Remdesivir verkürzt die Dauer der Behandlung von COVID-19-Patienten um durchschnittlich 30 Prozent. Die USA haben sich den Löwenanteil der Produktion dieses Sommers gesichert.

Mehr aktuelle Informationen zum Coronavirus finden Sie hier

"Präsident Trump hat einen fantastischen Deal ausgehandelt, damit Amerikaner Zugang zum ersten zugelassenen COVID-19-Medikament haben", wird ein Sprecher des US-Gesundheitsministeriums am Montag in einer Mitteilung der Behörde zitiert. Wirkstoff-Dosen für insgesamt 500.000 Behandlungen seien beim Hersteller Gilead gekauft worden: die gesamte Produktion für Juli und jeweils 90 Prozent für August und September. Bleibt da noch was übrig für den Rest der Welt?

Für die internationale Staatengemeinschaft ist die Nachricht von Trumps Großeinkauf ein Schlag ins Gesicht. Denn Trumps jüngster Schachzug könnte schwerwiegende Folgen für ernsthaft kranke Corona-Patienten weltweit haben.

Der Krankheitsverlauf von COVID-19 werde nämlich durch das ursprünglich gegen Ebola entwickelte Medikament Remdesivir um durchschnittlich etwa 30 Prozent verkürzt, sagte Privatdozent Dr. Christoph Spinner im Gespräch mit unserer Redaktion.

Der Oberarzt der Infektiologie am Klinikum rechts der Isar der Technischen Universität München (MIR) hat schon früh während der ersten Ausbruchswelle Patienten im Rahmen klinischer Studien mit dem Mittel behandelt.

Remdesivir kann als bisher einziges Medikament Auswirkungen von Corona-Infektionen lindern und verkürzen

"Ganz einfach ausgedrückt, wird die Vermehrung der Corona-Viren durch das Medikament unterbunden", erklärt der Mediziner die Wirkungsweise von Remdesivir. "Es ist bislang das einzige in Zulassung befindliche Medikament, das in kontrollierten Studien nachgewiesenermaßen die Behandlung von COVID-19-Patienten im Krankenhaus verkürzen kann", sagte Spinner. Inzwischen hat die EU-Kommission die Zulassung für den europäischen Markt unter Auflagen erteilt.

Laut einer US-amerikanischen Studie müssten schwer kranke Patienten, die mit dem Wirkstoff behandelt werden, im Schnitt nur elf statt 15 Tage im Krankenhaus bleiben. Eine weitere Studie, an der Spinner und seine Kollegen vom MIR beteiligt waren, zeigte, dass der Einsatz des Medikaments über fünf Tage statt der ursprünglich üblichen zehn ausreiche. "Das spielt natürlich gerade jetzt, wo Arzneimittel knapp werden, eine wichtige Rolle", so der Infektiologe.

In Deutschland ist die Versorgung mit Remdesivir für die kommenden Wochen gesichert

In Deutschland müssen sich Patienten vorerst keine Sorgen machen: Das Medikament sei frühzeitig für die Therapie von Corona-Patienten gesichert worden, erklärte ein Sprecher des Bundesgesundheitsministeriums am Mittwoch.

Auch Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) stellte nochmal gegenüber dem ZDF Morgenmagazin am Donnerstag klar, er sehe den Bedarf für die kommenden Wochen in Deutschland gesichert. Entsprechende Reserven seien in der Zentralapotheke des Bundes vorhanden. Aber er erwarte vom Pharmakonzern Gilead Sciences trotzdem, "dass Deutschland und Europa versorgt werden, wenn es um ein solches Medikament geht."

Die USA haben momentan einen höheren Bedarf an dem Corona-Medikament

Laut aktuellen Zahlen der John Hopkins Universität sind in den Vereinigten Staaten schon über 128.000 Menschen aufgrund des Corona-Virus gestorben. Damit sind die USA momentan weltweit trauriger Spitzenreiter, was die Todesopfer angeht. Und auch die Neuinfektionen sind dort nicht unter Kontrolle.

Über die aktuelle Situation in Deutschland sagte Oberarzt Spinner aus München: "Wir haben momentan nur wenige Fälle, und ein geringer Teil davon ist im Krankenhaus." Der Bedarf an Remdesivir hierzulande sei derzeit entsprechend deutlich geringer als in den USA.

Damit Patienten in Entwicklungsländern auch Zugang zu Remdesivir zu niedrigen Preisen haben können, ist der Hersteller nach eigenen Angaben schon in Verhandlungen mit Pharmaunternehmen, die Generika, also günstigere Nachahmerprodukte des Wirkstoffs, herstellen können.

Großeinkauf der USA zum Nachteil anderer Länder: ein "sehr unfreundlicher Akt"

Auch wenn es so aussieht, als sei die Versorgung mit dem Präparat im Moment weltweit gesichert, sorgt die politische Botschaft, die die US-Regierung um Präsident Trump mit dem Großeinkauf an den Rest der Welt sendet, für Unmut. Einen "sehr unfreundlichen Akt" nannte SPD-Gesundheitspolitiker Karl Lauterbach die Aktion im Deutschlandfunk am Donnerstag. Beim Thema Impfstoff dürfe sowas künftig nicht nochmal passieren, so Lauterbach.

Besonders stark von COVID-19 betroffene Länder müssten dann auch zuerst bedient werden. Immerhin sei die EU auf einem guten Weg der geplanten Zusammenarbeit. So könne man der Marktmacht der USA entgegenwirken, sagte der Gesundheitspolitiker gegenüber dem Radiosender.

Über den Experten:
Dr. med. Christoph Spinner ist seit 2017 Oberarzt am Klinikum rechts der Isar und seit 2019 Chief Medical Information Officer (CMIO). Zudem ist er Mitglied der Deutschen Gesellschaft für Infektiologie.

Verwendete Quellen:

  • Pressemitteilung HHS: Trump Administration Secures New Supplies of Remdesivir for the United States (29.06.2020)
  • ZDF: Morgenmagazin, 02.07.20
  • Pressemitteilung Gilead Sciences, 29.06.2020
  • John Hopkins Universität, 02.07.2020
  • dpa
JTI zertifiziert JTI zertifiziert

"So arbeitet die Redaktion" informiert Sie, wann und worüber wir berichten, wie wir mit Fehlern umgehen und woher unsere Inhalte stammen. Bei der Berichterstattung halten wir uns an die Richtlinien der Journalism Trust Initiative.