Die Impfpflicht für die Masern ist beschlossene Sache: Ab 1. März 2020 müssen Eltern nachweisen, dass ihre Kinder gegen die Masern geimpft sind, bevor sie sie in eine Kita oder zur Schule schicken können. Rund um das Thema Masernimpfung gibt es allerdings nach wie vor viele Gerüchte und Wahrheiten. Was stimmt und was stimmt nicht?
Mit einer Impfpflicht in Kindergärten und Schulen sollen Masern-Erkrankungen in Deutschland im kommenden Jahr stärker eingedämmt werden. Der Bundestag beschloss am Donnerstag ein Gesetz von Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU). Denn mancherorts sind zu wenige Kinder immunisiert.
Doch auch bei Erwachsenen gibt es Impflücken. Geht es um Masern, wird es auch schnell emotional. Argumente von Impfbefürworten treffen auf Äußerungen von Impfgegnern. Was stimmt und was stimmt nicht?
Masernimpfung - was stimmt und was nicht?
Behauptung: Masern muss man durchmachen, das stärkt auch den Körper.
Bewertung: Das ist falsch.
Fakten: Masern sind keinesfalls harmlos. Ein Drittel bis zur Hälfte der Fälle, die bisher an das Robert Koch-Institut gemeldet wurden, mussten im Krankenhaus behandelt werden. Denn Masernviren unterdrücken die Immunabwehr, so dass andere Krankheitserreger zum Zug kommen und zum Beispiel eine Lungenentzündung verursachen können.
Pro Jahr werden in Deutschland laut Gesundheitsberichterstattung durchschnittlich vier bis siebenTodesfälle registriert, die auf eine Maserninfektion zurückzuführen sind. Vor Einführung der Impfung wurden in Deutschland um die 100 Todesfälle pro Jahr registriert.
Behauptung: Sein Kind impfen zu lassen, hilft der Gesellschaft.
Bewertung: Das stimmt.
Fakten: Der Gemeinschaftsschutz, die sogenannte Herdenimmunität, ist nach Angaben auf den Internetseiten des Robert Koch-Instituts (RKI) ein wichtiger Vorteil beim Impfen. Ein Mensch schütze auch mit einer Masernimpfung nicht nur sich selbst, sondern indirekt auch die anderen.
Wenn ausreichend viele Menschen gegen Masern geimpft seien, könne sich der Erreger nicht mehr in der Bevölkerung verbreiten. Erst dann seien auch Säuglinge oder Schwangere geschützt, die zum Beispiel nicht gegen Masern geimpft werden können.
Noch ist das nicht der Fall. Die Impflücken bei Masern sind nach Angaben des RKI weiterhin zu groß. Zwar haben nach den jüngsten Zahlen für 2017 rund 97 Prozent der Schulanfänger die erste Impfung bekommen. Aber bei der entscheidenden zweiten Masernimpfung wird auf Bundesebene die gewünschte Impfquote von 95 Prozent noch immer nicht erreicht. Sie liegt bei rund 93 Prozent.
2018 registrierte das RKI 543 Masernerkrankungen, im laufenden Jahr sind es bereits mehr als 300 Fälle. Fast die Hälfte der Erkrankten sind junge Erwachsene. "Das weist auf die großen Impflücken in diesen Altersgruppen hin", betont RKI-Präsident Lothar Wieler.
Kann man nach einer Masernimpfung erst recht krank werden?
Behauptung: Wenn man sich gegen Masern impfen lässt, kann man erst recht krank werden.
Bewertung: Das ist selten, kann aber passieren.
Fakten: Eine Masernimpfung enthält einen Lebendimpfstoff, der eine abgeschwächte Variante des Erregers enthält. "Dieser Erreger kann sich begrenzt vermehren", sagt Klaus Cichutek, Präsident des Paul-Ehrlich-Instituts. Die Infektionskrankheit selbst, die Masern, könne er aber nicht mehr auslösen.
Bei der Impfung gegen die Masern gebe es jedoch eine Besonderheit. So zeigten etwa 5 bis 15 Prozent der Geimpften besonders nach der ersten Masernimmunisierung eine Reaktion mit mäßigem Fieber, flüchtigem Ausschlag und Symptomen im Bereich der Atemwege, gelegentlich begleitet von einem maserntypischen Ausschlag. Meist passiere das in der zweiten Woche nach der Impfung.
Diese Reaktion wird als "Impfmasern" bezeichnet. Diese seien aber nicht ansteckend und verursachten nur milde Symptome, die von selbst abklingen, ergänzte Cichutek. Im Vergleich zu den Spätfolgen von echten Masern, die in seltenen Fällen auch zum Tod von Kindern führen können, seien die Impfmasern unangenehm, aber nicht gefährlich.
Behauptung: Eine Masernimpfung kann Autismus verursachen.
Bewertung: Das ist falsch
Fakten: "Das Gerücht, insbesondere die Masernimpfung könne Autismus verursachen, geht auf eine Untersuchung an nur zwölf Kindern zurück", sagt Klaus Cichutek, Präsident des Paul-Ehrlich-Instituts.
Die Studie eines britischen Arztes sei jedoch methodisch so fehlerhaft gewesen, dass das Fachmagazin "The Lancet" die Veröffentlichung aus dem Jahr 1998 im Jahr 2011 zurückgezogen habe. Der Autor hat seine Zulassung als Arzt in Großbritannien verloren. Unter anderem, weil ihm Interessenkonflikte nachgewiesen worden seien. "Es gibt keine Hinweise auf einen Zusammenhang zwischen Impfstoffen und Autismus", betonte Cichutek.
Behauptung: Wenn Frauen vor einer Schwangerschaft gegen Masern geimpft sind, schützt das auch ihr Baby.
Bewertung: Das gilt mit Einschränkungen.
Fakten: Vor der Geburt werden schützende Antikörper von der Mutter auf das Kind übertragen. Neugeborene haben damit laut den Internetseiten des Robert Koch-Instituts gegen diese Erreger einen gewissen Schutz. Stillen unterstütze diesen Nestschutz.
Bei Krankheiten wie Masern stimuliere die Impfung das Immunsystem der Mutter allerdings weniger stark als eine frühere natürliche Infektion.
Masernimpfung belastet das Immunsystem von Kindern zu stark - wahr?
Behauptung: Eine Masernimpfung belastet das Immunsystem von kleinen Kindern viel zu stark, weil es noch nicht voll ausgereift ist.
Bewertung: Das ist falsch.
Fakten: "Das Immunsystem von kleinen Kindern ist dafür ausgerüstet, sich mit Krankheitserregern auseinanderzusetzen", sagt Klaus Cichutek, Präsident des Paul-Ehrlich-Instituts. Das Immunsystem des Menschen entwickle sich durch Training. "Dieses Training sollte so früh wie möglich beginnen, und zwar mit einem ungefährlichen Trainingspartner", ergänzt er.
Im Fall der Masern sei der empfohlene Zeitpunkt ungefähr nach zwölf Monaten, in Ausnahmefällen auch schon nach neun Monaten. Echte Krankheitserreger seien ohne ein trainiertes Immunsystem sehr gefährlich, zum Teil lebensgefährlich.
Behauptung: Die Masernimpfung kann auch vor bestimmten anderen Krankheiten oder Folgeerscheinungen schützen.
Bewertung: Das ist richtig.
Fakten: Impfungen können nach den Erkenntnissen des Robert Koch-Instituts nicht nur vor der Erkrankung selbst, sondern auch vor Komplikationen und Folgeerscheinungen schützen.
Bei Masern werden Hirnhautentzündungen vermieden, die durch Masernviren ausgelöst werden. Oder Lungenentzündungen, die entstehen können, wenn Masernviren das Immunsystem für eine gewisse Zeit schwächen.
Behauptung: Eine Masernimpfung bietet keinen hundertprozentigen Schutz.
Bewertung: Das ist richtig.
Fakten: Keine Impfung kann nach Angaben des Robert Koch-Instituts eine hundertprozentige Wirksamkeit garantieren. Die zweifache Kombinationsimpfung gegen Masern, Mumps und Röteln verhindert jedoch bei 93 bis 99 Prozent der Geimpften den Ausbruch einer Erkrankung.
Der kleine Piks führt bei erfolgreich Geimpften in der Regel zu lebenslanger Immunität. Dafür spricht auch, dass relevante Masernausbrüche unter Geimpften bisher nicht aufgetreten sind. Der überwiegende Anteil der Masernfälle in Deutschland betrifft Ungeimpfte und Menschen, die nur eine Masernimpfung erhielten. (pak/dpa) © dpa
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