Die Deutsche Umwelthilfe treibt Politik und Autokonzerne vor sich her. Kritiker fordern, ihr die Gemeinnützigkeit abzuerkennen. Ist das realistisch? Wie konnte ein kleiner Umweltverband überhaupt so mächtig werden?
35 Verfahren wegen erhöhter Stickstoffdioxid-Werte führt die Deutsche Umwelthilfe (DUH) derzeit, für fünf deutsche Großstädte gibt es schon Entscheidungen.
Nun soll die DUH ausgebremst werden. Der Bundesfinanzgerichtshof hatte dem globalisierungskritischen Verein Attac die Gemeinnützigkeit aberkannt. Der Parlamentarische Staatssekretär im Bundesverkehrsministerium, Steffen Bilder (CDU), sagte daraufhin im "Handelsblatt": "Das Urteil wird sicherlich eine Rolle bei der weiteren Bewertung der Gemeinnützigkeit der Deutschen Umwelthilfe spielen."
Droht der DUH nun das gleiche Schicksal? Und wie schafft es die DUH überhaupt, so einflussreich zu sein – obwohl sie mit rund 5.000 Fördermitgliedern und 110 Angestellten eher zu den kleinen Vereinen in Deutschland gehört?
Mehr als nur Resch und Diesel
Eines gleich vorweg: Jürgen Resch ist zwar ein Teil der Deutschen Umwelthilfe, er ist einer von zwei Geschäftsführern und wohl auch der umtriebigste seit Jahrzehnten. Doch die DUH ist nicht alleine Jürgen Resch.
Der Verband wurde bereits 1975 gegründet, also über zehn Jahre bevor Resch dort seine Karriere begann. Die Mitglieder sammelten Spenden und finanzierten Naturschutzprojekte, setzten Umweltbildungsprojekte in Schulen um, starteten Kampagnen gegen Atomenergie und förderten nachhaltiges Wirtschaften und erneuerbare Energien.
Das ist bis heute so. Auch wenn derzeit der Eindruck entsteht, die DUH beschäftige sich ausschließlich mit den Klagen zu Fahrverboten. Doch das ist nur ein Teil ihrer Arbeit.
Wann immer die DUH die Rechte der Natur oder der Verbraucher gefährdet sieht, versucht sie, geltendes Recht durchzusetzen: für Fischotter, gegen Pestizide, für Wasserqualität, gegen Einwegverpackungen, für grüne Schulhöfe. Sie bedient ein breites Themenspektrum.
Die DUH darf klagen, solange es um den Zweck des Vereins geht: Naturschutz, Umweltschutz, Verbraucherschutz. Sie klagt dort, wo es für den Einzelnen zu teuer oder langwierig wäre. Ebenso klageberechtigt sind Mietervereine, die Verbraucherzentralen oder der BUND.
Geld aus drei großen Quellen
Zusätzlich ist die DUH seit ihrer Gründung als gemeinnützig anerkannt. Das bedeutet, dass sie steuerlich begünstigt ist. Auch manche Fördergelder und Projektzuschüsse erhält sie dadurch leichter.
Zusammen machten öffentliche Zuschüsse etwa 20 Prozent der Gesamteinnahmen von 8,3 Millionen Euro im Jahr 2017 aus. Das Geld kommt von der Europäischen Union, dem Bund und den Ländern.
Ein weiteres Drittel der Einnahmen erhält die DUH aus Fördermitgliedsbeiträgen, sowie Spenden und Sponsoring. Das kritisieren manche.
Toyota beispielsweise unterstützte die DUH in einzelnen Projekten im Jahr 2018 mit 30.000 Euro. Da der Hersteller kaum Dieselfahrzeuge baut, lautete der Vorwurf von NRW-Ministerpräsident
Ist diese Finanzierung aus der Wirtschaft legal?
"Das hat schon ein Geschmäckle", sagt Ekkehard Hofmann, Direktor des Instituts für Umwelt- und Technikrecht der Universität Trier im Gespräch mit unserer Redaktion.
Juristisch sieht er darin jedoch kein Problem: "Für den Status der Gemeinnützigkeit ist egal, woher das Geld kommt. Es muss nur für Zwecke verwendet werden, die nach der Abgabenordnung als Förderung der Allgemeinheit anzuerkennen sind. Und das ist beim Umweltschutz und damit der DUH ohne Zweifel so."
Anders formuliert: Solange die Einnahmen für Umwelt- und Verbraucherschutz ausgegeben werden, könnte das Geld auch von einer Ölfirma kommen. Wie transparent die DUH damit umgeht, ist ihre Sache.
"Abmahnverein"
Kritikern stößt vor allem die dritte Einkommensquelle der DUH auf: die sogenannte "ökologische Marktüberwachung". Der Verband prüft, ob Vorschriften eingehalten werden. Wurde der Kraftstoffverbrauch eines Autos in der Werbung deutlich ausgewiesen? Ist lesbar, wie viel Blei eine Energiesparlampe enthält?
Verstößt jemand gegen die Vorgaben, flattert ein Brief der DUH ins Haus. Durchschnittlich 30 Briefe wöchentlich hat die DUH 2018 verschickt. Die Einnahmen aus Abmahnungen summierten sich im Jahr 2017 auf 2,2 Millionen Euro, ein Drittel der Gesamteinnahmen im Jahr 2017.
"Die Einnahmen, die wir damit erzielen, werden zu 100 Prozent wieder in den Verbraucher- und Umweltschutz gesteckt. Wir machen das also nicht aus kommerziellen Gründen", entgegnet uns Sascha Müller-Kraenner. Er ist der zweite Bundesgeschäftsführer neben Jürgen Resch.
Auch Jurist Ekkehard Hofmann hält die Kritik "Abmahnverein" für zu einfach: "Gesetze vollziehen sich nicht von alleine. Die Verwaltung schafft es mit ihrem Personal und Ressourcen oft nicht, die Einhaltung zu überprüfen und durchzusetzen."
Aus rechtsstaatlicher Sicht sei es dann sogar wünschenswert, dass Vereine wie die DUH nachhelfen, meint Hofmann. Sonst entstehe ein sogenanntes Vollzugsdefizit. "Die DUH macht ja nicht eigene Gesetze, wie sie es gerne hätte. Sie sorgt dafür, dass eingehalten wird, was eingehalten werden müsste."
Die Entscheidungen der Richter bestätigen das: Nach eigenen Aussagen verliert die DUH nur zwei Prozent der Gerichtsverfahren.
Über die Vorstöße aus der CDU, die Gemeinnützigkeit nun doch zu prüfen, kann man bei der DUH deshalb nur schmunzeln: "Wir legen eben den Finger in die Wunde", sagt Müller-Kraenner. Zuletzt war die Gemeinnützigkeit im August 2018 vom Finanzamt Singen für fünf weitere Jahre bestätigt worden.
Verwendete Quellen:
- Abgabennorm § 52: Gemeinnützige Zwecke
- Geschäftsbericht Deutsche Umwelthilfe 2018
- Openpetition.de; Petition von Michael Rödl: "Deutschen Umwelthilfe (DUH): Aberkennung des Status der Gemeinnützigkeit"
- Tagesschau: #kurzerklärt: "Was ist die Deutsche Umwelthilfe?"
- CDU: Parteitag Anträge 2018, S. 174
- CDU: Parteitag Sonstige Beschlüsse 2018, S. 39
- Umweltbundesamt: Anerkennung von Umwelt- und Naturschutzvereinen
- Bundesamt für Justiz: Liste qualifizierter Einrichtungen gemäß §4 des Unterlassungsklagengesetzes
- ARD PlusMinus Marktcheck: "Wie ein kleiner Umweltverein die Industrie das Fürchten lehrt"
- Antwort der Deutschen Umwelthilfe auf eine schriftliche Anfrage vom 27. Februar
- Handelsblatt: "Neuer Streit über die Deutsche Umwelthilfe"
- Westdeutsche Allgemeine Zeitung: "Laschet attackiert Deutsche Umwelthilfe"
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