Hat die Bundeswehr ein Problem mit Rechtsextremen? 550 Verdachtsfällen geht der Militärgeheimdienst nach. Ein Truppenteil ist besonders betroffen. Dort ist die Zahl der Fälle fünfmal so hoch im Vergleich
Der Militärgeheimdienst geht nach eigenen Angaben rund 550 rechtsextremen Verdachtsfällen in der Bundeswehr nach. Im vergangenen Jahr seien 360 neue dazugekommen, sagte der Präsident des Militärischen Abschirmdienstes (MAD), Christof Gramm, der "Welt am Sonntag".
Die Eliteeinheit Kommando Spezialkräfte (KSK) sei dabei besonders betroffen. Hier bearbeite man aktuell rund 20 Verdachtsfälle - Anfang 2019 sei es noch etwa die Hälfte gewesen. "Damit ist bei dem KSK die Zahl der Verdachtsfälle etwa fünfmal so hoch wie im Vergleich zum Rest der Truppe", so Gramm. "Eine ganze Reihe von Personen musste das KSK inzwischen verlassen."
Insgesamt seien im vergangenen Jahr 14 Extremisten identifiziert worden, davon 8 Rechtsextremisten. Diese seien oder würden entlassen. Zudem habe der Geheimdienst 40 Personen mit "fehlender Verfassungstreue" identifiziert.
Tätigkeitsbericht des MAD wird 2020 erstmals veröffentlicht
Gramm kündigte an, 2020 erstmals einen offiziellen MAD-Tätigkeitsbericht zu veröffentlichen. Einen solchen hatte kürzlich der Wehrbeauftragte des Bundestages, Hans-Peter Bartels, gefordert.
Der stellvertretende FDP-Fraktionsvorsitzende Stephan Thomae erklärte: Für den Kampf gegen Rechtsextremismus ist eine belastbare Datengrundlage unersetzlich, deswegen ist die Einführung eines Tätigkeitsberichts des MAD überfällig." Auch die Bundeswehr profitiere davon, wenn für die Bürger nachvollziehbar dokumentiert werde, dass man konsequent gegen Extremisten vorgehe.
Die Soldaten des KSK verfügten über besondere Fähigkeiten, so Gramm. Deshalb müsse man hier ganz besonders sorgfältig hinschauen. "Es handelt sich, aus guten Gründen, um eine abgeschottete Einheit, in der es durchaus auch elitäres Selbstbewusstsein gibt - und auch geben muss." Es gebe dort intensive Beziehungsgeflechte. "Das birgt immer auch Risiken."
Fall Franco A. als Weckruf für den MAD
Gramm widersprach dem Eindruck, wonach es in der Bundeswehr eine "Schattenarmee" gebe. Entsprechende Anhaltspunkte habe man sehr ernst genommen und intensiv recherchiert. "Dabei haben wir Extremisten und Personen mit fehlender Verfassungstreue erkannt, die sich teilweise auch untereinander kennen. Was wir aber nicht festgestellt haben, ist eine entschlossene ziel- und zweckgerichtete, vielleicht sogar gewaltbereite Gruppe, die unseren Staat beseitigen will."
Laut Gramm habe man weitreichende Konsequenzen aus dem Fall Franco A. gezogen. Der Soldat hatte sich als syrischer Flüchtling registrieren lassen und nach Ansicht des Generalbundesanwalts einen Terroranschlag geplant. "Dies war der Weckruf, um den MAD umfassend weiterzuentwickeln", so Gramm. (hub/dpa)
"So arbeitet die Redaktion" informiert Sie, wann und worüber wir berichten, wie wir mit Fehlern umgehen und woher unsere Inhalte stammen. Bei der Berichterstattung halten wir uns an die Richtlinien der Journalism Trust Initiative.