Nach dem angekündigten Austritt der USA aus dem Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen reagiert die EU mit Sorge und Enttäuschung. Donald Trumps außenpolitischer Kurs isoliert die USA zusehends. Die Kritik am Rat selbst lässt sich durchaus begründen.

Eine Analyse

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Die USA haben ihren Austritt aus dem UN-Menschenrechtsrat angekündigt. US-Außenminister Mike Pompeo sagte am Dienstag, der Rat sei ein "schlechter Verteidiger" der Menschenrechte.

"Die USA wollen nicht Teil einer heuchlerischen Organisation sein", führte die amerikanische UN-Botschafterin Nikki Haley die Kritik aus. Haley hatte bereits im Juni 2017 mit einem Austritt der USA gedroht, wenn sich die antiisraelische Grundhaltung des Rats nicht ändere.

Schon bei seiner Gründung am 15. März 2006 hatten neben Israel die USA gegen das Gremium gestimmt. Der damalige Präsident George W. Bush setzte sich für größere Hürden bei der Auswahl der Ratsmitglieder ein: Die USA verlangten eine Zweitdrittelmehrheit in der UN-Vollversammlung, um einen Staat als Mitglied in den Menschenrechtsrat aufzunehmen. Zur Wahl nötig wurde aber nur eine absolute Mehrheit.

Demokratische, die Menschenrechte nicht verletzende Staaten sind in den UN in der Minderheit, wenn man den "Freedom House Index" als Maßstab nimmt. Dieser misst den Zustand von Demokratie und Menschenrechten in Staaten. Es ist daher schwer möglich, Kandidaten zu blockieren, die gegen die Prinzipien des Rats verstoßen.

Die 47 Mitglieder werden in regionalen Blöcken gewählt: 13 Sitze je für Afrika und Asien, acht für Lateinamerika und die Karibik, 13 Sitze für Europa und die übrigen Staaten.

Regelmäßig werden Staaten in den Menschenrechtsrat gewählt, in welchen die Menschenrechte wenig Beachtung finden - und die somit Entscheidungen gegen sie blockieren können.

Aktuell gehören etwa Kuba, der Kongo und Venezuela dem Rat an. In allen drei Staaten sehen Menschenrechtler immer wieder Verstöße.

Trump gegen "weiche Macht" und Multilateralismus

Nach dem Austritt aus dem Klimaschutzabkommen und der Unesco setzt sich der Rückzug der USA aus den Gremien der Vereinten Nationen fort. Damit sinkt deren Möglichkeit, "sanften Druck" auszuüben.

Der Begriff "soft power" - im Deutschen auch als "weiche Macht" bezeichnet - wurde vom Politikwissenschaftler Joseph Nye geprägt. Er beschreibt eine Form der politischen Machtausübung, die auf nicht militärischen Ressourcen ("hard power") basiert.

Im Unterschied zur "hard power" bedient sich die "soft power" der Vorbildfunktion, der kulturellen Attraktivität und der Vermittlung von Normen und Werten - vor allem auch mit Hilfe internationaler Institutionen.

Dass Donald Trump von "soft power" und multilateralen Verhandlungen nicht viel hält, hat er selbst diverse Male kundgetan. Zuletzt ließ er das multilateral ausgehandelte Iran-Abkommen platzen.

Entsprechend sei der Einfluss der USA mit dem "Niedergang ihrer 'soft power'" in der Welt gesunken, argumentiert Politikwissenschaftler Nye. "Die Beweise sind klar und der Preis ist real", schrieb er auf Twitter.

US-Präsident Donald Trump hatte die UN in der Vergangenheit immer wieder als "ineffektive Verschwendung von Steuergeldern" kritisiert. Er bezeichnete die Organisation als "Klub" für Leute, die "Spaß haben" wollen.

Nicht nur Trump kritisiert Menschenrechtsrat

Mit dieser Kritik steht Trump beileibe nicht alleine da: Die UN-Institutionen müssen sich des Öfteren gegen Vorwürfe wehren, "zahnlose Tiger" zu sein.

Gerade der 2006 als Nachfolger der Menschenrechtskommission gebildete UN-Menschenrechtsrat war in der Vergangenheit immer wieder Ziel harscher Kritik. Er zählte Länder zu seinen Mitgliedern, deren Umgang mit Menschenrechten kaum angemessen genannt werden kann, darunter China, Kirgisistan, Saudi-Arabien, Kasachstan und Nigeria.

2010 beklagte der UN-Folterberichterstatter Manfred Nowak im Gespräch mit der Tageszeitung "Der Standard": "Die Staaten, die die Menschenrechte am meisten verletzen, haben die Mehrheit im Rat."

Auch der Vorwurf, einseitig politisch motivierte Urteile gegen Israel zu sprechen, ist empirisch berechtigt. Zwischen 2006 und 2015 wurde Israel 61 Mal verurteilt, Syrien 15 Mal, Myanmar 12 Mal, Nordkorea acht Mal. Insgesamt wurde Israel seit Bestehen des Rats häufiger verurteilt als alle anderen Länder zusammen.

Das liegt vor allem an der traditionell eng vernetzten Organisation der Islamischen Konferenz (OIC) mit derzeit 56 Mitgliedern. OIC-Mitglieder halten mit 14 Sitzen fast ein Drittel der 47 Sitze im Rat.

Die OIC macht sich vor allem für die Rechte der Palästinenser stark. Gleichzeitig verhindern ihre Mitglieder gegenseitig, selbst wegen Menschenrechtsverletzungen angeklagt zu werden.

Daneben gibt es auch durchaus auch eine positive Bilanz: "Der UN-Menschenrechtsrat hat mehr als 50 Fachgremien zu Ländern und Themen eingerichtet, die unabhängig und öffentlich berichten. So kann zum Beispiel niemand mehr behaupten, dass Menschenrechtsverletzungen in seinem Land nicht stattgefunden hätten", betont die Pressesprecherin des Deutschen Instituts für Menschenrechte Bettina Hildebrand im Gespräch mit dem ZDF.

Der angekündigte Rückzug der USA aus dem Menschenrechtsrat erscheint angesichts der Kritik verständlich, schwächt aber gleichzeitig die einzige international legitimierte Kontrollinstanz für Menschenrechtsfragen. Und die Position der USA als demokratische Führungskraft.

Die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini reagierte entsprechend besorgt: "Die Entscheidung gefährdet die Rolle der USA als Verfechter und Unterstützer der Demokratie in der Welt", ließ sie über ihre Sprecherin Maja Kocijancic ausrichten.

Gefährden die USA den Weltfrieden?

Eine der empirisch am besten belegten Theorien der Politikwissenschaft ist die des demokratischen Friedens. Die Theorie besagt nicht, das Demokratien friedlicher sind, aber dass intakte Demokratien keine Kriege gegeneinander führen.

Intakte Demokratien werden vor allem über die politischen Rechte und bürgerlichen Freiheiten gemessen, wie beim "Freedom House Index".

Neben diesem Index kann die Situation der Menschenrechte auch über den "Global Peace Index" gemessen werden. Dieser Weltfriedensindex bemisst und vergleicht die Friedfertigkeit von Ländern, wobei neben internen und externen Kriegen auch Faktoren wie die Kriminalität, Pressefreiheit und Menschenrechte mit einfließen. Der Index soll also darstellen, wie friedlich ein Land ist.

Sowohl Demokratie als auch Friedlichkeit eines Landes hängen demzufolge auch von der Situation der Menschenrechte im jeweiligen Land ab. Je besser die Menschenrechte global umgesetzt werden, desto demokratischer und friedlicher wird die Welt - zumindest in der Theorie. Ohne eine Wahrung der Menschenrechte sind Demokratie und Frieden, ist demokratischer Frieden demnach nicht möglich.

Menschenrechte, Demokratie und Friedlichkeit sind das Dreieck, auf dem die Prinzipien der UN beruhen. Die USA haben sich dazu entschieden, ihre Einflussmöglichkeiten in einem Schlüsselgremium für Menschenrechtsfragen aufzugeben.

Dies gefährdet vielleicht nicht den Weltfrieden, der ohnehin mehr Ideal als Wirklichkeit ist. Doch der zunehmende Verlust amerikanischer "soft power" zugunsten militärischer Drohgebärden wie im Falle Nordkoreas, destabilisiert das komplizierte Geflecht internationaler Beziehungen.

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