Frankreichs Präsident Emmanuel Macron hat zum ersten Jahrestag seiner Wiederwahl seine Ablösung durch die Rechtspopulistin Marine Le Pen nicht ausgeschlossen. "Marine Le Pen wird an die Macht kommen, wenn wir auf die Herausforderungen des Landes keine Antworten finden, und wenn sich Lügen und Realitätsverweigerung etablieren", sagte er im Gespräch mit Lesern der Zeitung "Le Parisien" (Montagsausgabe).
Macron räumte ein, dass ihm die Frage seiner Nachfolge durch den Kopf gehe. "Sie haben Recht, ich denke an die Zeit danach. Wir brauchen Stimmen, die sich durchsetzen; Leute, die fest im Sattel sitzen", sagte er den Lesern.
Der Staatschef warf Le Pens Partei Rassemblement National vor, "populistisch und demagogisch" zu sein, weil sie ihren Wählern die wahren Kosten ihrer Politik verschweige. Zugleich verwies er darauf, dass er sich bereits zwei Mal gegen Le Pen durchgesetzt habe. "Da kann mir niemand was erzählen", sagte er.
Der seit 2017 amtierende und 2022 im Amt bestätigte Präsident wird 2027 nicht erneut antreten können. Derzeit gilt Le Pen in Umfragen als aussichtsreichste Kandidatin.
Der Präsident bekannte sich im Zusammenhang mit der Rentenreform und den massiven Protesten dagegen zu Fehlern in der Kommunikation. "Es gab Kommunikationsfehler, Dinge, die nicht klar waren. (...) Das zerstört das Vertrauen", sagte Macron.
Die Rentenreform sei auch deswegen so umstritten, weil er sich persönlich nicht genug dafür eingesetzt habe. "Ich wollte mich nicht ständig einmischen. Aber es war vielleicht ein Fehler, nicht so präsent zu sein, um die Reform selber zu verteidigen", sagte Macron.
Den Vorwurf eines Lesers, er habe sich als Präsident zunehmend selbst isoliert, wies er zurück. "Es gibt Menschen, die in den vergangenen sechs Jahren nach oben gekommen sind", sagte er und verwies unter anderen auf Wirtschaftsminister Bruno Le Maire und Innenminister Gérald Darmanin, die als mögliche Kandidaten für seine Nachfolge gelten.
Macron bekräftigte sein Vorhaben, künftig wieder verstärkt den Kontakt zum Wahlvolk zu suchen. "Ich glaube, ich muss mich mehr in der öffentlichen Debatte engagieren, das mache ich jetzt überall", sagte er.
Die Reform, die das Rentenalter schrittweise von 62 auf 64 Jahre anhebt, hatte die Regierung mithilfe eines legalen Verfassungskniffs durchgesetzt. Mit lediglich neun Stimmen hatte sie ein anschließendes Misstrauensvotum überstanden. Die Proteste gegen die Reform haben sich seitdem radikalisiert, Macron ist in Umfragen zuletzt auf 26 Prozent Zustimmung abgesackt.
Der Präsident will nun innerhalb von 100 Tagen, bis zum Nationalfeiertag am 14. Juli, mehrere weniger umstrittene Reformprojekte auf den Weg bringen. Premierministerin Elisabeth Borne soll am Mittwoch das neue Regierungsprogramm vorstellen. © AFP
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