Rätselraten um den skurrilsten Diktator der Welt: Ist Kim Jong Un krank? Kämpft er um seine Macht? Oder hat das Militär ohnehin längst das Sagen in Nordkorea? Zur aktuellen Lage in dem kommunistischen Regime.
Um Nordkoreas Machthaber ranken sich aktuell viele Gerüchte.
Welche Gerüchte stehen im Raum?
Kim Jong Uns Abwesenheit sei die Folge einer Beinverletzung gewesen, lautet ein Gerücht. Im vergangenen September hat sich der Machthaber offenbar eine Zyste im Fußgelenk entfernen lassen. Das berichtet die südkoreanische Nachrichtenagentur Yonhap und beruft sich dabei auf den südkoreanischen Geheimdienst NIS. Die Quellen gelten als verlässlich. Das könnte also stimmen. Seit einigen Tagen existieren zudem aktuelle Aufnahmen, die einen humpelnden aber ansonsten gesunden Diktator zeigen.
Andere Gerüchte behaupten, er habe sich bei einer militärischen Übung verletzt oder sei aufgrund eines internen Machtkampfes abgetaucht. Spekulationen, weshalb Kim Jong Un abgetaucht war, können nicht fundiert belegt oder wiederlegt werden. Das Gerücht darüber, dass Kim Jong Un kurz vor dem politischen Aus stehe, gilt jedoch als wenig glaubwürdig. Derlei Aussagen werden regelmäßig von ausländischen Geheimdiensten oder anderen zielgetriebenen Kommunikatoren gestreut.
Wie steht es aktuell politisch um Kim Jong Un?
Der Diktator ist offensichtlich der unumstrittene Herrscher in Nordkorea. "Er ist die Galionsfigur des Regimes und der kommunistischen Führungspartei 'Partei der Arbeit Koreas'. Militär und Regierung sind auf ihn zugeschnitten. Ich sehe keinen Hinweis, dass er nicht mehr die bestimmende Führungsfigur in Nordkorea ist," sagt Asien-Experte Hanns Hilpert von der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) in Berlin. Kims einziges echtes Problem ist sein Alter von etwa 30 Jahren. Nordkorea ist eine konfuzianische Gesellschaft, in der das Alter automatisch Respekt und Verehrung gebietet. Ältere Menschen werden ernster genommen, egal in welcher Position. Und sie lassen sich von Jüngeren nur ungern etwas vorschreiben. Dennoch hat Kim die Macht, jede missliebige Person zu entfernen.
Welche ökonomischen Ziele verfolgt Kim Jong Un?
Zum einen muss er die Wirtschaft voranbringen und zum anderen Hilfe von der internationalen Gemeinschaft erhalten. Der Ausbau der Wirtschaft ist aktuell umso wichtiger, da sich der größte Handelspartner China mehr und mehr von Nordkorea abwendet. Russland hat aus Opportunismus diese offene Lücke zumindest teilweise gefüllt. Dennoch bleibt Nachbar China der wichtigste Partner Nordkoreas. Für Kims Regime ist funktionierender Handel vor allem für die Elite wichtig, die sich damit ihren Lebensstandard sichert und die so die Funktionalität der internen Machtstruktur in Nordkorea gewährleistet. Internationale Hilfslieferungen spielen vor diesem Hintergrund für die Versorgung der Bevölkerung, immerhin 24 Millionen Menschen, eine Rolle.
Was kennzeichnet die Wirtschaft von Nordkorea?
Das Land besitzt noch immer eine traditionelle zentralistische Verwaltungswirtschaft nach stalinistischem Muster. Vor allem auf militärischer Ebene funktioniert dieses System weiter. Aber in der Zivilwirtschaft gibt es einen Wandel. Die Betriebsleiter können inzwischen weitgehend autonom und situativ handeln. Außerdem gibt es vermehrt privaten Binnenhandel.
Aufgrund der permanenten öffentlichen Mangelversorgung sind die Bürger gezwungen, sich um ihr eigenes Wohl zu kümmern. Frauen bestimmen dabei wesentlich den Einzelhandel. Insgesamt funktioniert dieses System mehr schlecht als recht. Die wirtschaftlichen Wachstumsraten beispielsweise sind seit vielen Jahren extrem gering. Es ist schon ein Erfolg, dass das System bisher nicht kollabiert ist.
Wie funktioniert die interne Machtarchitektur Nordkoreas?
Die drei Machtsäulen des Landes sind die Familie Kim, die Staatspartei PdAK und das Militär. Alle Gruppen verfolgen ihre eigenen Interessen. "In Nordkorea herrscht ein ständiges Powerplay, wer sich durchsetzt. Was der Diktator sagt, hat allerdings stets das meiste Gewicht. Vieles geschieht autark und willkürlich", sagt Asien-Experte Hilpert.
Ist das Regime stabil?
Nach außen macht das Regime einen stabilen Eindruck. Interne Machtkämpfe dringen jedoch in der Regel nicht an die Öffentlichkeit. Es gibt keine sichtbare Opposition. Dissidenten werden in Straflagern mundtot und handlungsunfähig gemacht. Außenpolitisch schreckt das Militär ab. Laut Medienberichten ist Nordkorea im Verhältnis zur Größe des Landes und zur Bevölkerungszahl das mit großem Abstand am stärksten militarisierte Land der Welt und hat permanent etwa 1,3 Millionen Soldaten unter Waffen. Durch den Besitz von Nuklearsprengköpfen hat sich Nordkorea zusätzlichen diplomatischen Spielraum verschafft. Auch ein Volksaufstand ist unrealistisch. "Es wird keine Erhebung der Bevölkerung geben. Dafür haben die Menschen zu wenig Energie, weil sie sich in einem täglichen Überlebenskampf aufreiben müssen", sagt Hanns Hilpert.
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