Bei seiner Festnahme hatte der Verdächtige Luigi Mangione ein Bekennerschreiben dabei, in dem er sich wütend über das Gesundheitswesen äußerte. Offenbar hatte der 26-Jährige erst kürzlich eine Rücken-OP gehabt.
Nach dem Mord an dem US-Versicherungschef Brian Thompson hat die Polizei Hinweise auf das mögliche Motiv des festgenommenen Tatverdächtigen gefunden. Luigi Mangione habe ein Schreiben bei sich gehabt, in dem er seine Wut auf das System der Gesundheitsversorgung in den USA geäußert habe, sagte der Chefermittler der New Yorker Polizei, Joseph Kenny, am Dienstag dem Sender ABC.
"Ich habe dieses Manifest lesen können", sagte Kenny. Der 26-Jährige sei frustriert über die Gesundheitsversorgung gewesen und habe in seinem Text darauf hingewiesen, dass das US-Gesundheitssystem das teuerste weltweit sei - die USA bei der Lebenserwartung aber nur auf Rang 42 stünden. "Er hat viel über seine Verachtung für US-Konzerne und insbesondere die Gesundheitsindustrie geschrieben", sagte Kenny.
Handgeschriebenes Manifest
In dem dreiseitigen, handgeschriebenen "Manifest" werde US-Krankenversicherungen Profitgier zum Nachteil der Patienten vorgeworfen. "Diese Parasiten haben es verdient", steht demnach in dem Papier.
Weiter heißt es: "Ich entschuldige mich für die Unruhe und das Trauma, aber es musste getan werden." Der Verdächtige weise in dem Schreiben auch darauf hin, dass er alleine gehandelt habe.
Botschaften auf Patronenhülsen
Schon direkt nach dem Mord waren Hinweise auf ein mögliches Motiv aufgetaucht. Auf Patronenhülsen, die am Tatort sichergestellt worden waren, standen laut Ermittlern drei Wörter: "deny" (verweigern), "defend" (verteidigen) und "depose" (absetzen, stürzen oder aussagen). Dies sei möglicherweise eine Anlehnung an einen Spruch, den Versicherungskritiker benutzten, hieß es: "Delay (verzögern), deny, defend".
Gemeint sei, dass Krankenversicherungen oftmals Zahlungen an Patienten verzögerten, Ansprüche verweigerten und ihr Vorgehen dann verteidigten, notfalls vor Gericht. Es gibt auch ein Buch mit diesem Titel, das sich mit den Praktiken der Versicherer beschäftigt.
Nach Ansicht der "New York Times" hat der Mord an Thompson nicht nur die Nation aufgewühlt, sondern auch "die tief sitzende Wut der Amerikaner auf die US-Krankenversicherungsbranche" offengelegt. So wurde der Täter von manchen Nutzern in sozialen Medien gar als eine Art "Rächer" gefeiert.
Der Gouverneur von Pennsylvania, Josh Shapiro, verurteilte die Tat. "Man tötet niemanden kaltblütig wegen politischer Fragen oder um damit seine Meinung kundzutun", erklärte der demokratische Politiker.
Junger Mann aus wohlhabender Familie mit Rückenproblemen
Laut US-Medien handelt es sich bei dem 26-Jährigen um einen jungen Mann aus gutem Hause, dessen Großvater in Baltimore ein Immobilien-Imperium aufgebaut habe. Er selbst sei auf eine exklusive Privatschule gegangen, sei dort im Ringerteam gewesen und habe später an einer renommierten Universität Informatik und Mathematik studiert. Zuletzt habe Luigi Mangione in Honolulu im Bundesstaat Hawaii gelebt.
Den Berichten zufolge plagten den 26-Jährigen allerdings schon seit langem wegen eines Wirbelsäulenleidens starke Rückenschmerzen. Nach einem Surf-Unfall habe er sich operieren lassen. Ob dies aber mit dem Mord zusammenhänge, müsse erst geklärt werden, hieß es.
In sozialen Medien habe der durchtrainierte junge Mann lange seine Fitnessroutinen und Eindrücke seiner Reisen geteilt, schrieb CNN. Im Sommer habe er sich aber allmählich aus dem Netz zurückgezogen.
Nähe zum berüchtigten Unabomber?
Er scheine jedoch eine Rezension zu einem Buch des als "Unabomber" bekannten US-Attentäters Ted Kaczynski veröffentlicht zu haben, schrieben CNN und die "New York Times".
Der einstige Harvard-Absolvent und erklärte Technikfeind Kaczynski tötete zwischen 1978 und 1995 bei einer Serie von Paketbomben-Anschlägen drei Menschen und verletzte 23 weitere. Er starb 2023 in Haft. Er hatte sich als Opfer hauptsächlich Mitarbeiter von Universitäten (Un) und Fluggesellschaften (Airlines - A) ausgesucht - deshalb die Bezeichnung "Unabomber".
Verdächtiger nach tagelanger Fahndung festgenommen
Mangione war am Montag nach tagelanger Fahndung in Pennsylvania festgenommen worden und wurde anschließend wegen Mordes, Schusswaffenbesitzes und Besitzes gefälschter Papiere beschuldigt. Aufnahmen in US-Medien zeigten einen jungen Mann mit krausem Haar und einem dunklen Pullover, der in Handschellen von Polizisten ins Gericht geführt wird.
Der 26-Jährige ist dringend verdächtig, am Mittwoch vergangener Woche in New York den 50-jährigen Chef des Krankenversicherungskonzerns UnitedHealthcare auf offener Straße erschossen zu haben. Thompson stand seit 2021 an der Spitze des Unternehmens, eines der größten Krankenversicherer der USA mit 440.000 Mitarbeitern und einem Jahresumsatz von 371 Milliarden Dollar (353 Milliarden Euro).
Die Familie des jungen Mannes veröffentlichte am Montagabend eine Erklärung, in der sie sich "geschockt und erschüttert" über die Festnahme zeigte. (afp/dpa/bearbeitet von cgo)
"So arbeitet die Redaktion" informiert Sie, wann und worüber wir berichten, wie wir mit Fehlern umgehen und woher unsere Inhalte stammen. Bei der Berichterstattung halten wir uns an die Richtlinien der Journalism Trust Initiative.