Berlin macht den Frauentag am 8. März zum Feiertag. Während sich Arbeitnehmer freuen und die Wirtschaft über die Kosten stöhnt, wundert sich mancher über den eigenwilligen Weg, auf dem diese Entscheidung zustande kam.

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Vor 100 Jahren war er ein Kampftag für das Frauenwahlrecht, in der DDR dann ein Jubeltag, an dem die Männer in den Betrieben ihre Kolleginnen mit Blumen, Speis und Trank verwöhnten.

Der inzwischen weitgehend vergessene Internationale Frauentag erlebt jetzt in Berlin Wiederauferstehung: Erstmals in einem Bundesland wird er gesetzlicher Feiertag.

Frauentag wird zum Feiertag in Berlin

Eine Mehrheit im Berliner Abgeordnetenhaus hat am Donnerstag für den entsprechenden Gesetzesentwurf der rot-rot-grünen Landesregierung gestimmt.

"Der heutige Tag ist ein ganz großes Zeichen dafür, dass wir auf dem Weg der Gleichstellung von Frau und Mann weiterkommen", schrieb die gleichstellungspolitische Sprecherin der SPD-Fraktion, Derya Caglar, in einer Pressemitteilung.

Die Arbeitnehmer freut der zusätzliche Feiertag natürlich. Warum sich Berlin diesen gönnt, ist indes nicht so recht klar.

Müller: "Wollte die Feiertagsdebatte nicht"

Offiziell wird der "Nachholbedarf" ins Feld geführt: Tatsächlich steht der Stadtstaat mit bisher 9 Feiertagen am Ende des Bundesländervergleichs. Bayern hat 13, Baden-Württemberg 12. Doch die Umstände, wie es nun zum 8. März kam, lassen den Schluss zu: Eigentlich wollte niemand in der Hauptstadt einen neuen Feiertag - er kommt aber trotzdem.

"Schuld" daran sind die Nordländer Schleswig-Holstein, Niedersachsen, Hamburg und Bremen. Deren Regierungschefs trafen sich im Februar und verkündeten anschließend, den Reformationstag am 31. Oktober zum Feiertag machen zu wollen.

Bis dahin war das nur in den Ost-Ländern außer Berlin der Fall. 2017 war er zum 500. Reformationsgeburtstag einmalig bundesweit begangen worden.

Nach dem Vorstoß aus dem Norden hätten Journalisten bei ihm angerufen, sagt später Berlins Regierungschef Michael Müller (SPD), und gefragt, wann seine Stadt nachziehe.

"Und damit hatten wir die Feiertagsdebatte. Die wollte ich nicht. Die hätten wir aus eigener Kraft glaube ich auch nicht angefangen", so Müller. "Aber sie war dann auch nicht mehr wegzubekommen." Es folgten monatelange Diskussionen.

Lange Liste an Vorschlägen

Die Kirchen plädierten für den Reformationstag am 31. Oktober, die Unternehmensverbände Berlin-Brandenburg schlossen sich an. Der Beauftragte für die Aufarbeitung der SED-Diktatur, Tom Sello, warb für den 9. November als Tag des Mauerfalls - als Tag der Pogromnacht 1938 auch in negativer Hinsicht ein historisches Datum.

Müller brachte in Erinnerung an die Märzrevolution 1848 den 18. März ins Spiel, Linke-Politiker den 8. Mai als Tag der Befreiung vom Faschismus.

Die SPD-Abgeordnete Iris Spranger startete eine Internet- Petition für den 8. März. Grüne schlugen vor, jeder solle seinen eigenen Feiertag wählen können, die CDU jährlich wechselnde Termine.

An Ideen mangelte es also nicht, jedoch an der Umsetzung. Mitte November schließlich platzte der Linken der Kragen.

Die Parteispitze legte sich als Signal gegen die "Endlosdiskussion" überraschend auf den 8. März fest und setzte damit die Koalitionspartner SPD und Grüne unter Druck. Die kamen aus der Nummer nicht mehr heraus - und schlossen sich dem Terminvorschlag an.

Feiertag kostet die Wirtschaft 160 Millionen Euro

Nun also der 8. März als "Frauenkampftag", wie es Grünen- Fraktionschefin Silke Gebel formulierte. Ein Vorbild auch für andere Bundesländer, glaubt SPD-Politikerin Spranger. "Auch 100 Jahre nach Einführung des Frauenwahlrechts gibt es in Deutschland keine Gleichberechtigung.

Berlins Wirtschaft blickt eher auf den schnöden Mammon und verweist auf praktische Probleme. Ein zusätzlicher Feiertag habe ein Minus beim Bruttoinlandsprodukt von 0,3 Prozent zur Folge und koste Berlin 160 Millionen Euro, rechnet der Hauptgeschäftsführer der Industrie- und Handelskammer (IHK), Jan Eder, vor. "Ein ökonomisches Eigentor."

Probleme bereitet Unternehmen laut IHK auch die kurze Frist zwischen Gesetzesbeschluss und Feiertag, weil Firmen ad hoc Lieferketten, Arbeitsprozesse und Dienstpläne ändern und anpassen müssen.

Für bis zu 180.000 Berliner, die nach Brandenburg pendeln und am 8. März - einem Freitag - nicht frei haben, könnte der "Inseltermin" schwierig werden: Sie müssen wegen geschlossener Kitas und Schulen etwa eine Kinderbetreuung organisieren. (dpa/mcf)

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