Die Zahl der zugestellten Pakete nimmt gerade vor Weihnachten extreme Dimensionen an. Den Lieferdiensten fehlen Fahrer, Zusteller werden ausgebeutet und mies für ihren Knochenjob bezahlt. Die Grünen bereiten eine Verbesserung vor.
Bequemes Surfen auf dem heimischen Sofa und nur drei, vier Klicks bis zum Kauf: Statt sich in den Nahkampf in der Fußgängerzone zu stürzen, bestellen immer mehr Menschen ihre Weihnachtsgeschenke online. 2017 wurde in Deutschland laut des Bundesverbandes Paket und Expresslogistik die unglaubliche Zahl von 3,35 Milliarden Paketen ausgeliefert. Die Tendenz für 2018: steigend.
Was zunächst nach Zeitersparnis, Einfachheit und einem guten Deal sowohl für den Händler als auch den Käufer klingt, hat einen gewaltigen Haken. Denn irgendwer muss die Ware auch zum Empfänger bringen.
Knochenjob Paketzusteller - die Fahrer zahlen die Zeche
In der heißen Phase vor dem Weihnachtsfest gehen die Paketzusteller an ihr Limit, um die Flut der Online-Bestellungen zu bewältigen. Noch ist es Standard, dass Pakete bis zur Haustür geliefert werden.
Im Ringen um den möglichst geringsten Preis – idealerweise entfallen aus Kundensicht die Versandkosten – werden die Paketzusteller zu den Gelackmeierten. Deren Dienste werden häufig an Subunternehmen ausgelagert, wo die Zusteller Überstunden schieben müssen, nicht kranken- und rentenversichert und weit unter dem Mindestlohn bezahlt werden. Nicht ohne Grund weist die Branche die meisten Krankheitsausfälle auf.
Vorschlag der Grünen: Generalunternehmerhaftung
Als Reaktion bereiten die Grünen auf Bundesebene einen Gesetzesvorschlag für den Beginn kommenden Jahres vor, der diese Missstände beheben soll, wie unsere Redaktion exklusiv erfuhr.
"Das brutale Lohndumping bei den Paketdiensten muss aufhören. Wer als Paketzusteller durch die Winterkälte hetzt, um rechtzeitig Sendungen zuzustellen, der hat sich einen fairen Lohn redlich verdient. Und das besonders zu Weihnachten, wenn die Paketmenge durch die Decke geht", fordert
Der Vorschlag der Grünen: eine sogenannte Generalunternehmerhaftung für die Paketbranche. Eine solche Vereinbarung wurde bereits 2002 für die Baubranche eingeführt, 2017 folgte die Fleischbranche. Sie besagt, dass der General- oder Hauptunternehmer auch für die Sozialversicherungsbeiträge derjenigen Beschäftigten haftet, die in Subunternehmen angestellt sind
"Die Paketfirmen müssen rechtlich dafür gerade stehen, dass jeder, der direkt oder indirekt für sie ausliefert, auch sozial abgesichert ist und entsprechend Sozialabgaben gezahlt werden", fordert Göring-Eckardt. Die Erfahrung in den genannten Branchen habe gezeigt, dass durch die Regelung die Missstände präventiv gemindert wurden.
Als Kundin sei ihr wichtig: "Wer online bestellt oder in einer Filiale eine Sendung aufgibt, der sollte doch sicher sein, dass sein Paket zu fairen Bedingungen transportiert und niemand dafür ausgebeutet wird."
DHL, Hermes, DPD - Paketdienste erhöhen die Preise
Eine der wenigen Ausnahmen unter den Zustellunternehmen ist die Post-Tochter DHL. "Wir zahlen am besten, etwa 98 Prozent der Pakete werden von eigenen Leuten zugestellt, die Tarifverträge besitzen", sagte ein Sprecher der dpa. Die Bezahlung liege deutlich über dem Mindestlohn, man arbeite wenig mit Subunternehmern.
Allerdings denkt Post-Chef Frank Appel darüber nach, die Preise im Paketversand zu erhöhen. "Unsere Branche hat ein grundsätzliches Problem, weil die Zustellung zu gering bezahlt wird", begründet er das Vorhaben. "Faktisch sind die letzten 50 Meter bis zur Haustür der teuerste Teil unserer Dienstleistung. Genau dort lässt sich aber die Effizienz kaum mehr steigern", erklärt Appel.
Auch bei Hermes müssen Kunden sich auf steigende Versandkosten einstellen. Der zur Otto-Gruppe gehörende Anbieter - der zweitgrößte in Deutschland hinter DHL - will die Zustellung an der Haustür verteuern. Hermes hatte bereits im Frühjahr die Paketpreise um durchschnittlich 4,5 Prozent erhöht. Im kommenden Jahr werde es eine weitere Preisanhebung in ähnlicher Höhe geben, kündigte Hermes-Deutschland-Chef Olaf Schabirosky gegenüber dem "Hamburger Abendblatt" an, um insgesamt 50 Cent pro Paket in mehreren Schritten. Ziel sei es, mit den Mehreinnahmen die Paketzusteller besser bezahlen zu können. "Aktuell haben wir einen Mindestlohn von 9,50 Euro ausgerufen. In etwa vier Jahren kommen wir bei 12 Euro an."
Der Paketdienst DPD kündigte ebenfalls an, nach einer Steigerung in diesem Jahr von 4,5 Prozent zum Jahreswechsel die Preise um 6,5 Prozent zu erhöhen.
Problem der Paketbranche: Fehlende Fahrer
Der boomende Online-Handel stellt die Zusteller vor große Probleme, die Suche nach Fahrern erweist sich bei niedrigen Löhnen als Herausforderung. "Der Arbeitsmarkt ist leer gefegt", berichtet Schabirosky: "Es gibt Mitbewerber, die in der Lage sind, höhere Löhne zu zahlen. Teilweise wird gezielt abgeworben. Im Laufe des Jahres haben wir dadurch etwa 1000 Fahrer verloren."
Laut einer Studie der Unternehmensberatung PWC wären die Verbraucher durchaus zu Zugeständnissen bereit. Viele würden für einen besseren Service mehr bezahlen oder wären bereit, sich die Pakete selbst an einer Sammelstelle abzuholen. Allerdings bräuchte es dafür ein besseres Netz von Paketshops und Packstationen sowie bessere Öffnungszeiten, so einige Ergebnisse der Umfrage. (hub mit Material von dpa/afp)
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