Die Post wollte das Briefporto erhöhen – kam damit aber nicht durch. Nun gibt es Pläne, dass der normale Brief erst nach drei Tagen ankommen könnte anstatt am nächsten Tag. Auch soll sich die Preisstruktur ändern. Doch an diesen Plänen der Post gibt es deutliche Kritik.

Eine Analyse
Dieser Text enthält eine Einordnung aktueller Ereignisse, in die neben Daten und Fakten auch die Einschätzungen von Michael Freckmann sowie ggf. von Expertinnen oder Experten einfließen. Informieren Sie sich über die verschiedenen journalistischen Textarten.

Die Bundesnetzagentur hatte dem Vorhaben im August einen Riegel vorgeschoben: Sie stoppte die Pläne der Post, das Briefporto anzuheben. Die Post versucht es nun auf einem anderen Weg und will die Zustellzeiten für einen Standardbrief verlängern.

Mehr Panorama-News

Der Brief, der am nächsten Tag ankommt – wie der jetzige Standardbrief – solle dann teurer werden. "Es könnte einen Prio-Brief geben, der am Tag nach dem Briefeinwurf beim Adressaten ist, und einen Standardbrief, der erst nach drei Tagen ankommt", sagte die Post-Managerin Nikola Hagleitner der "Welt am Sonntag". Der Preis für den Prio-Brief "müsste höher liegen als das aktuelle Porto".

Die Bundesregierung arbeitet offenbar bereits an einem größeren Plan, das Post-Gesetz zu ändern, wie der "Business Insider" berichtet. Darin gibt es Überlegungen, die Zustellzeiten anzupassen. Demnach könnte das Gesetz dahingehend geändert werden, dass nicht mehr wie bisher 80 Prozent der Standardbriefe am nächsten Tag zugestellt werden müssen.

Beschwerden haben massiv zugenommen

Dass es Reformbedarf bei der Post gibt, sagt auch Klaus Gettwart vom Deutschen Verband für Post, Informationstechnologie und Telekommunikation (DVPT). "Die Qualität im Netz der Deutschen Post AG hat in den letzten Jahren deutlich abgenommen", sagt Gettwart. Sein Verband betreibt seit vier Jahren eigene Laufzeit-Messungen im Geschäftskundenbereich. Diese ergäben immer wieder eine spürbare "Unzuverlässigkeit im Netz".

Die Qualität der Briefzustellung in Deutschland – und das betreffe auch die privaten Konkurrenten der Post – dürfe nicht so stark schwanken, sagt Gettwart. So hätten interne Messungen teilweise Laufzeitschwankungen über mehrere Monate ergeben, in denen Briefe bis zu zwei Wochen später angekommen seien. Dies mache sich in bestimmten Monaten, Zustellstrecken oder Regionen besonders bemerkbar.

Für den Privatpostverkehr gibt es ebenfalls Zahlen zur Zuverlässigkeit der Zustellung, die von der Bundesnetzagentur veröffentlicht werden. Lag die Quote bei den Briefen, die am nächsten Tag zugestellt sein sollen, im Jahr 2012 noch bei 92,3 Prozent, sank sie mit Schwankungen bis zum Jahr 2022 auf 80,4 Prozent.

Auch die Beschwerden bei der Bundesnetzagentur über die mangelnde Zustellung von Briefen und Paketen haben zugenommen. Waren es in den Jahren zuvor weniger als 20.000 pro Jahr, erfasste die Bundesbehörde allein im Jahr 2022 43.125 Beschwerden, wie eine Sprecherin der Behörde mitteilte. In diesem Jahr sind bis Ende September schon rund 26.000 Eingaben gemeldet. Knapp mehr als die Hälfte davon betreffen den Briefbereich. 88 Prozent aller bisherigen Beschwerden im Jahr 2023 entfallen auf die Deutsche Post DHL, der Rest bezieht sich auf die privaten Wettbewerber.

"Letzte Meile" der Briefzustellung ursächlich für die meisten Verzögerungen

Der Verband für Post, Informationstechnologie und Telekommunikation plädiert dafür, dass die Bundesnetzagentur die Zustellung von Briefen enger überprüfen und bei Qualitätsproblemen Strafen aussprechen können müsse. Diese Qualitätskontrolle müsse dann auch für Geschäftsbriefe gelten, die immerhin 85 Prozent des gesamten Brieverkehrs in Deutschland ausmachten, sagt Gettwart. Denn eines dürfe nicht vergessen werden: Die Deutsche Post AG habe eine marktbeherrschende Quasi-Monopolstellung, denn der Wettbewerb habe nach über 20 Jahren Liberalisierung lediglich 15 Prozent erreicht. So hoch nur liegt der Anteil der anderen Briefzusteller. "Da stimmt offensichtlich etwas nicht, was mit dem aktuell in Planung befindlichen Postgesetz verbessert werden muss", erklärt Gettwart.

"Die Deutsche Post AG hat einen gravierenden Qualitäts- und Personalmangel auf der letzten Meile."

Klaus Gettwart vom Deutschen Verband für Post, Informationstechnologie und Telekommunikation

Doch was sind die Gründe dafür, dass die Zuverlässigkeit bei der Zustellung immer weiter abgesunken ist und auch die Beschwerden von Bürgern immer weiter zunehmen? Dies liege laut Gettwart nicht an der Sortierung in Briefzentren, die hochprofessionell laufe, oder den Transporten zwischen den Zentren. "Es ist der Zustellbereich auf der letzten Meile, wo der Briefträger die Briefe austrägt. Und das liegt jetzt nicht an den Briefträgern." Vielmehr sei die Belastung der Mitarbeitenden dafür ausschlaggebend. Besonders in der Coronazeit habe sich die Deutsche Post von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern getrennt oder diese nicht ersetzt. Die Folgen davon spüre das Unternehmen nun. "Die Deutsche Post AG hat einen gravierenden Qualitäts- und Personalmangel auf der letzten Meile", sagt Gettwart.

Experte: Post hat nach wie vor "lukratives Geschäft"

Die Post will Kosten einsparen. Dies sei nötig, weil die von der Bundesnetzagentur berechneten Kosten und Entwicklungen der Briefmengen so nicht eingetreten seien, erklärte die Post schon vor einigen Monaten. Zusätzlich wirkten sich die gestiegene Inflation, höhere Energiepreise und der Tarifabschluss aus dem Jahr 2023 auf die Finanzsituation der Post aus, beklagte der Konzern.

Doch dies lässt Gettwart nicht so einfach gelten. "Dass die Deutsche Post aber jetzt jammert und sagt, wie schlecht es ihr derzeit geht, wie schlecht die Einnahmen im Briefbereich sind, das stimmt erst mal nicht." Die Post hätte auch in diesem Bereich noch immer ein "sehr lukratives und erfolgreiches Geschäft im grünen Bereich."

Hinzukomme nach Ansicht des Verbandschefs noch etwas anderes: Wenn die Post die Laufzeiten für Briefe verlängere, sei dies erst recht kostensenkend. Die Post könne dann die Touren besser zusammenfassen und die Laufzeiten flexibler gestalten. "Da ist nicht einzusehen, warum dann Kosten für die Folgetagzustellung von Briefen auf heutigem Niveau steigen sollen, wenn gleichzeitig kostensenkende Faktoren ins Spiel kommen." Gettwart schlägt auch gleich eine Alternative vor: So könnte auch der Brief, der am nächsten Tag zugestellt wird, im Preis gleich bleiben, aber der Preis für Briefe, die dann später zugestellt werden, gesenkt werden.

Zum Gesprächspartner:

  • Klaus Gettwart, Vorstand des Deutschen Verbandes für Post, Informationstechnologie und Telekommunikation (DVPT)

Verwendete Quellen:

JTI zertifiziert JTI zertifiziert

"So arbeitet die Redaktion" informiert Sie, wann und worüber wir berichten, wie wir mit Fehlern umgehen und woher unsere Inhalte stammen. Bei der Berichterstattung halten wir uns an die Richtlinien der Journalism Trust Initiative.