Niedergelassene Neurologen, Allgemeinmediziner und Röntgenspezialisten bekommen nicht gleich viel Geld: Zwischen einzelnen Fachrichtungen gibt es in Deutschland gewaltige Unterschiede. Aber wer verdient wie viel, und wie ist die Vergütung geregelt?

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Am Quartalsende verweigern viele Ärzte die Behandlung von Patienten, so eine Studie der Uni Hamburg. Manche machen ihre Praxen gleich ganz dicht. Der Grund: Die gesetzlichen Kassen würden nur eine bestimmte Zahl von Untersuchungen bezahlen. Aber wie viel Geld bekommen Ärzte eigentlich für ihre Arbeit?

Das hängt davon ab, in welcher Fachrichtung sie arbeiten, so das Statistische Bundesamt. Die Behörde analysiert die Einkünfte niedergelassener Mediziner alle vier Jahre, zuletzt 2017 für das Jahr 2015. Demnach lag der Reinertrag einer Praxis in Deutschland durchschnittlich bei 258.000 Euro. Zu einer Praxis können aber mehrere Inhaber gehören, die sich den Reinertrag dann teilen.

Der Reinertrag ist nicht der Gewinn. Es handelt sich dabei um die Differenz zwischen Einnahmen und Ausgaben. Nicht berücksichtigt sind die Ausgaben von Ärzten etwa für Sozialabgaben oder Praxisübernahmen.

Einige Praxen erzielen hohe Reinerträge

Doch verdienen bei weitem nicht alle Praxen so viel Geld. Die Hälfte erzielte einen Reinertrag deutlich unter dem Schnitt, nämlich von 197.000 Euro. Der "Durchschnittswert ist stark von Praxen mit sehr hohen Einnahmen beeinflusst", heißt es deshalb beim Statistischen Bundesamt.

Die höchsten Einnahmen haben mit großem Abstand Radiologen: entsprechende Praxen nahmen beim Reinertrag im Schnitt 850.000 Euro pro Jahr ein. Auf Platz 2 landen Praxen der Augenheilkunde mit durchschnittlich 370.000 Euro, gefolgt von Orthopädie-Praxen mit 310.000 Euro.

Am niedrigsten fällt der durchschnittliche Reinertrag bei Praxen für Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie, Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychosomatischer Medizin aus: Er lag bei 180.000 Euro im Durchschnitt. Der Reinertrag von Allgemeinmedizin-Praxen, also Hausärzten, bewegte sich im Schnitt bei 227.000 Euro, so die Statistiker.

Das komplexe Honorarsystem für Kassenärzte

Und woher stammten die Einnahmen der Praxen? 70,4 Prozent kamen 2015 von den Gesetzlichen Krankenkassen, 26,3 Prozent von der Privaten Krankenversicherung, teilt das Statistische Bundesamt weiter mit. Der Rest von 3,3 Prozent resultierte aus anderen ärztlichen Tätigkeiten, die Patienten selbst zahlten.

Das Honorarsystem für die Kassenärzte ist in Deutschland sehr komplex. Hausärzte zum Beispiel werden für gesetzlich Versicherte in Teilen in Pauschalen bezahlt: Pro Patient und Quartal erhalten sie einen bestimmten Betrag, der sich aus der Zahl der Besuche eines Patienten, dessen Alter und dem Umfang der Behandlung zusammensetzt. Kommt der Patient öfter und ist die Behandlung aufwendig, bekommt der Arzt trotzdem nur diese eine Pauschale.

Genauso bekommt er aber auch die gesamte Pauschale, wenn es sich um einen leichten Fall ohne großen Aufwand handelt.

Bestimmte Honorare sind in der Menge begrenzt

Etwa 70 Prozent der Leistungen unterliegen laut des Spitzenverbandes der Gesetzlichen Krankenkassen (GKV) einer sogenannten Mengensteuerung, zum Beispiel Basisdiagnostik, Untersuchungen oder Hausbesuche.

Das heißt: Bestimmte Honorarbestandteile der Ärzte sind in der Menge begrenzt. Wenn der Arzt bei bestimmten Leistungen eine vorgegebene Menge überschreitet, werden darüberhinausgehende Leistungen nur zu einem abgestaffelten Preis vergütet.

Zu den übrigen 30 Prozent, die von möglichen Abstaffelungen nicht betroffen sind und die einzeln abgerechnet werden können, gehören ambulante Operationen, EKGs, Früherkennungs-Untersuchungen oder Impfungen.

Moderne Legende von nicht bezahlten Leistungen

Ann Marini, Sprecherin des GKV-Spitzenverbandes, erklärt: "In Bezug auf die in der Menge begrenzten Anteile verbreiten die Ärzte gerne, dass sie ab einem bestimmten Zeitpunkt keine Vergütung mehr erhalten. Das stimmt nicht."

Es handele sich lediglich um eine preisliche Abstaffelung – weil ab dann die kalkulatorischen Fixkosten einer Arztpraxis bereits vergütet seien.

"Die moderne Legende von nicht bezahlten Leistungen am Ende eines Quartales taucht immer mal wieder auf – damit wird daraus aber noch lange keine Wahrheit", sagt Marini.

Ob das "Wehklagen der Ärzte angesichts der Höhe der Honorare und dem Fakt, dass es jährlich Honorarverhandlungen gibt," berechtigt sei, überlasse sie der Interpretation des Betrachters.

Ärzte wollen Mengensteuerung abschaffen

Die Kassenärztliche Bundesvereinigung sieht das anders. Deren Vorstandsvorsitzender Dr. Andreas Gassen sagt: "Über zehn Prozent aller erbrachten Leistungen der niedergelassenen Ärzte werden von den gesetzlichen Krankenkassen nicht vergütet." Bei Terminverschiebungen handele es sich um Routineuntersuchungen, die sich auch zu einem späteren Zeitpunkt durchführen ließen. Gassen fordert deshalb: "Die Budgetierung muss weg!"

An Privatpatienten können Ärzte mehr verdienen als an Kassenpatienten: Bei deren Behandlungen gibt es die Mengensteuerung nicht, jede Leistung wird einzeln abgerechnet. Nichtsdestotrotz müssen die Mediziner jede ärztliche Leistung gegenüber den privaten Kassen begründen.

Wie die Honorare zustande kommen

Jedes Jahr verhandeln die Kassenärztliche Bundesvereinigung und der Spitzenverband der Gesetzlichen Krankenkassen (GKV) über die Entwicklung der Honorare niedergelassener Ärzte.

Dabei müssen sogenannte Veränderungsraten einfließen – wie haben sich Behandlungsdiagnosen und demografische Kriterien entwickelt, etwa das Alter?

Anschließend finden auf Basis der Ergebnisse regionale Verhandlungen für jede der 17 Kassenärztlichen Vereinigungen statt. Die Kassen überweisen an diese jeweils eine Summe, die dann an die einzelnen Praxen gezahlt wird.

Unterschiedliche Beträge je nach Region

Allerdings sind die Ausschüttungen der Kassenärztlichen Vereinigungen je nach Region unterschiedlich. In Bayern etwa steht mehr Geld zur Verfügung als in strukturschwächeren Regionen mit zum Beispiel mehr Arbeitslosen.

Das sorgt dafür, dass "Ärzte in Deutschland bezogen auf den Versorgungsbedarf nicht optimal verteilt" sind, kritisiert der GKV. Es gebe zwar ausreichend viele Mediziner.

Aber: "Für Ärzte sind wirtschaftlich starke Regionen und/oder Ballungszentren mit vielen privat Versicherten nach wie vor attraktiver als strukturschwache Regionen", erklärt Marini.

Wie viel Geld Klinikärzte erhalten

Anders wird die Vergütung von Klinikärzten geregelt: In kommunalen Krankenhäusern, Unikliniken und privaten Häusern gibt es dafür verschiedene Tarifverträge, die ebenfalls jährlich neu verhandelt werden.

Laut Marburger Bund, der Interessenvertretung aller angestellten und verbeamteten Ärzte in Deutschland, erhält ein Arzt im ersten Berufsjahr in einer Uniklinik knapp 4.500 Euro pro Monat, ein Oberarzt mit mindestens sieben Jahren Erfahrung 8.500 Euro.

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