Die in der Corona-Pandemie erlassenen Kontaktbeschränkungen haben Religionsgemeinschaften ausgerechnet zur Zeit zentraler Feierlichkeiten getroffen. Zu Ostern waren Gottesdienste nicht in gewohnter Form möglich. In den Kirchen wächst nun der Unmut über die Einschränkungen.
Kleinere Lockerungen kommen. Von den am Mittwoch von Bund und Ländern etwas zurückgenommenen Corona-Beschränkungen bleibt aber weiterhin das Gottesdienstverbot bestehen. Baumärkte und kleinere Geschäfte dürfen ab Montag öffnen – Kirchen, Synagogen und Moscheen hingegen bleiben für Predigten und Gebete geschlossen.
Nun soll darüber noch einmal gesprochen werden. Das im Kampf gegen das Coronavirus verhängte Gottesdienstverbot ist an diesem Freitag Thema eines Treffens in Berlin. Innen-Staatssekretär Markus Kerber kommt mit Vertretern der verschiedenen Religionsgemeinschaften zusammen.
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Bei dem Gedankenaustausch soll es unter anderem darum gehen, wie Begräbnisse in Zeiten der Corona-Pandemie stattfinden und ob Gottesdienste künftig unter bestimmten Voraussetzungen erlaubt werden können. Zu dem Gespräch sind Repräsentanten der katholischen und evangelischen Kirche, der orthodoxen Christen, des Zentralrats der Juden sowie des Koordinierungsrats der Muslime eingeladen, wie ein Sprecher des Bundesinnenministeriums sagte.
Vor allem von katholischer Seite mehren sich Forderungen an den Staat.
Was fordern die Kirchen?
Nach den Beratungen von Bund und Ländern über erste Lockerungen bei den Coronabeschränkungen am Mittwoch kritisierte die Deutsche Bischofskonferenz das fortdauernde pauschale Gottesdienstverbot deutlich als "nicht nachvollziehbar". Sie habe dieses "bislang hingenommen", weil sie es "vorübergehend für angemessen" gehalten habe, erklärte sie. Nun werde sie einen Vorschlag machen, wie Religionsausübung und Infektionsschutz parallel machbar seien.
Auch das Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK) forderte die Politik am Donnerstag auf, sämtlichen Religionsgemeinschaften zu erlauben, sich "unter Berücksichtigung strenger Regeln in eingeschränktem Maß" zu ihren Gottesdiensten zu versammeln. Wie die Bischofskonferenz erinnerte das ZdK an das Grundrecht auf Religionsausübung.
Der Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) äußerte sich zurückhaltender. Er werde weiterhin alles tun, um Leben zu schützen. Er sei aber "zuversichtlich", dass es bald Einigungen auf "verantwortbare Formen des Gottesdiensts" gebe, erklärte der EKD-Rat.
Was sagen die Juristen?
Tatsächlich ist die Religionsfreiheit ein zentrales klassisches Menschenrecht, das in Artikel vier des Grundgesetzes an prominenter Stelle als eine Säule der Rechtsordnung festgeschrieben ist. Dort wird nicht nur jedem seine "Freiheit des Glaubens" garantiert, sondern ausdrücklich auch eine "ungestörte Religionsausübung".
Erst vor wenigen Tagen musste sich das Bundesverfassungsgericht aus aktuellem Anlass mit dem Verbot christlicher Gottesdienste zu Ostern befassen. Dieses wog auch aus Sicht der Verfassungsrichter besonders schwer, weil Ostern der "Höhepunkt des religiösen Lebens der Christen" sei. Es handle sich bei solchen Verboten daher "um einen überaus schwerwiegenden Eingriff in die Glaubensfreiheit".
Nach derzeitigem Sachstand sah das höchste deutsche Gericht die Maßnahme aber dadurch gedeckt, dass der Schutz vor "Gefahren für Leib und Leben" aufgrund des hohen Infektionsrisikos durch das Coronavirus höher zu veranschlagen sei. Es gelte, ein mögliches "Kollabieren des staatlichen Gesundheitssystems mit zahlreichen Toten" zu verhindern. Bei jeder etwaigen Verlängerung des Verbots müsse allerdings ganz genau geprüft werden, ob dies angesichts der aktuellen Erkenntnisse weiterhin nötig sei - oder ob Gottesdienste zumindest unter notfalls strengen Auflagen erlaubt werden könnten.
Wie könnte es weitergehen?
Die Bischofskonferenz hat bereits Gottesdienste mit den für geschlossene Räume obligatorischen Abstandsvorgaben ins Spiel gebracht. Unterstützung bekommen die Religionsvertreter auch aus der Politik. So sprachen sich unter anderem Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow (Die Linke) und Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) dafür aus, in der Coronakrise auch Gottesdienste unter Auflagen wieder zuzulassen.
Die Kirchengemeinden müssten für ihre Gottesdienste die Zahl der Menschen im Verhältnis zur Fläche und den Sitzplätzen begrenzen, sagte Ramelow am Freitag "Zeit Online". In vielen Regionen seien die Kirchen groß genug dafür.
Es sei auch notwendig, zu differenzieren, welche religiösen Riten vertretbar sind und welche nicht: "Das gemeinschaftliche Gebet braucht keine persönliche Berührung, ist also unproblematisch." Ein Abendmahl mit einem gemeinsamen Löffel wie in der orthodoxen Kirche halte er jedoch für unvertretbar.
Sachsen lässt im Zuge erster Lockerungen ab Montag wieder erste öffentliche Gottesdienste zu. Sie seien aber nur in geringem Umfang mit bis zu 15 Besuchern möglich, sagte Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) am Freitag.
Gläubigen Menschen sei es wichtig, auch religiöses Leben wieder möglich zu machen, sagte Kretschmer. Damit komme die Regierung dem Anliegen der Jüdischen Gemeinden, der Kirchen sowie anderer Religionsgemeinschaften nach, im Rahmen der geltenden Sicherheitsmaßnahmen.
Für Bayern hatte Söder am Donnerstag erklärt, Gottesdienste sollten ab Mai wieder ermöglicht werden. Derzeit fänden Gespräche mit den Kirchen statt. Es gebe bereits "kluge Konzepte", sagte er in München. Es könnten etwa mehrere Gottesdienste am Tag angeboten werden. Gerade in größeren Kirchen ließe sich so Abstand einhalten. (afp/dpa/mf)
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