- Viele Menschen fragen sich derzeit: Wie wird der kommende Corona-Winter?
- Welche Prognosen Experten für die nächsten Monate geben.
- Und was es mit der sogenannten "Allianz der Vernünftigen" auf sich hat.
15 Millionen Auffrischimpfungen für Risikopatienten bis Ende Dezember: Dafür spricht sich Andreas Gassen, der Chef der Kassenärztlichen Bundesvereinigung bei einer Pressekonferenz zum aktuellen Corona-Geschehen am Dienstag aus. Thomas Mertens, der Chef der Ständigen Impfkommission (Stiko) betont, wie wichtig dabei ein "geordnetes Vorgehen", etwa mit einem Einladeverfahren sei.
Die Stiko empfiehlt die sogenannte Booster-Impfung nach wie vor nur für Menschen ab 70, für Menschen mit geschwächtem Immunsystem, für Bewohner von Pflegeheimen, für Pflegepersonal und für medizinisches Personal mit direktem Kontakt zu Patienten. Auch Menschen, die den Impfstoff von Johnson & Johnson bekommen haben, können ihren Schutz mit einer Dosis mRNA-Impfstoff verbessern. Die Impfverordnung sieht die Möglichkeit zur Auffrischung aber grundsätzlich für alle Personengruppen vor, für die es zugelassene Impfstoffe gibt. Eine Empfehlung der Stiko für eine Booster-Impfung für alle gibt es derzeit nicht.
In den letzten Wochen sprachen sich aber verschiedene Stimmen für die dritte Impfung auch für jüngere Menschen aus. Auch ein Team um Mobilitätsforscher Kai Nagel von der TU Berlin schlug kürzlich vor, die Auffrischungsimpfungen auf alle Erwachsenen auszuweiten. Studien zufolge minderten die Booster das Risiko einer Übertragung des Erregers und könnten somit die Ausbreitung verhindern helfen, schreiben die Wissenschaftler in ihrem jüngsten Modus-COVID-Bericht. Auch Gesundheitsminister
Hohes Infektionsgeschehen: Experten erwarten keinen Rückgang
Generell erwarten Experten mit Blick auf das derzeitige Infektionsgeschehen keinen entspannten Herbst und Winter. "Wir haben anfangs vielleicht überschätzt, wie sehr man mit einer Impfquote von um die 70 Prozent die Ausbreitung des Virus stoppen kann", sagt Christine Falk, Präsidentin der Deutschen Gesellschaft für Immunologie (DGfI). "So wie wir zurzeit leben, also mit geöffneten Schulen, offenen Geschäften, wieder größeren Veranstaltungen und so weiter, verbreitet sich das Virus stark, vor allem unter den Ungeimpften. Wir müssen lernen, mit diesen hohen Zahlen umzugehen."
"Die derzeitige Entwicklung ist nicht überraschend und sie wird auch noch eine Weile so weitergehen", sagt auch Hajo Zeeb vom Leibniz-Institut für Präventionsforschung und Epidemiologie - BIPS. "Ich rechne damit, dass wir in den nächsten Wochen eine bundesweite Inzidenz von um die 200 erreichen werden. Sehr viel höher werden die Zahlen vermutlich aber nicht steigen, wenn wir Schutzmaßnahmen beibehalten."
Während sich Geimpfte in diesem Herbst und Winter sehr viel sicherer fühlen dürfen, wird sich die Situation auf den Intensivstationen vermutlich kaum von der im vergangenen Jahr unterscheiden. "Wir erwarten keinen Winter, der sich groß von den letzten zwei erlebten unterscheidet", sagte der Präsident der Intensivmediziner-Vereinigung, Gernot Marx, kürzlich dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND). Er gehe jedoch davon aus, dass alle Patientinnen und Patienten vollumfänglich versorgt werden könnten. "Aber es werden hierzu wieder Operationen abgesagt wie auch Pflegepersonal aus anderen Bereichen abgezogen werden müssen", bekräftigte er frühere Aussagen.
Druck auf Ungeimpfte steigt
Mit den steigenden Inzidenzen wächst der Druck vor allem auf die Ungeimpften, bei denen nach Angaben des Robert-Koch-Instituts (RKI) derzeit ein Großteil aller symptomatischen Neuinfektionen und Krankenhausaufnahmen verzeichnet wird. "Wir werden aber im Herbst und Winter auch bei den Geimpften wieder mehr Ansteckungen sehen, vor allem bei den älteren Menschen über 70 Jahren und bei denen mit bestimmten Vorerkrankungen", sagt Falk. Vor allem in diesen Gruppen müsse man mit einer steigenden Zahl an Krankenhauseinweisungen rechnen, wie auch Daten des RKI zeigten.
Gegen die Impfung sprechen die Infektionen unter Geimpften nicht, betonen Experten immer wieder. "Das Ziel bei der Impfstoffentwicklung war nicht in erster Linie, eine Immunantwort auszulösen, die vor jeglicher Infektion schützt", sagte kürzlich etwa Hendrik Streeck, Direktor des Virologie-Instituts der Universität Bonn. "Es ging immer im Kern um den Schutz vor schweren Verläufen." Wegen sogenannter Durchbruchsinfektionen könne man keinesfalls von einem Versagen der Impfstoffe sprechen.
Die "Allianz der Vernünftigen"
Um die Ausbreitung des Virus weitgehend einzudämmen, setzt Falk auf eine "Allianz der Vernünftigen": "Die gut 75 Prozent von Erwachsenen, die sich haben impfen lassen, die werden sich überlegen, wie man sich jetzt am besten schützen kann. Man sollte die Power dieser Gruppe nicht unterschätzen."
Konkret gehe es darum, trotz Impfung sein Verhalten ähnlich wie im vergangenen Herbst anzupassen, also die Hygiene- und Abstandsregeln einzuhalten, Maske zu tragen und Innenräume regelmäßig zu lüften. "Darüber hinaus sind Tests weiterhin ganz wichtig, um die Ausbreitung des Virus und das Risiko einer Ansteckung zu senken", betont Falk. Geimpfte sollten etwa einen Antigen-Schnelltest machen, bevor sie sich in größeren Gruppen treffen. Auch bei vermeintlich harmlosen Schnupfen- oder Erkältungssymptomen könne ein Test etwas mehr Sicherheit geben.
Dass die Impfquote in den kommenden Herbstwochen noch entscheidend steigen wird, glauben Experten eher nicht. "Ohne die Einführung einer Impfpflicht sehe ich da keine größeren Sprünge", sagt Zeeb. Dennoch sei es wichtig, möglichst niedrigschwellige Impfangebote ohne Barrieren anzubieten, das könne noch einige Prozent bei der Impfquote herausholen.
Eine weitgehende Stagnation der Impfquote legen auch die Ergebnisse einer kürzlich veröffentlichten Forsa-Erhebung im Auftrag des Bundesgesundheitsministeriums nahe. Demnach wollen sich neun von zehn Menschen in Deutschland, die noch keine Corona-Impfung erhalten haben, auch in nächster Zeit nicht impfen lassen. Zweifel an der Sicherheit der Impfstoffe, Angst vor Nebenwirkungen oder auch grundsätzlich die Ablehnung des großen Drucks auf Ungeimpfte werden als Gründe genannt. (dpa/tar)
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