Nach Washington und Seoul treffen sich am Montag Staats- und Regierungschefs aus 53 Ländern zum Nukleargipfel in Den Haag. Diesmal soll sich alles um Strategien drehen, Angriffe auf Atomanlangen zu verhindern. Dabei ist Terrorismus nur eine von vielen Sicherheitslücken.

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Die Niederlande sind auf ihre bislang aufwändigste Konferenz vorbereitet und eines ist jetzt schon sicher: Gefahrenabwehr wird bei diesem Gipfel groß geschrieben. Hermetisch abgeriegelte Straßen, Polizei und Militär im Dauereinsatz, Luftabwehrgeschütze – Den Haag gleicht derzeit einer modernen Festung. Fast scheint es, als werde demonstriert, was in den nächsten beiden Tagen diskutiert werden soll.

Sicherheit als oberste Priorität. Denn das Ziel des dritten, von US-Präsident Barack Obama initiierten Gipfels zur Nuklearen Sicherheit (NSS) ist kein geringeres, als Strategien zu finden, um Kernkraft vor Terroristen zu schützen. Vertreter aus den Staaten mit den umstrittensten Atomprogrammen, Iran und Nordkorea, sind nicht dabei.

Europäische AKWs kaum vor äußeren Einwirkungen geschützt

Dass Terroristen an radioaktives Material gelangen könnten, um eine so genannte "schmutzige Bombe" zu bauen oder durch einen Angriff auf ein Atomkraftwerk einen GAU auszulösen, ist jedoch nur eines von vielen Schreckensszenarien, das die internationale Staatengemeinschaft umtreiben sollte.

Auch nach der nuklearen Katastrophe von Fukushima 2011 sind die meisten Kernkraftanlagen in Europa nur unzureichend vor äußeren Einwirkungen wie Hochwasser oder Erdbeben geschützt. Zu diesem Ergebnis kommt zumindest die Europäische Gruppe der Regulierungsbehörden für nukleare Sicherheit (ENSREG), die nach dem japanischen Reaktorunfall ins Leben gerufen wurde und bis 2012 alle 143 europäischen Kernkraftwerke einem Stresstest unterzogen hat.

Kein deutsches AKW würde Flugzeugabsturz überstehen

Greenpeace kritisierte an dem ENSREG-Bericht allerdings, dass veraltetes Baumaterial oder die Verkettung mehrerer Störfalle wie im Fall von Fukushima bei der Sicherheitseinschätzung kaum berücksichtigt wurden. Von Flugzeugabstürzen ganz zu schweigen. Außerdem habe der Stresstest größtenteils nur theoretisch stattgefunden. Es seien längst nicht alle europäischen Kraftwerke auch praktisch geprüft worden. Greenpeace hatte darum eine eigene Studie in Auftrag gegeben und dabei festgestellt: Kein deutsches AKW, insbesondere nicht die älteren Meiler, hat ausreichend dicke Wände, um einen Flugzeugabsturz unbeschadet zu überstehen.

Auch die Bundesregierung ließ in einer in den USA beauftragten Studie klären, wie hiesige Anlagen besser gegen terroristische Anschläge zu schützen seien. Zur Antwort gab es: Wände der Reaktorblöcke mit bis zu drei Meter dickem Zusatzbeton verstärken, Stahlnetze aufspannen und Vernebelungsanlagen installieren.

Die Gesellschaft für Anlagen und Reaktorsicherheit empfahl hingegen, in Passagiermaschinen eine Spezialelektronik einzurichten, die ein Flugzeug automatisch umleiten könnte, sobald es sich einer Atomanlage nähern würde. Zum Stand der Entwicklung gibt es von offizieller Seite aus jedoch keine Antwort.

Absolute Sicherheit bringt nur der Atomausstieg

Eines der besorgniserregendsten Kernkraftwerke in Europa ist zugleich das älteste überhaupt – und stammt aus der gleichen Generation wie das AKW in Fukushima. Seit 1969 und 1971 sind die beiden Reaktoren im schweizerischen Beznau in Betrieb, wobei der jüngere nach etlichen Zwischenfällen wegen eines Lecks an einer der Reaktorhauptpumpen 2012 abgeschaltet werden musste. Reaktor 1 könnte gemäß der Schweizer Laufzeitregelung eventuell noch sechs weitere Jahre am Netz bleiben. Dabei gab es allein 2007 insgesamt acht meldepflichtige "Vorkommnisse" in der Anlage, so viele wie noch an keiner anderen im Land.

Doch die Gefahren der Kernenergie oder Pläne zur Verringerung atomarer Bestände stehen weder heute noch morgen auf der Tagesordnung. Tatsächlich findet sogar zur gleichen Zeit in Den Haag ein Gipfeltreffen der Atomindustrie in Amsterdam statt. Friedens- und Umweltschutzorganisationen haben deshalb einen offenen Brief an die Staats- und Regierungschefs formuliert. In Anbetracht des "Balkens von Tausenden von Nuklearwaffen" sei der nukleare Terrorismus nur ein "Splitter", heißt es darin.

Udo Buchholz, Vorstandsmitglied des Bundesverbands Bürgerinitiativen Umweltschutz, sagte der Medienplattform indymedia am Freitag: "Wer den Nuklearterrorismus bekämpfen will, muss sich gleichzeitig für den sofortigen Atomausstieg einsetzen." Die Anti-Atomkraft-Bewegung ist der Aufforderung bereits gefolgt und hat am Wochenende zu Protesten in mehreren niederländischen Städten aufgerufen.

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