Das US-Waffenrecht entzweit die amerikanische Gesellschaft. Nach jedem Vorfall wird erneut über schärfere Gesetze diskutiert – doch am Ende bleibt meist alles beim Alten. Warum tut sich Amerika so schwer mit einem Verbot?

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Für die Familie von Diren war das Urteil eine Erleichterung, wie sie nach der Verkündung sagte. Vorsätzliche Tötung, so lautet der Schuldspruch gegen Markus K., der im US-Staat Montana den 17-jährigen Austauschschüler aus Hamburg erschossen hatte. Doch für den Vater von Diren hätte der schreckliche Vorfall von Anfang an verhindert werden können. Schon vor Monaten, als er die Leiche seines Sohnes zurück nach Deutschland gebracht hatte, kritisierte er: "Amerika kann hier nicht weiterhin Cowboy spielen."

Er sprach damit ein Problem an, das weit über den Tod eines Schülers in einer Kleinstadt hinausgeht: Amerika und seine Waffen. Denn es sind immer wieder die gleichen Fragen, die hochkochen, wenn Menschen in den USA mit frei käuflichen Waffen erschossen werden: Warum ändert das Land nicht endlich sein laxes Waffenrecht?

Mehr Menschen befürworten das Recht zum Tragen einer Waffen

Nur zwei Jahre liegt der letzte grausame Amoklauf in den USA zurück. Im Dezember 2012 stürmte der 20-jährige Täter eine Grundschule in Newtown (Connecticut) und tötete 28 Menschen. Die Waffen dafür stammten aus dem Besitz seiner Mutter, sie hatte das Gewehr und die Pistolen zuvor legal erworben.

Eine kaltblütige Tat – doch zwei Jahre nach dem Massaker ist der Rückhalt für Waffen sogar noch gestiegen, wie eine Umfrage des Pew Research Center zeigt: 52 Prozent der Befragten sagten, das Recht zum Tragen einer Waffen müsse geschützt werden; nur 46 Prozent hielten es für wichtiger, Waffenbesitzer besser zu kontrollieren. Im Januar 2013 – also kurz nach dem Massaker – war die Stimmung noch umgekehrt gewesen: 51 Prozent forderten damals, Priorität auf strengere Kontrollen zu legen.

Waffenbesitz als Grundrecht

Die Umfrage steht symptomatisch für eine Haltung, die in Deutschland mit seinen strengen Auflagen ausgeschlossen wäre, für viele Amerikaner aber schlicht heißt: Waffenbesitz ist Grundrecht. Sie betrachten jeden Versuch für schärfere Gesetze als einen Angriff auf die Verfassung als Ganzes – das höchste Gut des Staates, das sie um jeden Preis verteidigen müssen.

Schließlich heißt es im "Second Amendment", dem zweiten Verfassungszusatz von 1791: "Da eine wohl organisierte Miliz für die Sicherheit eines freien Staates notwendig ist, darf das Recht des Volkes, Waffen zu besitzen und zu tragen, nicht beeinträchtigt werden." Laut dem obersten US-Gericht, dem "Supreme Court", bezieht sich dieser Artikel auf ein grundsätzliches Recht aller Bürger. Das US-Waffenrecht gleicht damit einem Labyrinth: Neben den Bundesstaaten können auch Landkreise und Städte eigene Gesetze erlassen.

Der Verfassungszusatz ist es auch, den die mächtige National Rifle Association (NRA) fortwährend zitiert. Dass der Zusatz mehr als 200 Jahre alt ist, kümmert die Lobbyorganisationen nicht. Sie hebt die Debatte auf eine moralische Ebene und geißelt jeden, der es wagt, gegen das Recht zum Tragen einer Waffe vorzugehen: Wer sich dagegen stellt, stellt sich grundsätzlich gegen Freiheitsrechte in Amerika, so die Lesart der Waffenlobby.

NRA kämpft erbittert für Waffenliebhaber

Das bekam auch schon Barack Obama zu spüren. Nach dem Newtown-Massaker bemühte sich der Präsident um schärfere Gesetze, warb für seine Vorschläge und traf Senatoren unter vier Augen. Doch die NRA besitzt viel Geld und Einfluss: Mehrere Millionen Mitglieder, Spenden, Werbespots, Kampagnen – ihren Möglichkeiten scheinen kaum Grenzen gesetzt. Und auch wenn die NRA-Gegner wachsen, am Ende setzten sich bisher stets die Waffenliebhaber durch.

So auch 2013. Trotz Obamas großer Kampagne stimmen nur 54 von 100 Senatoren für schärfere Kontrollen – mindestens 60 wären nötig gewesen. Das lag einerseits an den Republikanern, die traditionell das Waffenrecht bewahren wollen. Andererseits ging es für manchen Abgeordneten bei einem so polarisierenden Thema aber auch um mehr als nur Parteigrenzen: um Machterhalt. Wer in einem konservativen, pro-Waffen Staat als Senator wiedergewählt werden wollte, lehnte das Gesetz zwangsläufig ab – unabhängig vom Parteibuch.

Heute sieht es noch schlechter aus: Seit den Kongresswahlen Anfang November dominieren die Republikaner beide Kammern des Parlaments. Noch höher ist die Hürde, um den zweiten Verfassungszusatz zu reformieren. Dafür braucht es nicht nur eine Zwei-Drittel-Mehrheit im Kongress, auch drei Viertel aller Bundesstaaten müssen zustimmen. Eine Änderung ist nicht in Sicht.

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