Auf Facebook hat eine Krankenschwester ein emotionales Schreiben an Jens Spahn veröffentlicht. Darin kritisiert sie den Gesundheitsminister für seine polarisierenden Aussagen der vergangenen Wochen und fordert ihn auf, die Arbeitsbedingungen für Pflegepersonal in Deutschland zu verbessern.

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An Aufmerksamkeit mangelt es dem frisch gebackenen Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) derzeit nicht. Seit seinem Amtsantritt vor knapp zwei Wochen sorgte der 37-Jährige bereits für mehrere Kontroversen, die ihm auch Kritik aus den eigenen Reihen einbrachten.

So polarisierte Spahn zunächst mit seiner Haltung zu Harz IV und wenig später mit scharfen Äußerungen zu Schwangerschaftsabbrüchen und dem deutschen Gesundheitssystem.

Im Interview mit der "Bild am Sonntag" hatte Spahn gesagt, es gäbe in Deutschland keine Zwei-Klassen-Medizin. "Natürlich können sich manche das Einzelzimmer leisten. Entscheidend ist aber, dass niemand eine Behandlung 'zweiter Klasse' bekommt", so der Politiker. "Auch Kassenpatienten werden auf höchstem medizinischen Niveau behandelt."

Mit einem emotionalen Brief hat nun jemand auf Spahns Ansichten reagiert, der tagtäglich mit den Gegebenheiten des Gesundheitssystems konfrontiert wird: Die Krankenschwester Jana Lange.

Ein "menschenunwürdiges System"

"Bevor mir jetzt der Kragen platzt, bekommt erst mal Herr Spahn einen Brief", schrieb Lange auf Facebook. Dort postete sie eine Abschrift des Schreibens, welchen sie dem Gesundheitsminister sowohl per Post als auch per Mail übermittelt hat.

In dem Facebook-Post, der mittlerweile über 25.000 Mal geteilt wurde, äußert Lange zunächst starke Bedenken bezüglich der Qualifikationen des CDU-Politikers für den Posten des Gesundheitsministers.

So seien sie und ihre Kollegen "entsetzt, dass weiterhin das Amt des Gesundheitsministers mit einem Minister besetzt wurde, der ohne irgendeine Qualifikation und Ahnung, unsere Arbeit betreffend, berufen wurde!".

Zudem prangert die Krankenschwester zahlreiche Missstände bezüglich der Arbeit im Gesundheitswesen an. So spricht Lange von einem "menschenunwürdigen System" und wirft Spahn vor keine Vorstellung von den darin herrschenden Zuständen zu haben.

"Nach Ihren Aussagen der letzten Wochen, denke ich, können Sie sich nicht hineinversetzen, was es bedeutet, qualifizierte pflegerische Leistungen zu erbringen, vor allem nicht zu den derzeitigen Bedingungen!".

Für eine menschliche Daseinsfürsorge sei mehr nötig "als Ihre ignoranten und diffamierenden Worte der letzten Wochen gegenüber den Menschen, die unsere sozialen Absicherungen dringend benötigen."

Krankenschwester fordert verbesserte Bedingungen

So fehle es an einer angemessenen Bezahlung für Pflegekräfte und ausreichend Zeit sich angemessen um die Patienten zu kümmern. "Wären Sie freiwillig bereit, in der Nacht für die Hälfte des Geldes zu arbeiten? Wären sie bereit, 24 Stunden an 365 Tages des Jahres ihre Arbeitskraft zur Verfügung zu stellen? Wären Sie bereit, freiwillig auf Ihr Familienleben zu verzichten zugunsten der Schwächsten im System?"

Lange betont außerdem, dass ihrer Ansicht nach das Gesundheitssystem in Deutschland zunehmend unter ökonomischem Druck stehe. "Warum ist es nötig, mit Krankheit horrendes Geld zu verdienen? Warum werden die Privatisierungen immer mehr vorangetrieben? Nutznießer in diesem System sind Aktionäre und Einrichtungsleiter, weder Patienten noch Heimbewohner profitieren von dieser Politik."

Mit einem Schreiben an Bundeskanzlerin Angela Merkel hatte Lange bereits im Januar 2017 für Aufmerksamkeit gesorgt. Darin hatte sie Misstände im deutschen Gesundheitswesen angeprangert und die Kanzlerin aufgefordert, diese zu bekämpfen.

Eben jene Forderung bekräftigt die Krankenschwester auch in ihrem Brief an Spahn. So erwarten sie und ihre Kollegen eine "Umkehr" vom derzeitigen System.

"Mit Krankheiten unnötiges Geld zu verdienen, mag für Sie in Ordnung sein und auch Ihren Geldbeutel füllen, für uns ist das unethisch und verwerflich, Leistungen zu verkaufen, die dem Patienten nicht dienen." Um seine "herablassenden Worte der letzten Wochen wieder gut zu machen" solle sich Spahn auf die Menschen besinnen, die ihm durch ihre Wählerstimmen seinen Posten ermöglicht hätten.

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