Vera Klima ist Musikerin und im achten Monat schwanger. Wie viele andere Künstler trifft auch sie die Coronakrise hart. Seit Mitte März versucht sie deshalb an finanzielle Hilfen zu kommen und erlebt dabei ihre ganz persönliche Odyssee. In einem Facebook-Post greift sie deshalb die Politik scharf an - und trifft dabei ganz offensichtlich einen Nerv.
Am 14. Mai erklärte Bayerns Ministerpräsident in einer seiner vielen Pressekonferenzen: "Wir lassen Kunst und Kultur nicht allein." Ein Satz, der bei Musikerin Vera Klima inzwischen einfach Ärger auslöst: "Ich fühle mich einfach nur komplett verarscht." Seit drei Monaten versucht sie, an die so viel gepriesenen finanziellen Hilfen für Künstler heranzukommen. Seit drei Monaten muss sie fast komplett auf ein Einkommen verzichten.
In einem Facebook-Post hat sich die schwangere Musikerin nun den Frust von der Seele geschrieben und dabei offenbar einen Nerv getroffen. Denn die Beschreibung ihrer Corona-Odyssee wurde bereits rund 12.500-mal geteilt (Stand: 26.05.2020). In den Kommentaren häufen sich die Beiträge ebenfalls betroffener Künstler.
"Am Anfang der Krise habe ich mir das alles angeschaut und mir gedacht, das klingt vielversprechend. Das klingt danach, dass wirklich an alle gedacht wird. Ich habe erstmal geglaubt, dass wirklich niemand allein gelassen wird", erzählt die Musikerin im Gespräch mit unserer Redaktion. Und zunächst sieht wirklich noch alles ganz rosig aus für Klima. Sie beantragt Soforthilfe und bekommt diese auch. Doch dann der Schock: Sie darf das Geld nur für Betriebskosten ausgeben. Bei Zuwiderhandlung droht Strafe. Schnell überweist Klima einen Großteil des Geldes zurück.
"Miete und Essen ... überschätzt"
Als Söder dann nach Wochen bangen Wartens wieder Hilfen für Künstler in Aussicht stellt, keimt erneut Hoffnung bei der Musikerin auf. Doch sie hat schon Soforthilfe bekommen und fällt daher wieder durchs Raster. "Miete und Essen ... überschätzt", schreibt sie bei Facebook vor Ironie triefend. Und dann kommt bei Klima ja auch noch die Baby-Erstaustattung dazu.
Dass sowohl die bayerische Landesregierung als auch die Bundesregierung immer wieder betonen, wie wichtig Kunst und Kultur doch seien und dass man Hilfen in Milliardenhöhe zur Verfügung stelle, ist in Klimas Augen nicht mehr als "Effekthascherei". In anderen Bereichen sei es schließlich auch möglich, dass Hilfe bei den Betroffenen ankomme.
Und die Gruppe der Betroffenen ist groß: In der Kultur- und Kreativbranche sind laut Bundesministerium für Energie und Wirtschaft rund 1,7 Millionen Menschen in Deutschland kernerwerbstätig. Damit steht sie in Sachen Beschäftigung noch vor der Automobilbranche. 2018 betrug der Anteil der Branche am deutschen Bruttoinlandsprodukt drei Prozent. Eigentlich müsste der Aufschrei der Branche noch viel größer sein, doch Klima hofft, dass sie durch ihren Post vielleicht auch dazu beiträgt, dass die Politik noch einmal aktiv wird: "Immerhin hat ja noch jeder Aufschrei eine Nachbesserung bewirkt", sagt sie.
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Politik erkennt die Tragweite nicht
Besonders frustriert die Musikerin im Moment, dass von der Politik die Tragweite für die Kulturbranche nicht beachtet wird. Der Zeitraum sei einfach so lange und es sei noch nicht absehbar, wann es wieder Konzerte geben könne. "Das ist das größte Problem", erklärt sie. "Es wird nicht erkannt, dass man für die Betroffenen einen langfristigen Plan braucht und nicht eine Hilfe für drei Monate."
Klima sagt, sie würde sich freuen, wenn Bayerns Ministerpräsident Söder zum Gespräch bereit wäre: "Ich würde ihm gerne erklären, dass die Sache mit den Hilfen ganz, ganz schief läuft und da totales Chaos drin ist. Und dass es völlig an der Lebenswirklichkeit von zum Beispiel Musikern vorbeigeht, Betriebskosten und private Kosten sich gegenseitig ausschließen zu lassen."
Dennoch ist es der Künstlerin wichtig, dass ihr Post nicht als Spendenaufruf verstanden wird. Sie nage nicht am Hungertuch. "Ich weise lediglich darauf hin, dass nahezu alle meine Kollegen seit März gezwungen sind, von ihren Ersparnissen zu leben."
Bislang hat sich aus der Politik nur die Grünen-Politikerin Sanne Kurz bei Klima gemeldet. Aber was nicht ist, kann ja noch werden.
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