- Vitamin D wird im Körper durch Einwirkung von Sonnenlicht gebildet, schützt die Knochen und spielt eine Rolle für das Immunsystem.
- Forscher schreiben nun, dass es auch die Schwere einer COVID-19-Erkrankung beeinflussen könnte.
- Sollte nun jeder seinen Vitamin-D-Status checken lassen?
Ernährungswissenschaftler der Universität Hohenheim vermuten, dass ein Vitamin-D-Mangel den Verlauf einer COVID-19-Erkrankung verschlechtern könnte. Für eine Übersichtsarbeit betrachteten sie 30 Studien mit insgesamt 53.000 COVID-19-Patienten und schließen daraus, dass ein Defizit von Vitamin D den Schweregrad und die Sterblichkeit bei COVID-19-Erkrankungen beeinflussen könnte. Insbesondere dann, wenn Patienten aufgrund von Grunderkrankungen wie Bluthochdruck, Diabetes, Herzerkrankungen oder Übergewicht ohnehin der Risikogruppe angehören.
"Gerade diese Erkrankungen sind oft mit einem Vitamin-D-Mangel verbunden. Das hat Konsequenzen auf den Verlauf der COVID-19-Erkrankung", so Professor Hans-Konrad Biesalski von der Universität Hohenheim. Auch in der Studie eines spanischen Forscherteams wiesen 80 Prozent der untersuchten COVID-Patienten ein Vitamin-D-Defizit auf.
Biesalski weist auf die für das Immunsystem entscheidende Rolle des Vitamins hin: Es reguliere dieses und im Falle einer Infektion steige ohne eine ausreichende Versorgung die Wahrscheinlichkeit von entzündlichen Prozessen im Körper. Heilen könne das Sonnenvitamin die Erkrankung aber keinesfalls.
Für Professor Dr. Peter Stehle vom Institut für Ernährungs- und Lebensmittelwissenschaften der Universität Bonn sind die Ergebnisse der Hohenheimer Studie nicht überraschend. "Für den Verlauf von viralen Erkrankungen, ob das jetzt Grippe oder COVID ist, ist eine Mangelernährung schlecht", sagt er.
Der Status an Vitaminen und Mikronährstoffen sollte bei Menschen mit schweren viralen Erkrankungen generell überprüft werden. "Wenn die Vitamine und Mineralstoffe fehlen, hat der Körper größere Probleme, Heilungsprozesse umzusetzen."
Studienlage zu COVID-19 und Vitamin D nicht belastbar
Insgesamt ist die Studienlage zum Thema COVID-19 und Vitamin D allerdings zu dünn, um darüber hinausgehende Aussagen treffen zu können. "Es gibt keine wissenschaftlichen Studien, die eine positive Wirkung von Vitamin D auf den Verlauf von COVID-19 beweisen", sagt Professor Helmut Schatz, Vitamin-D-Experte der Deutschen Gesellschaft für Endokrinologie.
"Es gibt einige Assoziationsstudien, die zeigen, dass der Vitamin-D-Spiegel bei COVID-19-Erkrankten niedrig ist. Dies beweist aber keine Kausalität", so Schatz. "Dafür braucht man nach allgemein wissenschaftlicher Ansicht randomisierte, plazebokontrollierte Studien, bei denen man prospektiv Vitamin D und ein Scheinmedikament, ein Placebo, gibt und beobachtet, was passiert."
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Die etwa in den sozialen Medien verbreitete Idee, die Einnahme von Vitamin D könnte das Risiko, schwer an COVID-19 zu erkranken reduzieren, sei wissenschaftlich nicht belegt. "Die Studie der Universität Hohenheim ist eine Literaturstudie. Darin wurden 30 Untersuchungen beobachtet und daraus die Ableitung getroffen: Wenn Sie Patienten mit COVID-19 analysieren, ist der Vitamin-D-Spiegel häufig niedrig. Das sagt aber keinesfalls, dass Menschen, die gesund sind und einen geringen Vitamin-D-Spiegel haben, ein höheres Risiko für eine Erkrankung mit COVID-19 tragen", erklärt Stehle.
Risikogruppen sollten Arzt auf Vitamin D ansprechen
Ein schwerer Mangel an Vitamin D kann das Immunsystem allerdings negativ beeinflussen. Vorerkrankte und ältere Menschen sollten deshalb mit ihrem Arzt über das Thema sprechen. Insbesondere für Menschen in Pflegeheimen wird schon lange empfohlen, den Vitamin-D-Spiegel zu untersuchen.
Auch wer die für einen Mangel typischen, aber unspezifischen Symptome wie häufige Infekte, Gliederschmerzen oder Haarausfall hat, kann dies beim Praxisbesuch ansprechen. Gerade im Winter kann ein Mangel besonders schnell auftreten, da das Vitamin vom Körper durch die Einwirkung von Sonnenlicht gebildet wird.
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Ist die Bestimmung des Vitamin-D-Status aus medizinischer Sicht sinnvoll, wird Blut abgenommen. Im Labor wird das Blutserum auf das sogenannte 25-Hydroxyvitamin D untersucht. Weist der Arzt die Analyse als medizinisch notwendig an, werden die Kosten von der gesetzlichen Krankenkasse übernommen. Ergibt sich aus der Laboruntersuchung ein Vitamin-D-Mangel, entscheidet der Arzt, was zu tun ist. Er kann etwa Vitamin-D-Präparate in angemessener Dosierung verschreiben.
Hochdosiertes Vitamin-D besser nicht auf Verdacht einnehmen
Eine Unterversorgung mit dem "Sonnenvitamin" besteht nach Angaben von DGE und BfR ab einem Wert von weniger als 30 Nanomol pro Liter Serum (30 nmol/l). Ein schwerer Mangel tritt bei 20 nmol/l ein. Als für die Knochengesundheit gut wird hingegen eine Blutkonzentration von mindestens 50 Nanomol pro Liter Serum bewertet. Wird diese Menge über die körpereigene Vitamin-D-Bildung nicht erreicht, wird eine entsprechende Zufuhr von Vitamin D empfohlen.
Besonders bei hochdosierten Präparaten ist allerdings Vorsicht geboten, da es zu einer Überversorgung kommen kann. Sie beginnt spätestens ab einem Wert von 400 nmol/l. Die Kalziumaufnahme im Darm wird dann gesteigert. In der Folge kann es zu Nierensteinen kommen.
Im schlimmsten Fall drohen Vergiftungserscheinungen, so das RKI. Symptome sind Übelkeit, Appetitlosigkeit und Erbrechen. In schweren Fällen können auch Nierenschädigungen die Folge sein. Da Vitamin D im Körper gespeichert wird, ist zudem eine schleichende Überdosierung möglich.
Die optimale Versorgung mit Vitamin D ist nur ein kleiner Teil, der zu einem gesunden Immunsystem beiträgt. Vielmehr sind eine gesunde Ernährung, regelmäßige Bewegung - möglichst im Freien und auch bei bedecktem Himmel -, der Verzicht auf Rauchen und Alkohol, ausreichender Schlaf und möglichst wenig Stress die Faktoren, die die Abwehrkräfte stärken.
Verwendete Quellen:
- Gespräch mit Prof. Dr. Peter Stehle vom Institut für Ernährungs- und Lebensmittelwissenschaften der Universität Bonn
- Gespräch mit Prof. Dr.Dr.h.c. Helmut Schatz, Vorstandsmitglied der Deutschen Gesellschaft für Endokrinologie, Direktor a.D. der Medizinischen Universitäts-Klinik Bergmannsheil der Ruhr-Universität Bochum
- Vitamin D Supplements and Prevention of Cancer and Cardiovascular Disease.
- Vitamin D deficiency and co-morbidities in COVID-19 patients – A fatal relationship?
- Over 80 percent of COVID-19 patients have vitamin D deficiency, study finds.
- Vitamin D supplementation to prevent acute respiratory infections: individual participant data meta-analysis
- Verbraucherzentrale: Coronavirus. Was können Nahrungsergänzungsmittel?
- Robert-Koch-Institut: Ist zu viel Vitamin D schädlich?
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