Der Vorwurf: Zu hohe Gehälter für Betriebsräte. Der daraus folgende Verdacht: Untreue. Dies ist die Ursache für Hausdurchsuchungen, die die Staatsanwaltschaft Braunschweig bereits am Dienstag (26. September 2023) an vier Standorten des Autoherstellers Volkswagen durchgeführt hatte. Die Behörden hatten unter anderem den Stammsitz in Wolfsburg durchsucht und dabei Unterlagen sowie Daten sichergestellt. Übereinstimmenden Medienberichten zufolge nahm die Staatsanwaltschaft auch Privatwohnungen unter die Lupe.

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Die Staatsanwaltschaft Braunschweig bestätigte die Razzien erst am Mittwoch. "Hintergrund sind Gehaltszahlungen an Betriebsratsmitglieder unter Verstoß gegen das Begünstigungsverbot des Betriebsverfassungsgesetzes", sagte ein Sprecher. Volkswagen bestätigte die Durchsuchungen in seinen Gebäuden ebenfalls. Ein Sprecher erklärte, dass der Autobauer vollumfänglich mit den Ermittlungsbehörden kooperiere. Da es sich um ein laufendes Verfahren handle, wolle sich das Unternehmen darüber hinaus jedoch nicht äußern.

Juristisches Hin und Her

Entsprechende Verfahren gegen VW und einige seiner Betriebsräte laufen bereits seit Jahren. Zwar hatte das Landgericht Braunschweig 2021 vier frühere VW-Personal-Manager freigesprochen, die Betriebsräten zu hohe Gehälter bewilligt haben und dadurch Geld veruntreut haben sollen. Doch diese Urteile wurden vom Strafsenat des Bundesgerichtshofs (BGH) Anfang 2023 aufgehoben. Daraufhin hatte der Autobauer mehreren Dutzend Betriebsräten die Gehälter gekürzt. Viele von ihnen haben dagegen geklagt und einem VW-Betriebsratssprecher zufolge in 16 von 17 Fällen vor dem Arbeitsgericht Recht bekommen. Trotzdem wird das Verfahren von der Staatsanwaltschaft nun neu aufgerollt.

Arbeitsrechtler sehen den Fehler bei VW im System. Eigentlich erhalten im Betriebsrat tätige Angestellte ihr normales durchschnittliches Gehalt und üben ihre Aktivitäten in der Arbeitnehmervertretung, für die sie freigestellt werden müssen, ehrenamtlich aus. So steht es im Betriebsverfassungsgesetz. Bei Volkswagen orientiere sich das Gehalt jedoch nicht an der eigentlichen Arbeit, sondern an jener im Betriebsrat – und dort abhängig von Qualifikation und Verantwortung. Experten zufolge ist dieses Vorgehen unzulässig. Der VW-Betriebsrat sieht das anders und kritisiert die widersprüchliche Rechtsprechung: "Arbeitsrechtlich ist etwas geboten, was gleichzeitig strafrechtlich im Risiko stehen kann", sagt ein Sprecher laut "Automobilwoche". Der Gesetzgeber müsse diesen Zustand mit einer Klarstellung beenden.

Skandalerprobt in Sachen Betriebsräte

Aufgrund der Durchsuchungen werden Erinnerungen wach an den großen VW-Korruptionsskandal Mitte 2005. Dieser drehte sich im Kern um geheime Boni und Schmiergelder für Betriebsräte in Millionenhöhe sowie deren Lustreisen auf Firmenkosten. Während die Ex-VW-Führungskräfte Peter Hartz (Personalvorstand) und Klaus-Joachim Gebauer (Personalmanager) mit Bewährungs- und Geldstrafen davonkamen, musste der damalige langjährige Betriebsratschef Klaus Volkert sogar in Haft.

Aktuell ist Daniela Cavallo Vorsitzende des Gesamt- und Konzernbetriebsrats der Volkswagen AG. Sie folgte im Mai 2021 auf den streitbaren, meinungsstarken und medienaffinen Bernd Osterloh, der seinerseits an Volkerts Stelle rückte, als dieser aufgrund seiner später zugegebenen Verfehlungen im Juni 2005 von seinem Posten zurücktreten musste.

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