Apps auf Rezept, Video-Sprechstunden und die digitale Gesundheitsakte: Das Gesundheitswesen in Deutschland soll künftig digitaler werden. Das Gesetz soll im Januar 2020 in Kraft treten. Aber was heißt das für Patienten genau?
Das Gesundheitswesen soll digitaler werden: Das hat sich Gesundheitsminister
Das Bundeskabinett hat das "Gesetz für eine bessere Versorgung durch Digitalisierung und Innovation" beschlossen, das ab 1. Januar 2020 in Kraft tritt. Die meisten Neuerungen sind für Patienten freiwillig - aber nicht alle. Alle Pläne im Überblick:
Digitalisierung beim Arzt: Apps auf Rezept
Wann müssen welche Tabletten eingenommen werden, wie hoch waren Blutdruck, Puls oder Blutzucker heute früh? Gesundheits-Apps wollen Patienten im Alltag unterstützen. Sie erinnern daran, Medikamente einzunehmen oder dienen als Tagebuch, um festzuhalten, wie bestimmte Werte sich entwickeln.
Ab 2020 sollen Ärzte die Apps verschreiben können – dann übernimmt die Krankenkasse die Kosten. Allerdings dürfen Ärzte nicht einfach jede App verschreiben.
Zunächst überprüft das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte die Anwendungen. Es muss gewährleistet sein, dass sie wie versprochen funktionieren. Außerdem müssen Datensicherheit und Datenschutz sichergestellt sein.
Anschließend erstattet die gesetzliche Krankenversicherung ein Jahr vorläufig die Kosten. In dieser Zeit muss der Anbieter nachweisen, dass die App die Versorgung der Patienten tatsächlich verbessert. Dann bekommt er Geld – wie viel, verhandelt er selbst mit dem Spitzenverband der Gesetzlichen Krankenversicherungen.
Sprechstunden per Video
Statt in die Sprechstunde beim Arzt zu gehen, holen sich Patienten den Mediziner virtuell ins Wohnzimmer: Das ist mit Video-Sprechstunden möglich. Patienten brauchen dazu Internetanschluss, Webcam, Mikrofon und eine datensichere Spezial-Software.
Sprechstunden aus der Ferne sind vor allem für Menschen in ländlichen Regionen hilfreich, wo es zu wenig Ärzte gibt. Falls es nötig ist, ein EKG zu machen, Blut abzunehmen oder den Blutdruck zu messen, kommt eine Versorgungsassistentin ins Haus. Sie übermittelt die Werte an den Mediziner, der dann eine Diagnose stellen kann.
Doch welche Ärzte Video-Sprechstunden anbieten, ist bislang wenig transparent. Ab 2020 sollen sie auf ihren Webseiten über solche Angebote informieren dürfen. Außerdem dürfen sie während der virtuellen Sprechstunde über sie aufklären und eine Einwilligung einholen – bislang mussten sie das im Vorfeld erledigen, schriftlich oder persönlich.
Weniger Zettelwirtschaft in Arztpraxen
In Zukunft bekommen Patienten vom Arzt kein Rezept auf Papier mehr in die Hand gedrückt, sondern es wird elektronisch an die Apotheken übermittelt. Das Bundesgesundheitsministerium will damit die "Zettelwirtschaft" abschaffen: "Papier soll im Gesundheitswesen endlich zum Auslaufmodell werden", heißt es auf der Webseite des Ministeriums.
Erste Pilotprojekte starten Ende des Jahres, eingeführt werden soll das E-Rezept 2020. Laut "Handelsblatt" sollen Ärzte aber nicht verpflichtet sein, digitale Rezepte auszustellen.
Schon jetzt können Patienten der Techniker und der Barmer Krankenkasse sich elektronisch krankmelden. Im Rahmen der Pilotprojekte für die "eAU" müssen sie nicht mehr die gelbe Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung an die Kasse schicken. Der Arzt braucht eine bestimmte Software und übermittelt die Krankmeldung. Mehr als 100.000 Patienten haben diesen Service der beiden Kassen in Anspruch genommen, so das "Ärzteblatt". 2021 wird die eAU bundesweit eingeführt.
Auch die Heil- und Hilfsmittelverordnungen bzw. Arztbriefe sollen künftig elektronisch vom Arzt an die Krankenkasse übermittelt werden. Bislang bekommen Mediziner für ein Fax mehr Geld als für den digitalen Versand, heißt es auf der Webseite des Bundesgesundheitsministeriums. Das Honorar dafür soll gesenkt werden. Wann genau das gilt, ist noch offen.
Elektronische Gesundheitsakte
Krankenkassen müssen ihren Versicherten spätestens ab Januar 2021 eine elektronische Patientenakte (ePA) anbieten. Patienten sollen dann außerdem einen Anspruch darauf haben, dass Arzt oder Krankenhaus Daten in die Akte eintragen. In der Datenbank werden zum Beispiel Medikamente, Allergien, Diagnosen oder Behandlungsdaten gespeichert.
Welcher Mediziner oder Apotheker Zugriff bekommt, bestimmten Patienten selbst. Der Vorteil: Wichtige Informationen können schnell von einer zentralen Stelle aus abgerufen werden. Auch Impfpass oder das Bonusheft vom Zahnarzt könnten darin abgelegt werden.
Allerdings gibt es Kritik am Datenschutz: Zum Start der ePA können Patienten wegen technischer Hürden nicht entscheiden, welcher Arzt welche Informationen abrufen kann – dann wüsste etwa der Zahnarzt auch darüber Bescheid, wenn der Patient eine psychotherapeutische Behandlung verschrieben bekam. Deshalb soll die Akte 2021 zunächst eingeführt werden, die Rechte der Patienten sollen laut "Tagesspiegel" später nachgeliefert werden.
Verwendete Quellen:
- MDR: Telemedizin – was ist heute schon möglich?
- Tagesschau: Ärzte sollen Apps verschreiben dürfen
- Tagesspiegel: Der Arzt sieht alles oder gar nichts
Gefährlicher FaceApp-Hype
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