Im Jemen findet seit Jahren ein blutiger Stellvertreterkrieg zwischen Saudi-Arabien und dem Iran statt. Am meisten leidet darunter die unbeteiligte Bevölkerung: 17 von 27 Millionen Einwohnern benötigen laut UN-Angaben humanitäre Hilfe. Nun macht der Nothilfe-Koordinator der Vereinten Nationen klar, dass Epidemien und eine Hungerkatastrophe kaum noch aufzuhalten seien.
"Die Krise kommt nicht, sie droht nicht, sie ist bereits da und die ganz normalen Menschen zahlen den Preis dafür. [...] Gäbe es keinen Krieg, würde das Land nicht in Hungersnot, Elend, Krankheiten und Tod abrutschen."
UN-Nothilfe-Koordinator Stephen O'Brien fand gegenüber dem Nachrichtennetzwerk "Euronews" deutliche Worte für die aktuelle Lage im Jemen.
Die Katastrophe in dem Staat auf der arabischen Halbinsel mit seinen etwa 27 Millionen Einwohnern bahnt sich schon seit Jahren an.
Nach Protesten im Rahmen des Arabischen Frühlings 2011 trat zwar der langjährige Präsident Ali Abdullah Salih zurück – Ruhe, Stabilität und Aufschwung stellten sich dennoch in der Folge nicht ein.
Ganz im Gegenteil: Die Weltgesundheitsbehörde WHO attestiert dem Land einen schrecklichen Zustand. Es gebe kein Sozialversicherungssystem und das Gesundheitssystem sei unterentwickelt.
Die Staatseinnahmen durch Öl sinken laut WHO seit Jahren, dafür würde die Bevölkerung stark anwachsen.
Die Bevölkerung leidet seit Jahren
Die internationale Gemeinschaft tut dagegen wenig. Anders als in Syrien, wo nicht zuletzt die Millionen Flüchtlinge in Europa die Aufmerksamkeit auf ihr Land gezogen haben.
Zivilisten haben kaum eine Chance, aus dem Land herauszukommen, da die Fluchtwege zur See oder an Land verschlossen sind.
Die Vereinten Nationen (UN) berichten, dass 17 Millionen Menschen im Jemen humanitäre Hilfe benötigen. Etwa zwei Millionen Menschen wurden vertrieben, sieben Millionen leiden an Hunger.
Zudem habe die Hälfte der Bevölkerung keinen Zugang mehr zu sauberem Trinkwasser. 500 Menschen sind laut UN an Cholera gestorben, mehr als 60.000 sollen daran erkrankt sein.
Die UN erwarten, dass in den kommenden Wochen mehr als 150.000 Cholerakranke hinzukommen werden. Eine medizinische Versorgung ist nicht mehr gewährleistet, weil die saudischen Luftangriffe die meisten Krankenhäuser des Landes zerstört haben.
Politische Situation im Jemen
Krieg gehört seit Jahren zum Alltag in dem Staat. Dabei handele es sich in erster Linie um einen geostrategischen Stellvertreterkrieg zwischen Saudi-Arabien und dem Iran, so der Islam- und Politikwissenschaftler Sebastian Sons von der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik im Gespräch mit der Deutschen Welle (DW).
Die saudische Regierung in Riad bekämpft im Jemen die Houthi-Rebellen. Iran unterstützt die Rebellen, die vor zwei Jahren die Regierung des Präsidenten Abd Rabbo Mansur Hadi aus der Hauptstadt Sanaa vertrieben haben.
Die Lesart der Situation seitens der aktuellen Regierung um den jemenitischen Premierminister Ahmed ben Dagher ist indes eine andere.
"Zunächst möchte ich klarstellen, es geht hier nicht um einen Krieg, den Saudi-Arabien im Jemen führt. Es gibt vielmehr eine arabische Koalition, die die legitime Regierung des Jemen gegen Rebellen unterstützt. Auch andere arabische Staaten sind also beteiligt. Und die Koalition hat erst eingegriffen, als die Huthi uns angegriffen haben. Sie haben also den Krieg verursacht", sagte ben Dagher im Rahmen seines Berlin-Besuchs im Mai 2017 gegenüber dem "Tagesspiegel".
Was will Saudi-Arabien?
Nach Einschätzung des Politikwissenschaftlers Sons versucht Saudi-Arabien mit massiven militärischen Mitteln, den Einfluss des Iran zurückzudrängen.
Allerdings ist der Iran faktisch wohl gar nicht so mächtig in der Region, wie es die Regierung in Riad darstellt.
"Saudi-Arabien sieht sich in zahlreichen Ländern iranischen Verbündeten gegenüber. Das ist nicht nur im Irak der Fall, sondern auch in Syrien, in Bahrein, im Jemen, im Libanon. Diese Länder werden aus saudischer Sicht vom Iran kontrolliert. Meines Erachtens trifft das in vielen Punkten allerdings nicht zu. Eher folgt die Empfindung einer anti-iranischen Obsession", so Sons.
USA liefern Waffen an die arabische Koalition
Protegiert werden die saudischen Bemühungen durch die USA. Während die Obama-Administration noch deutlich neutraler gegenüber Teheran agierte, zementierte Donald Trump erst jüngst seine Unterstützung der fundamental-islamistischen Monarchie in Riad.
Trump sagte umfangreiche Waffenlieferungen zu, womit die arabische Koalition den Jemen in Schutt und Asche legt. Iran wiederum beliefert wohl die Huthis und Teile der jemenitischen Armee mit Raketen.
UN-Nothilfe-Koordinator O'Brien prophezeiht den kompletten sozialen, wirtschaftlichen und institutionellen Kollaps des Landes.
Die Houthi haben mehrmals betont, dass die Verantwortung für die Bewältigung der humanitären Missstände allein bei Hadi und seinen Unterstützern liegen würde.
Demgegenüber sagte Ministerpräsident ben Dagher dem "Tagesspiegel": "Wir sind im Krieg, und Krieg ist immer mit Leid verbunden. Aber noch einmal, die Rebellen haben uns diesen Krieg aufgezwungen, und sie haben viele Menschen getötet. Eine legitime Regierung kann doch nicht akzeptieren, dass eine Miliz das Land zerstört."
Die Aussichten für die jeminitische Bevölkerung bleiben also extrem düster.
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