Fernsehkoch Tim Mälzer war am Montagabend wieder im Dienste des Verbrauchers unterwegs. Seine Mission diesmal: Wie bekommt man gutes Essen für wenig Geld? Man muss "vom Opfer zum Aktivisten" werden - aber das ist gar nicht so schwer.

Christian Vock
Eine Kritik
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Ausgelaugte Böden, Erzeuger in der Existenzkrise, gequälte Tiere, ungesundes Essen, unfaire Arbeitsbedingungen, Verlust der Artenvielfalt, lange Transportwege – die Gründe, warum man seine Ernährungsgewohnheiten ändern sollte, sind ebenso zahlreich wie drängend.

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Fernsehkoch Tim Mälzer geht in seinem fünfteiligen "Lebensmittel-Check" genau diesen Gründen nach. In der vergangenen Woche nahm Mälzer die Regionalität von Nahrungsmitteln unter die Lupe.

Gestern Abend nun drehte sich alles um den Preis, denn unsere Lebensmittel sind - wie Mälzer gestern feststellte - extrem billig.

Während man 1980 noch 25 Prozent seines Nettoeinkommens für Lebensmittel ausgab, seien es heute nur noch 10 Prozent, rechnete Mälzer vor.

Bei so einem Unterschied dämmert es dem Fernsehkoch, dass wohl andere den Preis für unsere billigen Lebensmittel zahlen.

Bio mit Hartz IV – geht das?

Also wagt Mälzer eine neues Experiment mit einer fünfköpfigen Familie. Diese soll sich ausschließlich mit Bio-Lebensmitteln ernähren und zwar mit einem "Budget, das Hartz IV entspricht". In Zahlen bedeutet das: "Werden fünf Personen für 155 Euro in der Woche satt?"

Gleichzeitig setzt Mälzer in seinem neuen Restaurant sein eigenes Experiment fort, das er bereits in der Auftaktfolge begann. Er möchte nur noch Lebensmittel verwenden, deren Herkunft er zurückverfolgen kann und bei denen die Erzeuger faire Preise bekommen.

Dass mit den niedrigen Preisen, die wir bei Edeka, Aldi und Co. zahlen, irgendetwas nicht stimmen kann, dämmert Mälzer nämlich spätestens, als er die Preise von verschiedene Supermarktketten miteinander vergleicht.

Obwohl es bei Lebensmitteln, anders als beispielsweise bei Büchern, keine Preisbindung gibt, kosten Milch und Butter in verschiedenen Supermärkten auf den Cent genau gleich viel. Zufall?

Und schon macht sich Mälzer auf die Spur der billigen Preise. Die führt ihn zu einem Kartoffelbauer, zu einem Startup, das aussortierte Lebensmittel verkauft, zu Direktvermarktern oder einem Bioanbauverband.

Wer zahlt wirklich den Preis für billige Lebensmittel?

Was Mälzer bei seiner Suche entdeckt, ist zwar nicht wirklich neu, aber deswegen nicht weniger besorgniserregend. Zum Beispiel die Markmacht der Lebensmitteleinzelhändler.

So teilen die vier großen Handelsketten alleine 75 Prozent des Marktes unter sich auf, was einen großen Druck auf Bauern und Hersteller erzeugt, wie man gestern Abend erfährt.

Nach den Handelsketten knöpft sich Mälzer die konventionelle Landwirtschaft vor und lässt sich von Gerald Wehde, dem Pressesprecher von Bioland, auflisten, wie der niedrige Preis konventioneller Lebensmittel zustande kommt.

Da sind zum einen die EU-Subventionen aus Steuergeldern. Da diese Subventionen aber über die Fläche berechnet werden, fördern die Steuerzahler mit diesem Geld nicht etwa Kleinbauern, sondern die großen Agrarbetriebe.

Andere Kosten sind dagegen etwas versteckter. So zahlt man beispielsweise die Überdüngung der Felder über seine Wasserrechnung, denn das Nitrat belastete Wasser muss teuer gereinigt werden.

Auch wenn die vielen weiteren Kosten konventioneller Landwirtschaft wie die durch Bodenerosionen, Monokulturen, Ressourcenverbrauch oder durch den enormen CO2-Ausstoß gestern Abend nicht auch noch erwähnt wurden, war die Botschaft klar: Menschen, die konventionelle Lebensmittel kaufen, freuen sich an der Kasse, den Preis dafür zahlen aber alle – auch die, die nur Bio-Essen kaufen.

Ja, bio und billig passt zusammen

Auch wenn der gestrige Blick hinter die Kulissen der Billig-Essen-Industrie ein trister ist, ist der Blick in die Zukunft ein hoffnungsvoller – oder kann es zumindest sein. Denn Mälzer zeigte gestern Abend, dass es auch anders geht.

Die Test-Familie jedenfalls kam, auch dank vieler Tipps von Mälzer, mit ihrem Bio-Budget bestens zurecht. Das A und O dabei ist eine sorgfältige Planung, dank der man beispielsweise Lebensmittel mehrfach verwertet. Statt sich den gebratenen Hähnchenschenkel einfach in den Mund zu stopfen, lassen sich daraus gleich mehrere Mahlzeiten machen: Frikassee, Brühe und am Ende noch eine Suppe.

Außerdem lassen sich Bio-Lebensmittel oft auch direkt beim Erzeuger beziehen, was bessere Preise für Bauern und Konsumenten bedeutet. Von so vielen Alternativen inspiriert, ist sich Mälzer sicher, diesen Weg auch in seinem neuen Restaurant zu gehen: "Es wird ein Weg der kleinen Schritte und Rückschläge, aber es wird machbar sein. Wenn wir uns in einem Jahr hier wiedertreffen, hat sich eine Menge bewegt."

Natürlich ist auch diesmal eine Dreiviertelstunde zu kurz, um sich dem Thema in aller Ausführlichkeit zu widmen und vor heiklen Fragen, wie zum Beispiel der, ob man überhaupt Fleisch essen muss, drückt sich Mälzer herum.

Trotzdem ist auch die gestrige Folge des Lebensmittel-Checks gar nicht hoch genug einzuschätzen, ganz unabhängig von den vielen Hintergrundinformationen. Denn Journalistin und Regisseurin Tanja von Ungern Sternberg macht mit dieser Serie Mut, uns die Mündigkeit über unsere Ernährung wieder zurückzuholen.

Oder, wie es Tim Mälzer gestern formulierte: "Wir müssen vom Opfer zum Aktivisten werden."

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