• 2019 mischte die Bewegung "Maria 2.0" mit ihrem Frauenstreik die katholische Kirche auf.
  • Danach wurde es etwas ruhiger, doch nun bekommen die Reformerinnen neuen Schwung.
  • Das liegt auch am Gegenwind aus dem Vatikan.

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Lisa Kötter verliert langsam die Geduld. "Das mit der Kirchenspaltung ist immer ein Gespenst, das aufgebaut wird, wenn Kritiker sich mit uns befassen. Es heißt ja auch immer, Luther habe die Kirche gespalten, aber das stimmt doch nicht. Gespalten werden die Dinge, die erstarrt sind. Elastische Dinge können Sie nicht spalten."

Vor rund zwei Jahren hat die 60 Jahre alte Münsteranerin die feministische Reformbewegung "Maria 2.0" mitgegründet. Sie traten in den Kirchenstreik um zu zeigen, dass sie nichts mitentscheiden dürfen und welche Rolle sie in den Pfarrgemeinden spielen. Eine Münchner "Maria 2.0"-Mitstreiterin beschreibt das so: "Wir dürfen Kuchen backen - und das war's."

Seit Beginn der Bewegung haben sich Frauen in ganz Deutschland der Idee vom Kampf für mehr Gleichberechtigung in der katholischen Kirche angeschlossen. Und auch wenn es im Corona-Jahr wie um so vieles auch um "Maria 2.0" zumindest von außen betrachtet etwas ruhiger wurde, sind nun wieder stürmische Zeiten angebrochen.

Für dieses Wochenende sind bundesweit Protestaktionen gegen den Zustand der katholischen Kirche geplant, gegen Machtmissbrauch, sexuellen Missbrauch und die Unterdrückung von Frauen.

Was genau "Maria 2.0" plant, wollen die Initiatorinnen zwar noch nicht offiziell sagen. Aber: "Das ist eine spannende Aktion", sagt Kötter. "Wir haben im Moment so wenig Möglichkeiten, unsere Empörung und Fassungslosigkeit in Bilder zu gießen, die aufmerksam machen."

Protest von "Maria 2.0" versetzt Vatikan in Aufruhr

Grund für den neuen Schwung dürfte auch Gegenwind aus dem Vatikan sein. Anfang Februar wurde ein Bericht der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" bekannt, wonach sich die vatikanische Kongregation für die Glaubenslehre mit "Maria 2.0" befassen soll.

Stein des Anstoßes soll ein Protest der Frauenrechtlerinnen gegen die Zurückhaltung eines Missbrauchsgutachtens durch den Kölner Kardinal Rainer Maria Woelki sein.

Mitglieder von Maria 2.0 hatten im November mit einem "Beichtmobil" unter dem Motto "Raus mit der Akte" dagegen protestiert, dass Woelki das Gutachten wegen angeblicher rechtlicher Bedenken unter Verschluss hält.

"Das ist ein Ritterschlag", sagt Kötter. "Es zeigt doch, dass wir einen Nerv getroffen haben." Die Reformbewegung "Wir sind Kirche" nennt die vatikanische Beobachtung einen "Rückfall in alte Einschüchterungsmuster".

"Wir sind Kirche" gibt es zwar schon deutlich länger als "Maria 2.0", ihre Ziele und Forderungen an die Kirche sind aber durchaus zu vergleichen.

Auch der Präsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK), Thomas Sternberg, nahm "Maria 2.0" in Schutz: "Ich bin sehr beeindruckt davon, wie sehr sie sich als eine Bewegung für die Kirche verstehen", sagte er. "Das ist alles andere als irgendeine Revoluzzer-Truppe."

Reformer wollen eine "menschlichere Kirche"

Als solche wird die Bewegung, der vor allem Frauen über 40 angehören, aber von den lautesten ihrer Kritiker bezeichnet und gerne auch beschimpft. "Wir bekommen jeden Tag Mails von "Jesus"", sagt Kötter. "Die drohen uns mit Hölle und Verdammung - und landen direkt im Spam. Ich kann das nicht mehr lesen."

In Bayern hat sich gerade erst eine "Maria 2.0"-Gruppierung zusammengefunden. Rund 40 Frauen und ein paar ganz wenige Männer, haben sich dort zusammengetan, damit der Freistaat kein weißer Fleck auf der "Maria 2.0"-Landkarte bleibt.

"Es geht nicht darum, eine Kirche ohne Männer zu machen, sondern gemeinsam eine Kirche zu machen", sagt die Sprecherin von Maria 2.0 München, Renate Spannig. "Jesus war einer, der auch an Machtstrukturen gearbeitet hat." Das Ziel der Initiative sei schlicht "eine menschlichere Kirche".

Bei der konservativen Gegenbewegung "Maria 1.0", die sich in Bayern formierte, bevor "Maria 2.0" dort überhaupt in Erscheinung getreten war, überrascht es nicht, dass der Vatikan die Reformerinnen ins Visier nimmt.

"Dass Rom das kirchenpolitische Geschehen in Deutschland grundsätzlich im Blick hat, davon kann man wohl ausgehen", sagt "Maria 1.0"-Initiatorin Johanna Stöhr. Und aus ihrer Sicht könnte es ruhig noch mehr davon geben.

"Wir würden uns generell wünschen, dass Rom aktiver und unmissverständlicher den Weg in Deutschland begleiten würde. Die Reformwünsche sind ja nicht neu, sondern werden seit Jahrzehnten regelmäßig aufgebacken", sagt sie.

"Keinerlei Hoffnung, dass sich da was ändert"

Derzeit läuft ein Reformprozess, den die katholische Kirche in Deutschland "Synodaler Weg" genannt hat und der sich mit Fragen der Sexualmoral, dem Priesteramt und der Rolle der Frau befasst - und in Rom längst nicht jedem gefällt.

Kötter, die Anfang März ein Buch mit dem Titel "Schweigen war gestern" auf den Markt bringt, macht sich über den vatikanischen Einfluss keinerlei Illusionen: "Ich habe keinerlei Hoffnung, dass sich da was ändert. Wenn der Synodale Weg abgeschlossen ist, wird Rom sagen: No, No, No. Das wird dann hier einen Exodus geben ohne Ende", sagt sie mit Blick auf die ohnehin schon hohen Austrittszahlen aus der katholischen Kirche.

"Aber das ist den Mächtigen in Rom doch egal, und wahrscheinlich im Zweifel auch viele deutschen Bischöfen, wie man derzeit in Köln beobachten kann. Sie haben doch ihre Schäfchen alle im Trockenen. Selbst wenn die Katholiken dort auf eine Gruppe von 1000 zusammenschrumpfen, haben die Herren trotzdem ihre Paläste."  © dpa

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