Durch soziale Netzwerke und Messenger-Dienste geistert das Bild eines Schreibens, das angeblich vom Bundesgesundheitsministerium stamme: Darin werden Strafen für Eltern vorgeschlagen, die ihre Kinder nicht gegen COVID-19 impfen lassen wollen. Doch das Papier ist nach Recherchen von CORRECTIV.Faktencheck eine Fälschung.

Diese Kolumne stellt die Sicht von CORRECTIV.Faktencheck - Fakten für die Demokratie und Steffen Kutzner dar. Informieren Sie sich, wie unsere Redaktion mit Meinungen in Texten umgeht.

250 Euro Bußgeld, 30 Tage Zwangshaft und "Inobhutnahme des Kindes oder Jugendlichen durch das Jugendamt mit anschließender Durchführung der Impfung" – das sind einige der Strafmaßnahmen, die in einem gefälschten Diskussionspapier aufgeführt werden, das angeblich vom Bundesgesundheitsministerium stamme. Diese Maßnahmen sollten, so wird es mit der Fälschung suggeriert, gegen Eltern eingesetzt werden, die ihre Kinder nicht gegen COVID-19 impfen lassen wollen, sobald ein Impfstoff für Kinder verfügbar ist.

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Auf den ersten Blick wirkt das Diskussionspapier "zur internen Verwendung" echt; besonders der offizielle Briefkopf erweckt den Eindruck von Authentizität. Bei genauerem Hinsehen fallen jedoch mehrere Fehler auf, die auf die Fälschung hinweisen. Auch das Gesundheitsministerium selbst erklärte gegenüber CORRECTIV.Faktencheck: Das Papier ist nicht echt.

Bundesgesundheitsministerium: Gefälschtes Diskussionspapier zu vermeintlicher Impfpflicht von Kindern

Die Faktenchecker von Mimikama haben bereits in einem Artikel vom 25. Mai mehrere Ungereimtheiten des Schreibens dargelegt, unter anderem die vielen Tipp- und Rechtschreibfehler. So liest man in dem Papier unter anderem über die "Mitglieder des Gesundheitsausschuss" statt "Mitglieder des Gesundheitsausschusses". Es kommen auch doppelte Leerzeichen und fehlende Kommas vor. Das Wort "bezüglich" wird einmal mit "bzgl." und einmal mit "bezgl." abgekürzt, was in einem offiziellen Papier, selbst zur internen Verwendung, wohl nicht der Fall wäre.

Ein weiterer deutlicher Hinweis ist die falsche Bezeichnung des Ausschusses: Der zuständige Ausschuss im Bundestag heißt nicht "Gesundheitsausschuss", wie in dem Schreiben steht, sondern Ausschuss für Gesundheit. Die nächste Tagung findet auch nicht am 1. Juni statt, wie in dem Papier behauptet wird, sondern am 27. Mai und 7. Juni, wie aus dem Terminplan auf der Webseite des Ausschusses hervorgeht. Die Bezeichnung Gesundheitsausschuss wäre richtig, wenn es um den Bundesrat ginge – aber auch der tagt nicht am 1. Juni, wie aus der Webseite hervorgeht.

Coronavirus: Stiko gibt wohl keine Impfempfehlung für Kinder

In der Diskussion um die mögliche Impfung von Kindern und Jugendlichen gegen das Coronavirus tendiert die Ständige Impfkommission (Stiko) einem Bericht zufolge dazu, von einer generellen Impfempfehlung abzusehen.

"Eindeutig Fake News", erklärt ein Sprecher des Gesundheitsministeriums

Wir haben dem Bundesgesundheitsministerium eine Anfrage geschickt, was es mit dem Schreiben auf sich hat. Ein Referent antwortet uns am 25. Mai, dass bisher nicht bekannt ist, woher dieses Schreiben komme. Es handele sich aber "eindeutig um Fake News". Außerdem werde es keine Ausschusssitzung zur Impfpflicht geben, da eine solche gar nicht geplant sei.

Dafür, dass es sich um eine Fälschung handelt, spricht neben den vielen Fehlern auch, dass ein solches Diskussionspapier üblicherweise einen Verfasser oder Ansprechpartner benennt. Wie uns der Referent des Ministeriums erklärt: "Das Allermindeste wäre ein Hinweis auf das zuständige Fachreferat". In dem verbreiteten Schreiben wird jedoch kein Fachreferat genannt. Der Referent ist seit 1999 tätig, habe jedoch "ein so gestaltetes Papier noch nie gesehen".

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