Großbritannien fürchtet sich vor einer zweiten Coronavirus-Welle. Daher hat Regierungschef Boris Johnson jetzt eingegriffen und ist bei versprochenen Lockerungen im Landesteil England zurückgerudert. Doch wie verhalten sich die Bürger?

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Der britische Premierminister Boris Johnson hat weitere Lockerungsmaßnahmen in der Corona-Krise für ganz England gestoppt. "Es ist Zeit, auf die Bremse zu treten", sagte Johnson am Freitag in London, nachdem die Coronavirus-Infektionen vielerorts gestiegen waren. Im Norden wurden die Maßnahmen sogar verschärft.

Engländer stürmen bei bestem Wetter die Strände

Die Urlauber im Süden des Landesteils scherte das alles wenig: Bei bestem Wetter stürmten sie mit Kind und Kegel die Strände. Die Züge waren überfüllt und die Polizei versuchte, ein Chaos zu vermeiden.

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Boris Johnson geht mit gutem Beispiel voran: Die Briten sollen zum Selbstschutz abnehmen

Die britische Regierung plant, Millionen Pfund in eine Kampagne gegen die Pfunde zu investieren. 63 Prozent der Bevölkerung schleppe zuviel Körpergewicht mit sich herum. Dieser Faktor begünstigt im Infektionsfall einen schlimmeren Verlauf von COVID-19.

Die für den 1. August geplanten Wiedereröffnungen von Kasinos, Bowlingbahnen und Eislaufhallen werden laut Johnson für mindestens zwei Wochen auf Eis gelegt. Die Zulassung von mehr Fans bei einigen Sportveranstaltungen wurde ebenso gestoppt wie eine Wiederzulassung von Hochzeitsfeiern mit maximal 30 Teilnehmern. Darüber hinaus wird die bisher für Geschäfte und öffentliche Verkehrsmittel geltende Maskenpflicht ab dem 8. August auf Museen, Kinos und Gotteshäuser ausgeweitet. Jeder Landesteil in Großbritannien entscheidet über seine eigenen Pandemie-Maßnahmen.

Kontaktbeschränkungen im Norden verschärft

Besonders hart traf es den Norden Englands: Bereits in der Nacht zum Freitag waren in einigen Regionen die Kontaktbeschränkungen dort verschärft worden. Betroffen sind vier Millionen Menschen im Großraum Manchester sowie Teile von West Yorkshire und East Lancashire. Man habe schnell handeln müssen, sagte Gesundheitsminister Matt Hancock.

In den betroffenen Regionen dürfen sich Mitglieder verschiedener Haushalte nicht mehr in Innenräumen und Privatgärten treffen. Sie dürfen auch nicht mehr gemeinsam Pubs und Restaurants besuchen. Die Maßnahmen gelten ebenfalls für die weiter südlich gelegene Stadt Leicester. Einige andere Einschränkungen dort werden aufgehoben.

Hancock: Maßnahmen nicht getroffen, um islamische Feierlichkeiten zu unterbinden

Hancock führte die verstärkte Ausbreitung des Virus auf Nachlässigkeit bei der Einhaltung der Abstandsregeln zurück. Die Regierung handle "schweren Herzens", schrieb er auf Twitter. "Aber wir können einen Anstieg von Covid-Fällen in ganz Europa sehen und sind entschlossen, alles Nötige zu tun, um die Menschen zu schützen."

Die Maßnahmen seien nicht getroffen worden, um gezielt die Feierlichkeiten beim islamischen Opferfest Eid al-Adha in Nordengland zu unterbinden, betonte Hancock auf Nachfragen in Interviews.

Johnson warnt vor zweiter Welle

Kurz zuvor hatte Premierminister Boris Johnson vor einer zweiten Coronavirus-Welle in Großbritannien gewarnt. In bis zu 30 Gebieten stiegen die Infektionszahlen "ein bisschen" an, sagte Johnson am Donnerstag bei einem Besuch im nordenglischen North Yorkshire.

Mehrfach verwies Johnson auf andere europäische Länder, in denen es Signale für eine zweite Ausbruchswelle gebe. Doch Großbritannien ist in Europa am schlimmsten von der Pandemie betroffen: Bis Donnerstag wurden etwa 46.000 Todesfälle registriert. Es wird mit einer hohen Dunkelziffer gerechnet.

Nach Angaben des Statistikamts gab es zwischen dem 20. und dem 26. Juli durchschnittlich 4.200 Neuinfektionen am Tag. In der Woche davor waren es im Schnitt 2.800 täglich. Der Regierung wird vorgeworfen, zu spät und falsch auf die Corona-Krise reagiert zu haben.

Überfüllte Strände, Straßenpartys, große Beerdigungen, Andrang bei Sehenswürdigkeiten - viele Menschen in Großbritannien befolgen die Ausgangsbeschränkungen nicht. Eine zweite Coronavirus-Welle ab Herbst könnte besonders dramatisch ausfallen, da sich das Virus in geschlossenen Räumen schneller verbreiten kann. Eine Grippewelle könnte die Lage verschärfen. Dann droht, so fürchten Experten, ein Kollaps des ohnehin schon maroden staatlichen Gesundheitssystems. (mgb/dpa/afp)

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