Horst Seehofer wurde "systematisch demontiert", sagt ein langjähriger Freund des CSU-Politikers. In einem Interview mit der "Süddeutschen Zeitung" äußert sich der Vertraute zum erzwungenen Rückzug des Parteichefs und verrät, wie sich Seehofer in den vergangenen 45 Jahren verändert hat.

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Horst Seehofer hat seinen vorzeitigen Rückzug vom CSU-Vorsitz angekündigt. Nach derzeitigem Stand soll auf einem Sonderparteitag der Christsozialen Anfang 2019 sein Nachfolger gewählt werden. Bundesinnenminister will er aber bleiben.

Freiwillig gibt der 69-Jährige das Parteiamt freilich nicht auf. Seehofer beugt sich damit dem massiven Druck, der schon seit dem CSU-Fiasko bei der Bundestagswahl 2017 immer mehr zugenommen hat.

Wie wenig Solidarität sich innerhalb der CSU zeige, findet der langjährige Seehofer-Freund Hans-Jürgen Binner "erschreckend", wie er im Interview mit der "Süddeutschen Zeitung" sagt. Der 60 Jahre alte Ingolstädter ist selbst für die CSU in der Lokalpolitik aktiv und kennt den heutigen Bundesinnenminister seit 45 Jahren.

Die Schuld für den Imageverlust, den Seehofer in den vergangenen Monaten erlitten hat, gibt Binner Markus Söder, Angela Merkel und den Medien. Für alle habe sein Freund als Sündenbock herhalten müssen. "Er wurde systematisch demontiert. Das war teilweise schäbig", sagt er.

Dass Seehofer für Aussagen wie "Mutter aller Probleme" in der Öffentlichkeit scharf kritisiert wurde, kann Binner nicht ganz nachvollziehen. Heute sei eine "kräftige Sprache" wie noch zu Zeiten von Franz-Josef Strauß "leider" nicht mehr üblich. "Vielleicht geht es uns allen zu gut, wenn wir uns solche Probleme suchen."

Seehofer sei "ernster geworden"

Die beiden lernten sich 1973 kennen, als Binner in die CSU eingetreten ist. An der Tür der Geschäftsstelle habe ihn Seehofer einst mit den Worten "Was wuist na?" (frei übersetzt: Was willst Du denn?) empfangen worden.

Seit damals sei Seehofer ernster geworden, "da hat man die Bürde seiner Ämter schon gemerkt", sagt Binner. Nahbar sei er aber geblieben und habe sich selbst als Innenminister noch im Ingolstädter Feuerwehrhaus an den Stammtisch gesetzt. "Es war kein Zufall, dass er oft besser als andere Politiker wusste, wie die Bevölkerung tickt."

Dass Seehofer nach dem Ende seiner Politikerkarriere in ein Loch fällt, kann sich Binner nicht vorstellen. Er werde sich sicher weiterhin sozial engagieren und sich freuen, mehr Zeit zum Lesen und für seine berüchtigte Modelleisenbahn zu haben, glaubt der 60-Jährige. "Und wir freuen uns, wenn er künftig wieder öfter zum Feuerwehr-Stammtisch kommt." (jwo)

Verwendete Quellen:

  • Süddeutsche Zeitung: "Er wurde systematisch demontiert"
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