Im Schatten der Kriege in der Ukraine und dem Gaza-Streifen rückt der Krieg im Sudan in den Hintergrund. Internationale Organisationen warnen vor einem Völkermord. Die Vereinten Nationen sprechen von der größten Flüchtlingskrise der Welt.

Mehr aktuelle News

Seit über einem Jahr dauern die Kämpfe im Sudan nun an. Im drittgrößten Flächenstaat Afrikas streiten zwei Militärs um die Vorherrschaft. Die Sudanesischen Streitkräfte (SAF) unter dem De-facto-Staatschef Abdel Fattah Burhan und die Rapid Support Forces (RSF) unter seinem bisherigen Stellvertreter Mohammed Hamdan Daglo liefern sich erbitterte Auseinandersetzungen, in deren Folge die Hauptstadt Khartum zu großen Teilen zerstört wurde.

Die Konfliktparteien erhalten dabei Unterstützung von verschiedenen lokalen und internationalen Partnern. So werden die Rapid Support Forces unter anderem von der russischen Gruppe Wagner und den Vereinten Arabischen Emiraten unterstützt. Die Gruppe Wagner verspricht sich dadurch mehr Einfluss auf dem afrikanischen Kontinent und soll die Schürfrechte für die enormen Goldvorkommen des Sudan versprochen bekommen haben.

Die Sudanesischen Streitkräfte (SAF) unter Abdel Fattah Burhan haben im vergangenen Herbst die Nähe zum Iran gesucht, um von diesem Kampfdrohnen zu erhalten. Auch Saudi-Arabien, die Türkei und die Ukraine unterstützen die SAF im Kampf gegen die RSF.

Zivilisten leiden unter dem Konflikt

Außerdem verbünden sich die beiden Fraktionen im Rahmen der Kämpfe mit lokalen Milizen. Diese Koalitionen sind allerdings alles andere als stabil, warnt die International Crisis Group in ihrem aktuellen Bericht: "Der Konflikt ist in eine gefährliche neue Phase eingetreten, in der der Sudan immer weiter zerfällt."

Die Leidtragenden sind dabei die Zivilisten. "Die Menschen im Sudan leiden enorm unter den anhaltenden schweren Kämpfen, die oft mitten in städtischen Wohngebieten und Dörfern stattfinden", so Jean Stowell, Projektkoordinatorin von Ärzte ohne Grenzen gegenüber unserer Redaktion.

Jeden Tag sehe sie Patientinnen und Patienten, die durch die Folgen der Gewalt ums Leben kommen. "Kinder, die aufgrund von Mangelernährung und fehlenden Impfstoffen sterben, Frauen mit Komplikationen nach unsicheren Entbindungen, Patientinnen, die sexualisierte Gewalt erlebt haben, und Menschen mit chronischen Erkrankungen, die keinen Zugang zu ihren Medikamenten haben."

Humanitäre Katastrophe

Im Schatten des Krieges droht eine humanitäre Katastrophe wie zahlreiche Hilfsorganisationen mitteilen. Ärzte ohne Grenzen zufolge wurden bislang 8,5 Millionen Menschen vertrieben. Hilfsorganisationen können wegen der Gewalt kaum noch arbeiten. Das Gesundheitssystem sei zusammengebrochen, weniger als ein Drittel der medizinischen Einrichtungen sind noch funktionsfähig.

"Vielerorts sind wir die einzige Hilfsorganisation und der Bedarf übersteigt unsere Kapazitäten. Wir beobachten selbst in vergleichsweise gut zugänglichen Regionen ein humanitäres Vakuum. Es fehlt an Hilfe", so die Hilfsorganisation.

Neben der medizinischen Versorgung fehlt es im Sudan auch an Nahrung: Etwa jeder Zweite ist laut UN auf humanitäre Hilfe angewiesen. Die Hälfte der sudanesischen Bevölkerung sei arbeitslos, lebenswichtige Güter fehlten und mehr als jeder Dritte sei von akutem Hunger betroffen.

Im Lager Zamzam in der Nähe von Al-Faschir, der Hauptstadt des sudanesischen Bundesstaates Schamal Darfur, ergab eine Erhebung im April 2024, dass fast ein Drittel der Kinder im Alter von 6 bis 59 Monaten an akuter Unterernährung leidet. 33,3 Prozent der schwangeren und stillenden Frauen sind ebenfalls von Unterernährung betroffen.

Droht ein Völkermord?

Im Rahmen der Kampfhandlungen sehen unabhängige Beobachter auch Anzeichen eines möglichen Genozids im Sudan. Die UN-Beauftragte zur Verhinderung von Völkermord, Alice Wairimu Nderitu, warnte vor dem Weltsicherheitsrat: "Die aktuelle Situation weist alle Merkmale eines drohenden Völkermords auf, mit deutlichen Hinweisen, dass diese Verbrechen teilweise bereits begangen wurden."

Zivilisten würden aufgrund ihrer Herkunft zur Zielscheibe, so Nderitu weiter: "In Darfur werden Zivilisten wegen ihrer Hautfarbe getötet, wegen ihrer Ethnie, weil sie sind, wer sie sind."

Einem Bericht der NGO Human Rights Watch zufolge sollen in Al-Dschunaina, der Hauptstadt des sudanesischen Bundesstaates Gharb Darfur, allein zwischen April und November 2023 tausende von Menschen durch die Rapid Support Forces und ihre Verbündeten getötet und Hunderttausende vertrieben worden sein.

"Die Verbrechen gegen die Menschlichkeit und die weit verbreiteten Kriegsverbrechen wurden im Rahmen einer ethnischen Säuberungskampagne gegen die ethnischen Masalit und andere nicht-arabische Bevölkerungsgruppen in und um al-Dschunaina begangen", so der Bericht.

Lesen Sie auch:

Forderung nach Sanktionen gegen Unterstützer der RSF

Das German Institute for Global and Area Studies in Hamburg warnt ebenfalls vor einem drohenden Genozid und fordert Konsequenzen: "Die Europäische Union und ihre Verbündeten müssen die Hilfsnetzwerke der Rapid Support Forces rund um die Wagner-Gruppe und die Vereinigten Arabischen Emirate sanktionieren, um den Krieg zu unterdrücken."

Sexuelle und völkermörderische Gewalt gegen die Menschen im Sudan müsse darüber hinaus ausdrücklich benannt und sanktioniert werden. Die Afrikanische Union und die Zwischenstaatliche Behörde für Entwicklung sollten die Friedensverhandlungen durch Maßnahmen zur Bekämpfung des Waffenhandels in der Region ergänzen, so das Institut in seinem aktuellen Bericht.

Anfang des Jahres hatte Bundesaußenministerin Annalena Baerbock erklärt, mit einem Fünf-Punkte-Plan zwischen den Konfliktparteien vermitteln zu wollen. Aktuell droht die Lage aber zunehmend sich zu verschlechtern.

Über die Gesprächspartner:

  • Jean Stowell ist Leiterin der Mission von Ärzte ohne Grenzen im Sudan.

Verwendete Quellen:

JTI zertifiziert JTI zertifiziert

"So arbeitet die Redaktion" informiert Sie, wann und worüber wir berichten, wie wir mit Fehlern umgehen und woher unsere Inhalte stammen. Bei der Berichterstattung halten wir uns an die Richtlinien der Journalism Trust Initiative.