230.000 Todesopfer, mehr als 110.000 Verletzte und 1,7 Millionen Menschen, die in der Folge obdachlos waren - 2004 hinterließ ein Tsunami in Südostasien pure Zerstörung. Die Chronologie des Schreckens.
Die wohl größte Naturkatastrophe des 21. Jahrhunderts nahm am zweiten Weihnachtsfeiertag ihren Lauf und jährt sich nun zum 15. Mal: Ein Erdbeben im Indischen Ozean mit einer Stärke von 9,1 löste eine Reihe von Flutwellen aus, die insgesamt mindestens 230.000 Todesopfer, über 110.000 Verletzte und 1,7 Millionen Obdachlose forderten.
Die Zahl der Todesopfer könnte sogar noch weit höher liegen - man geht von einer Zahl bis zu 280.000 aus - da viele Leichen aus Furcht vor Seuchen verbrannt und in Massengräbern bestattet wurden.
Das Problem: Es gab kein funktionierendes Frühwarnsystem und keine Notfallpläne. So konnten die Menschen in den betroffenen Gebieten nicht gewarnt werden. Selbst sechs Stunden nach dem ersten Beben traf die Flutwelle die Bewohner an der afrikanischen Küste völlig unvorbereitet.
Tsunami: Seit 2004 Synonym für eine bislang unbekannte Naturkatastrophe
Man muss es sich vorstellen wie eine gigantische Wasserwand, die auf einen zukommt. "Tsunami", aus dem japanischen "tsu" = Hafen und "nami" = Welle, bezeichnet eine Welle, die in Häfen Schäden anrichtet; sie entsteht durch Erdbeben, Vulkanausbrüche oder Hangrutsche im Meer, die größere Wassermassen in Bewegung setzen, die sich dann wellenmäßig in alle Richtung ausbreiten.
Die Wellen schwingen langsam, die Wellenlängen sind beträchtlich und können 700 Kilometer erreichen. Je näher sie der Küste kommen, umso höher werden sie.
Am zweiten Weihnachtstag gegen 2:00 Uhr nachts MEZ erschütterte eines der stärksten, je gemessenen Erdbeben - und das stärkste seit 1964 - in 30 Kilometern Tiefe den Meeresboden nahe der Insel Simeulue vor der Insel Sumatra, 250 Kilometer süd-südöstlich der indonesischen Stadt Banda Aceh. Das Beben war vielerorts bis an Land spürbar.
Die ersten Tsunami-Wellen erreichten einige Minuten später das Festland
Etwa 15 bis 30 Minuten später, gegen 2:30 Uhr MEZ erreichten bis zu 20 Meter hohe Tsunami-Wellen das Festland: Betroffen waren zunächst die Nordküste der indonesischen Insel Sumatra mit der Provinz Aceh sowie die Nikobaren im Golf von Bengalen, die zu Indien gehören.
Die Insel Car Nicobar ist 127 Quadratkilometer groß und hatte 32.000 Einwohner, von denen etwa die Hälfte nicht überlebte. Mit den Menschen wurden auch die Kommunikationswege zerstört, sodass die Nachricht über die Katastrophe erst durch Überlebende, die sich auf andere Inseln retten konnten, zeitversetzt übermittelt werden konnte.
In der 500.000-Einwohner-Stadt Banda Aceh tötete und verletzte eine 12 Meter hohe Welle zunächst Menschen und vernichtete Gebäude, Fahrzeuge und Boote, und drückte anschließend den Schlamm und die Trümmer ins Landesinnere. In der Stadt starben rund 25.000, in der Provinz Aceh 170.000 Menschen.
Wie sich der Schrecken ausbreitet
Etwa eine Stunde später, nachdem weitere, kleinere Beben den Indischen Ozean erschüttert hatten, erreichten gegen 3:00 Uhr MEZ Tsunami-Wellen die Küsten von Thailand und Malaysia, hier starben mehr als 5.000 Menschen. In Thailand traf es den Urlaubsort Khao Lak besonders hart, hier kamen mehr als 4.000 Menschen ums Leben, darunter auch viele deutsche Urlauber.
Auch Sri Lanka hatte mit 30.000 Toten eine sehr hohe Opferzahl zu beklagen, als eine weitere Stunde später, gegen 4:00 Uhr MEZ die Wellen den Inselstaat erreichten. Vergleichsweise milde kamen Myanmar und Bangladesch davon, hier kamen etwa 60 Menschen ums Leben. Bereits eine weitere halbe Stunde später, gegen 4:30 Uhr MEZ, wurde Indiens Südostküste getroffen. Dort wurden mehr als 9.500 Todesopfer gezählt.
Während es immer wieder zu starken Nachbeben in der Nähe der Nikobaren kam, das stärkste davon mit 7,1 auf der Richter-Skala, wurden gegen 5:30 Uhr MEZ die Malediven von den Wellen überspült. Hier hatten die Menschen auch deshalb kaum Überlebenschancen, weil es bei den flachen, kleinen Inseln kaum Rückzugsmöglichkeiten gibt, sieht man von Hochhäusern oder Hoteldächern ab, sofern die Gebäude den Wellen standhielten.
Ein vorläufiges Ende nahm der Tsunami erst gute sechs Stunden später gegen 8:15 Uhr MEZ an der ostafrikanischen Küste, die 6.400 Kilometer vom Epizentrum entfernt liegt. In Somalia starben sechs Stunden nach dem Erdbeben weitere 300 Menschen, weil sie nicht gewarnt wurden.
Direkte Folgen der Flutwellen
Nicht nur die Flutwellen selbst haben Tausende Opfer gefordert. Viele der Trinkwasserquellen in den betroffenen Ländern wurden verunreinigt, und durch das Eindringen von verunreinigtem Wasser in die Atemwege kam es bei den ohnehin geschwächten Menschen oft zu Lungenentzündungen.
Das feuchtwarme Klima begünstigte Infektionen von Wunden; aufgrund des heißen Klimas befürchtete man den Ausbruch von Seuchen wie Typhus und Cholera.
Da die Flutwellen nicht nur Menschen getötet und Gebäude zerstört hatten, sondern auch die Kommunikationswege zunächst unterbrochen waren, musste man auf Notfunkbetrieb, teilweise durch Funkamateure, ausweichen.
Die Tage nach der Katastrophe
Bereits einen Tag nach dem Tsunami flogen Schweden, Finnland und Norwegen mehr als 3.500 Verletzte und Touristen aus. Weitere Länder, insbesondere Deutschland, Großbritannien, Österreich, Schweiz, USA, Japan und Frankreich entsandten Hilfskräfte und medizinische Geräte zur Versorgung der Verletzten und organisierten Rückflüge für Verletzte und Urlauber.
Zahlreiche Organisationen halfen bei der medizinischen Versorgung und beim Wiederaufbau der Infrastruktur. Neben der medizinischen Versorgung ging es auch darum, Leichen zu identifizieren, was aufgrund der hohen Temperaturen vor Ort relativ schnell passieren musste. Man wollte keine Seuchen riskieren.
Der Journalist Hardy Prothmann befand sich während des Tsunamis in Thailand in Urlaub und berichtete über die Folgen des Tsunamis. Er selbst überlebte, weil er sich an diesem Tag auf einer Segelyacht drei Seemeilen vor der Ostküste von Phuket befand und nicht an Land. Die Welle lief unter dem Boot durch.
Er berichtete über die Situation in den Krankenhäusern, die hoffnungslos überfüllt waren, von Khao Lak, einem Paradies auf Erden, das sich in ein Trümmerfeld gewandelt hatte, von aufgeblähten Leichen und süßlichem Verwesungsgeruch, freiwilligen Helfern, traumatisierten Menschen und wie zwei Tage später bereits die Aufräumarbeiten begannen.
Ökologische und kulturelle Landzeitschäden
Insbesondere die Korallenriffe vor der thailändischen Küste wurden durch den Wasserdruck und Trümmerstücke in Mitleidenschaft gezogen, außerdem bedeckte der aufgewirbelte Schlamm die Korallen. Die Mangrovenwälder an einigen Küsten wurden geschädigt, Nistgebiete von Meeresschildkröten waren ebenfalls betroffen.
Langzeitschäden entstanden durch die Abtragung des Humus in den überfluteten Regionen, womit der Pflanzenkreislauf weitgehend unterbrochen war, sodass Ernteausfällen die logische Folge waren. Durch die Flutwellen wurden auch zahlreiche, zum Teil historische Bauwerke, Museen, Archive und weitere Kulturgüter zum Teil stark beschädigt oder dem Erdboden gleichgemacht.
Verwendete Quellen:
- zeit.de: Dagny Lüdemann, Saskia Gerhard: Tsunami 2004 - Man hätte Stunden gehabt, Menschen zu warnen
- focus.de: Hardy Prothmann, Tsunami vor Thailand - Eine Hölle aus Wasser
- spiegel.de: Jule Lutteroth, Tsunami 2004 - Die Jahrtausend-Katastrophe
- Wissenschaft im Dialog
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