Am 16. Oktober 2016 wurde der 16 Jahre alte Victor am Alsterufer in Hamburg tödlich verletzt. Ein Unbekannter stach den Jungen von hinten nieder, kurz darauf erlag der Teenager im Krankenhaus seinen Wunden. Am Samstag bekannte sich nun der "Islamische Staat" (IS) zu der Tat. Ob das Schreiben der Wahrheit entspricht, ist jedoch unklar. Was ist im Fall "Victor" bekannt und was nicht? Eine Zusammenfassung.
Was wir wissen
Am Sonntag, dem 16. Oktober wurde der 16-jährige Victor unter der Hamburger Kennedybrücke von einem unbekannten Angreifer mit mehreren Stichen in den Rücken verletzt – anschließend erlag der Junge im Krankenhaus seinen Verletzungen. Seine 15 Jahre alte Freundin überlebte den Angriff körperlich unversehrt. Sie wurde in den Fluss geworfen, konnte sich aber aus dem Wasser ans Ufer retten. Von Täter und Tatwaffe fehlt bislang jede Spur.
Der Polizei zufolge handelt es sich bei dem Täter um einen 1,80 bis 1,90 Meter großen Mann zwischen 23 und 25 Jahren. Anzeichen für eine extremistisch motivierte Tat gab es nach Erkenntnis der Ermittler nicht - bis zum vergangenen Samstag: Am 29. Oktober 2016 bekannte sich der IS zum Mord an Victor.
Über das IS-Sprachrohr "Amaq" wurde Stellung zu der Tat bezogen – zunächst auf Arabisch und Englisch, später auch auf Deutsch. Dort heißt es: "2 Personen wurden von einem Soldaten des Islamischen Staates am 16. Oktober in Hamburg erstochen. Die Operation wurde als Antwort auf die Rufe zum Angriff auf Bürger der Koalitionsstaaten ausgeführt."
Bei dem Angriff soll es sich demzufolge um eine Vergeltungstat gehandelt haben. Das vom IS ausgerufene Kalifat wird momentan immer weiter zerschlagen, die Organisation muss im Nahen Osten immer größere Gebietsverluste hinnehmen.
Glaubt man diesem Statement, ist der Mord an Victor ein erneuter Angriff des Islamischen Staates auf deutschem Boden. Doch es gibt auch eine Reihe von Ungereimtheiten in dem mutmaßlichen Bekennerschreiben.
Was wir nicht wissen
Trotz des Bekennerschreibens ist bisher nicht eindeutig geklärt, ob die Terrormiliz tatsächlich etwas mit Victors Tod zu tun hat. Besonders auffällig ist der Zeitpunkt der Stellungnahme knapp zwei Wochen nach dem Mord. In der Vergangenheit meldete sich der Islamische Staat spätestens 48 Stunden nach einer Tat zu Wort.
Die Details zur Attacke sind ebenfalls auffällig ungenau. Über "Amaq" wird von einem Attentat auf zwei Personen berichtet. Die Freundin des Opfers blieb jedoch am Leben.
Auch Hamburgs Innensenator Andy Grote räumte Ungereimtheiten in der Bekennernachricht des IS ein, versicherte jedoch, einen potenziellen Terrorhintergrund sehr ernst zu nehmen. "Ziel des IS - auch bei Bekennungen - ist regelmäßig, Angst und Verunsicherung zu verbreiten. Deshalb ist es richtig, dass die Ermittlungen mit Hochdruck, aber auch mit professioneller Unaufgeregtheit und in alle Richtungen weitergeführt werden", so Grote. Am Montag sagte ein Polizeisprecher, es sei weiterhin unklar, ob die Botschaft des IS echt sei.
Die Terrororganisation sympathisierte schon einmal mit einem traurigen Ereignis in Deutschland. Nach dem Münchner Amoklauf am 22. Juli 2016 ließ der IS via Twitter verlauten: "Es gibt keine Sicherheit für Euch! Ihr habt die Tore der Hölle geöffnet!" Die Tat für sich reklamiert hat der IS damit nicht direkt - jedoch begrüßte die Miliz die Bluttat, wie die "Hamburger Morgenpost" berichtete.
Sollte sich der Angriff tatsächlich als vom IS initiiert herausstellen, wäre es der bisher dritte Anschlag dieser Art in Deutschland, aber der erste tödliche. Zuvor kam es bereits im Juli 2016 zu Angriffen in Würzburg und Ansbach. In beiden Fällen reklamierte der Islamische Staat die Taten für sich.
Anmerkung der Redaktion: In einer früheren Version des Artikels berichteten wir, der IS habe den Amoklauf von München für sich reklamiert. Dies stellte sich als Fehlinformation heraus. Wir haben den Text entsprechend angepasst.
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