Das Mastzellaktivierungssyndrom – kurz MCAS - kann unterschiedlichste Symptome hervorrufen und ist schwer zu diagnostizieren. Eine Heilung ist bisher nicht möglich. Eine effektive Therapie besteht darin, Auslöser für die Aktivierung der Mastzellen zu finden und zu meiden.

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Kopfschmerzen, Verdauungsstörungen oder Hautreizungen – das Mastzellaktivierungssyndrom kann verschiedene Beschwerden an unterschiedlichen Stellen des Körpers auslösen.

Dabei handelt es sich nicht um ein klar definiertes Krankheitsbild, sondern um ein Syndrom. "Dieser Begriff beschreibt eine Anhäufung von Symptomen, die bei den betroffenen Patienten beobachtet werden", erklärt Ulrich Tappe, Facharzt für Innere Medizin und Vorsitzender des Berufsverbands für niedergelassene Gastroenterologen. "Damit wird jedoch noch keine Ursächlichkeit beschrieben."

Hyperaktive Immunzellen

Bei einem Mastzellaktivierungssyndrom – kurz MCAS – kommt es zur krankhaften Daueraktivierung von Mastzellen im Körper. "Mastzellen spielen eine wichtige Rolle bei der Immunabwehr", sagt Tappe. Sie gehören zu den weißen Blutkörperchen und befinden sich beispielsweise in Schleimhäuten, im Verdauungstrakt, in der Haut oder in den Atemwegen. "Bei bestimmten Auslösern setzen sie Botenstoffe frei und können auf diesem Wege Abwehrreaktionen einleiten und verstärken."

Gelangen Fremdkörper wie Bakterien oder Viren in den Körper, schütten die Mastzellen als Immunreaktion sogenannte Entzündungsmediatoren aus. Dazu zählt beispielsweise Histamin. Allergiker kennen diesen Botenstoff, da dieser auch bei allergischen Reaktionen ausgeschüttet wird und zu Niesen, Juckreiz oder Schnupfen führt.

Vielfältige Symptome bei MCAS

Liegt ein Mastzellaktivierungssyndrom vor, werden die Mastzellen nicht nur bei Immunreaktionen getriggert, sondern reagieren auch auf andere Reize oder sind sogar dauerhaft aktiv. Je nachdem, wo sich die gestörten Zellen im Körper angereichert haben und welche Botenstoffe sie abgeben, treten unterschiedliche Symptome auf.

Häufig beobachtet werden unter anderem Kopfschmerzen, Hautrötungen, Blutdruckabfall oder Verdauungsstörungen wie Durchfall oder Verstopfung. Dazu können Müdigkeit, Erschöpfung oder ein grippeähnliches Gefühl kommen.

Fragebogen hilft bei Diagnose

Für Ärzte ist der Nachweis des Mastzellaktivierungssyndroms schwierig. Die Symptome sind vielfältig und treten oftmals nur vorübergehend auf. Zudem können die Beschwerden auf eine Reihe anderer Erkrankungen hindeuten. Daher sind Differenzialdiagnosen, also Diagnosen mit ähnlichem Krankheitsbild, abzuklären.

Neben dem Ausschließen anderer Krankheiten, wie chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen oder Nahrungsmittelunverträglichkeiten, kommen Fragebögen zum Einsatz, wie sie beispielsweise die Universität Bonn herausgegeben hat. Hier können Patienten alle Beschwerden angeben, die sie belasten. "Wenn eine MCAS vermutet wird, erfolgt im nächsten Schritt eine Untersuchung von Urin und Blut", zeigt Tappe das weitere Vorgehen auf. "Die Laborwerte können beispielsweise Auskunft darüber geben, dass sich vermehrt Histamin im Körper befindet." Erhöhte Tryptase-Werte im Blut können ebenfalls auf eine Mastzellaktivierung hinweisen. In einigen Fällen sind weitere Untersuchungen wie Biopsien notwendig.

MCAS nicht mit Histaminintoleranz verwechseln

Beim Mastzellaktivierungssyndrom kommt es ebenso wie bei der Histaminintoleranz zu einer übermäßigen Belastung des Körpers durch Histamin. Die Symptome können daher ähnlich sein, die Ursachen und Behandlungsmöglichkeiten sind jedoch unterschiedlich.

Die Ursache für die Histaminintoleranz ist neusten Erkenntnissen zufolge ein sogenannter "Leaky Gut", eine löchrige Darmschleimhaut, die das Nahrungshistamin erst in den Körper gelangen lässt. Beim Mastzellaktivierungssyndrom hingegen produzieren die hyperaktiven Mastzellen zu viel von dem Botenstoff im Körper.

Auslöser finden und vermeiden

Mastzellen reagieren auf Fremdreize, zum Beispiel Infektionen, und setzen durch die Ausschüttung von Botenstoffen das Immunsystem in Gang. Bei MCAS reagieren die Zellen hypersensibel auf Reize und werden beispielsweise durch Umweltfaktoren, Stress oder bestimmte Lebensmittel getriggert. Medikamente können die Mastzellen stabilisieren und die Produktion der Botenstoffe einschränken. Antihistaminika hemmen darüber hinaus die Histaminwirkung im Körper.

Die effektivste Therapie bei MCAS besteht jedoch darin, die Auslöser der Mastzellaktivierung zu finden und zu meiden. "Die meisten meiner Patienten haben bereits eine Vielzahl sogenannter Auslassdiäten hinter sich", weiß Ernährungstherapeutin Vera Hille vom Berufsverband Oecotrophologie e.V., die in ihrer Praxis in Bad Soden unter anderem Patienten mit MCAS, mit Histaminintoleranz und mit Long Covid berät. "Je mehr Nahrungsmittel weggelassen werden, umso schwieriger ist eine ausgewogene Ernährung. Ohne diese leiden jedoch Immunsystem und Mikrobiom." Häufig sind jedoch gar nicht die Nahrungsmittel schuld.

Bei der Suche nach Auslösern hilft das Symptomtagebuch, das mindestens eine Woche lang geführt werden sollte. "Patienten notieren genau, was sie essen und welche Symptome auftreten", erklärt Hille. "Daraus lassen sich Ernährungsmuster ableiten, die wir im Laufe der Therapie verbessern, um das Mikrobiom zu stärken und die Verträglichkeit von Lebensmitteln zu erhöhen."

Eine wichtige Rolle spielen auch sogenannte Augmentationsfaktoren. "Bei Stress, Infektionen oder Einnahme bestimmter Medikamente kommt es bei den meisten Betroffenen häufiger zu körperlichen Reaktionen als in entspannten Situationen", betont Hille. "Therapieansätze wie Stressbewältigung sind daher wichtige Bestandteile bei MCAS." Das Ziel ist stets, die Beschwerden zu reduzieren und einen Lebensalltag mit möglichst wenigen Einschränkungen zu ermöglichen.

Covid-19 und die Mastzellen

Die Mastzellen werden bei jeder Art von Infektionen aktiviert. Auch bei Covid-19-Infektionen schütten sie je nach Schwere der Krankheit in einem hohen Ausmaß Entzündungsmediatoren aus. In der Regel geht die Aktivität nach der Genesung wieder auf das normale Niveau zurück.

Bei Betroffenen mit Long-Covid kann es hingegen dazu kommen, dass die Mastzellen langfristig aktiv bleiben und weiterhin Botenstoffe in großer Menge abgeben. Dies kann zu den Symptomen des MCAS führen. Ob Menschen mit einem MCAS vor der Covid-Infektion eher zu Long Covid neigen oder aber Long Covid als Folge eine MCAS haben kann, muss derzeit noch offen bleiben. An den genauen Zusammenhängen zwischen Long Covid und dem MCAS wird noch geforscht.

Wie bei MCAS kann auch die Ernährung bei Long Covid eine Rolle spielen. "Es wird vermutet, dass die Mitochondrien in den Zellen bei Long Covid gestört sind", erklärt die Ernährungstherapeutin. Diese "Kraftwerke" stellen dem Körper Energie bereit. Sind sie geschädigt, steht nicht nur Gehirn und Muskulatur, sondern auch dem Verdauungsapparat zu wenig Energie zur Verfügung. Die Folge können parallel zum Erschöpfungssyndrom auch Reizdarmbeschwerden, Übelkeit und Schmerzen sein. Über eine angepasste Ernährung mit vielen kleinen kohlenhydrathaltigen Mahlzeiten mit angepasstem Kohlenhydratgehalt kann die Energiebereitstellung im Körper verbessert werden.

Die Informationen in diesem Artikel ersetzen keine persönliche Beratung und Behandlung durch eine Ärztin oder einen Arzt.

Über die Gesprächspartner

  • Dr. Ulrich Tappe ist Facharzt für Innere Medizin und Gastroenterologie in Hamm und verfügt unter anderem über Zusatzqualifikationen im Bereich Ernährungsmedizin. Dr. Tappe ist Erster Vorsitzender des Berufsverbands für niedergelassene Gastroenterologen.
  • Vera Hille ist Diplom-Oecotrophologin mit eigener Praxis für Ernährungsberatung in Bad Soden. Dort bietet sie neben Ernährungstherapien Entspannungstrainings und Seminare zur Stressbewältigung an.

Verwendete Quellen

  • Interview mit Dr. Ulrich Tappe
  • Interview mit Vera Hille
  • Mastozytose e.V.: "Mastzellaktivierungssyndrom"
  • Universitätsklinikum Bonn: "Fragebogen zur Feststellung eines Mastzellmediatorfreisetzungssyndroms"

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