- Manche Menschen wollen sich absichtlich mit Corona anstecken, weil sie durch die Omikron-Variante auf einen milden Verlauf hoffen.
- Für Ungeimpfte besteht dabei allerdings ein besonders hohes Risiko. Zudem ist auch die Delta-Variante weiterhin verbreitet.
- Selbst bei einem milden Verlauf kann es zu Langzeitfolgen kommen.
Die Zahl der Neuinfektion mit dem Coronavirus steigt weiter an. Das liegt auch daran, dass sich die deutlich ansteckendere Omikron-Variante immer stärker ausbreitet. Insbesondere aus Südafrika sind relativ milde Verläufe mit dieser Variante bekannt. Für manche Menschen scheint es deshalb eine Option zu sein, sich nun absichtlich mit Corona zu infizieren, anstatt sich impfen zu lassen – eine gute Idee ist das allerdings nicht.
"Manche Menschen besuchen im Moment bewusst Leute, die an Corona erkrankt sind", berichtet Malik Böttcher. Der Allgemeinmediziner leitet das Impfzentrums am Krankenhaus Havelhöhe in Spandau. "Ich habe es auch schon erlebt, dass Personen mit einem milden Verlauf regelrecht bei anderen dafür werben, sich jetzt zu infizieren."
Auch die Delta-Variante kommt weiter vor
Einmal erkrankt, ein milder Verlauf und nun immun? Ganz so einfach und planbar funktioniert das leider nicht. "Zum einen sollte man sich sehr sicher sein, dass es sich tatsächlich um Omikron handelt – und nicht um die Deltavariante", sagt der Arzt. Das ist nämlich keinesfalls selbstverständlich: Auch wenn Omikron hierzulande auf dem Vormarsch ist, heißt das nicht, dass Infektionen mit der Deltavariante nicht mehr vorkommen.
Außerdem muss man bei einer Infektion unterscheiden zwischen Menschen, die gar nicht geimpft sind, und Menschen, die in der Vergangenheit bereits eine Grundimmunisierung erhalten haben. Für beide Gruppen ist eine Corona-Infektion nicht ohne Risiko – aber wer nicht geimpft ist, hat im Vergleich ein höheres Risiko für einen schweren Verlauf.
Auch milde Infektionen wirken sich aus
Und auch, wenn immer wieder die Rede von milden Verläufen bei Omikron ist: "Viele Menschen unterschätzen, welchen Einfluss eine Corona-Infektion auf den Körper hat", sagt Böttcher. Omikron scheint nach allem, was man bislang weiß, zwar das Lungengewebe weniger stark anzugreifen als etwa die Deltavariante.
"Doch auch eine Infektion mit Omikron kann Auswirkungen auf neuronales Gewebe haben und es kommt vor, dass die Herzfrequenz dauerhaft steigt und die Herzleistung abnimmt", sagt der Allgemeinmediziner. Außerdem besteht in der Folge der Infektion immer das Risiko, dass sich eine Herzmuskelentzündung entwickelt.
Daten aus Südafrika lassen sich nur bedingt übertragen
Unklar ist zudem, inwieweit sich die meist milden Verläufe aus Südafrika tatsächlich auf Europa übertragen lassen: Die Bevölkerung dort ist deutlich jünger als etwa in Deutschland, Österreich und der Schweiz – und ältere Menschen haben im Schnitt ein höheres Risiko für schwere Verläufe.
Da die Impfquote in Südafrika deutlich niedriger ist als in hierzulande (rund 27 Prozent gelten dort als vollständig geimpft), lässt sich darüber hinaus nicht ausschließen, dass viele Südafrikaner in der Vergangenheit bereits Kontakt mit dem Coronavirus hatten und deshalb nun einen milden Omikron-Verlauf hatten.
Verlauf ist noch nicht abzuschätzen
Wie sich die Situation in Mitteleuropa entwickeln wird, lässt sich noch nicht vollständig abschätzen, da die Infektionszahlen jetzt rapide ansteigen und Infizierte oft erst im weiteren Verlauf ihrer Erkrankung im Krankenhaus behandelt oder auf die Intensivstation verlegt werden.
"Wir beobachten bei Omikron bisher, dass sich Infektionen oft recht lange hinziehen", sagt Böttcher. "Viele Patienten können eine ganze Weile auf einer Normalstation mit Sauerstoff versorgt werden. Und nach vier Wochen müssen sie dann doch noch auf die Intensivstation verlegt werden."
Über Long COVID als Spätfolge ist erst wenig bekannt
Nicht vergessen sollte man außerdem, dass es auch bei einer milden Infektion Langzeitfolgen geben kann: Manchmal bleiben Symptome nach einer Corona-Infektion bestehen oder treten sogar neu auf. Das wird unter Long COVID zusammengefasst und intensiv erforscht. Zu diesen Symptomen zählen etwa eine starke Erschöpfung, Kopfschmerzen, Konzentrationsprobleme, Schlafstörungen und Ängste.
Weil Long COVID so neu ist, ist auch noch nicht klar, was Betroffenen wirklich hilft. "Das ist für uns Ärzte eine große Herausforderung", sagt Böttcher. "Wir möchten gern helfen – aber oft sind wir ratlos, weil wir in vielen Fällen noch gar wissen, welche Behandlung tatsächlich wirkt."
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Wer ungeimpft ist, ist nach einer Infektion womöglich nur bedingt immun
Unklar ist darüber hinaus auch, wie es um die weitere Immunität nach einer Infektion mit der Omikron-Variante bestellt ist. Eine kleine Studie aus Südafrika zeigt, dass Omikron-Infektionen (in allerdings insgesamt nur 15 untersuchten Fällen) dazu führten, dass auch die Zahl von Antikörpern anstieg, die gegen die Delta-Variante wirken – allerdings bei Geimpften im Schnitt deutlich stärker und verlässlicher als bei Ungeimpften.
"Fakt ist, dass wir hier schon Menschen gesehen haben, die eine Omikron-Infektion hatten und sich 14 Tage später mit Delta infiziert haben", sagt Böttcher. Auf eine verlässliche Immunität – insbesondere gegen weitere Varianten – sollten Ungeimpfte deshalb keinesfalls vertrauen. "Ich kann es auf gar keinen Fall empfehlen, sich jetzt absichtlich anzustecken", sagt der Allgemeinmediziner. "Die Risiken sind zu hoch und individuell kaum zu kalkulieren."
Verwendete Quellen:
- Gespräch mit Malik Böttcher, Allgemeinmediziner und Leiter des Impfzentrums am Krankenhaus Havelhöhe in Spandau.
- Robert Koch-Institut: Covid-19-Trends in Deutschland im Überblick
- Robert Koch-Institut: Tägliche Übersicht zu Omikron-Fällen vom 12. Januar 2022
- Max Kozlov: Omicron’s feeble attack on the lungs could make it less dangerous, in: Nature
- Dr. Manuel Siekmann: Corona in Zahlen, Südafrika
- Fabian Schmidt et. al: Plasma neutralization properties of the SARS-CoV-2 Omicron variant
- Deutsche Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin: S1-Leitlinie Post-COVID/Long COVID
- Alex Sigal et. al: Omicron infection enhances neutralizing immunity against the Delta variant
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