Einst galt er als die graue Eminenz Nordkoreas, nun nennt ihn die Diktatur "menschlichen Abschaum": Jang Song Thaek. Der Onkel von Nordkoreas Führer Kim Jong Un ist hingerichtet worden. Aber warum?

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Lange war schon darüber spekuliert worden. Freilich nicht in Nordkorea selbst, das als eines der am meisten abgeschotteten Länder der Welt gilt. Doch in südkoreanischen Medien und nur wenig später auch im Westen hieß es bereits vor Tagen, der mächtige Onkel von Nordkoreas Staatschef Kim Jong Un sei hingerichtet worden. Vor wenigen Stunden erfuhren auch die Menschen in dem kommunistischen Land selbst von dieser Nachricht – und in Südkorea und im Westen hatte man einmal mehr Klarheit, dass ein Gerücht stimmte: Jang Song Thaek ist tot. Dabei galt der Mann lange Jahre als graue Eminenz in Nordkorea. Auf kaum einem offiziellen Propagandafoto der vergangenen Jahre fehlte der Mann mit dem dunkeln Haar, der flachen Nase und der großen Brille.

Offiziell wurde Jang wegen Hochverrats hingerichtet. Er habe parteifeindliche und konterrevolutionäre Strömungen unterstützt, hieß es in Nordkorea. Die Bezeichnungen für den 67-Jährigen waren wenig schmeichelhaft. Er sei "abscheulicher menschlicher Abschaum" gewesen, "schlimmer als ein Hund".

Persönlicher Konflikt zwischen Kim Jong Un und dem Onkel?

Nordkorea-Experten halten diese offizielle Variante der Geschehnisse allerdings nur für bedingt glaubwürdig. Viel wahrscheinlicher sei, dass ein Gemisch aus mindestens drei verschiedenen Gründen erst zur Entmachtung und dann zur Hinrichtung Jangs geführt habe, sagt zum Beispiel Lars-André Richter, der für die Friedrich-Naumann-Stiftung in Seoul arbeitet.

Erstens könne es gut sein, dass es einen privaten, ja persönlichen Konflikt zwischen Onkel und Neffe gegeben habe. So habe es in der Vergangenheit immer wieder Meldungen gegeben, Jang sei mit dem Lebensstil seines Neffen nicht einverstanden gewesen.

Zweitens habe Jang wirtschaftspolitisch für eine enge Anbindung an China gestanden, sagt Richter. Dieser Kurs werde aber in Nordkorea selbst zunehmend kritisch betrachtet, weil das Reich der Mitte für Nordkorea zu sehr ungünstigen Konditionen Rohstoffe aus der kommunistischen Diktatur einkaufe. "Es kann also auch sein, dass es zusätzlich zu privaten Konflikten einen Streit um die richtige Wirtschaftspolitik gegeben hat."

"So was gab es schon lange nicht mehr"

Drittens sei der Onkel wohl auch einigen Militärs schlicht und ergreifend zu mächtig geworden – und Kim habe den Generälen mal wieder entgegenkommen müssen.

Alles in allem lasse damit der Tod Jangs die Frage nach der Stärke Kims als unumschränkten Herrscher Nordkoreas doch ziemlich offen, sagt Richter – obwohl es auf den ersten Blick so aussieht, als sei der junge Diktator der zu allem entschlossene Herrscher des Landes, der nicht einmal davor zurückschreckt, Teile seiner eigenen Familie in den Tod zu schicken. Gerade die Rolle des Militärs im Fall Jangs sei hier für eine Bewertung entscheidend, sagt Richter.

Ob die Säuberungen in Nordkorea weitergehen werden, lasse sich derzeit nicht mit Sicherheit voraussagen. Allerdings, so Richter, sei die Hinrichtung Jangs natürlich schlagzeilenträchtig, gehörte dieser doch immerhin zur Kim-Familie. Auch das macht das Ende von Jang zu etwas so Besonderem. "So was gab es schon lange nicht mehr", sagt Richter.

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