fall", dass keine andere Partei mit der FPÖ und ihrem Spitzenkandidaten Herbert Kickl zusammenarbeiten will.

Üblicherweise erhält in Österreich der Vorsitzende der stärksten Partei den Auftrag zur Regierungsbildung. FPÖ-Chef Kickl habe jedoch keinen Koalitionspartner gefunden, "der ihn zum Bundeskanzler macht", sagte van der Bellen. (AFP/dpa/bearbeitet von mbo)

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