Es ist immer noch schwer vorstellbar, dass unter einer grünen Regierungsbeteiligung der Umweltbonus für Elektroautos erst gekürzt und dann vorzeitig gekappt wird. "Tempolimit" scheint für Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) zumindest an dieser Stelle ein Fremdwort zu sein: Mit Ablauf des 17. Dezember können keine Anträge mehr für den Umweltbonus feststellt werden, so die offizielle Aussage.

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Die SPD nennt das abrupte Ende "äußerst unglücklich". Der Zentralverband Deutsches Kraftfahrzeuggewerbe (ZDK) kritisierte das unerwartete Auslaufen der Förderung in dieser Form ebenfalls scharf: "Das ist ein unfassbar großer Vertrauensbruch für mehrere Zehntausend Kundinnen und Kunden, die ihre E-Autos bestellt haben unter der Voraussetzung, dass die Fördersumme fließt", sagte ZDK-Präsident Arne Joswig. "Das Mindeste wäre, den Umweltbonus bis zum Jahresende laufen zu lassen und gleichzeitig in Abstimmung mit Ländern und Kommunen dafür zu sorgen, dass bis zum 31.12.2023 Zulassungsstellen geöffnet bleiben, um Zulassungen vornehmen zu können." Recht hat er. Das Autojahr 2024, das ohnehin ein schwieriges zu werden scheint, dürfte in Sachen Elektromobilität komplett in die Grütze gehen.

Kurzer Rückblick: Ist es nicht gerade einmal drei Monate her, dass Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) quasi ein Füllhorn voller Fördergeld über Eigenheimbesitzer ausschüttete, die in Ladestation, PV-Anlage und Speicher inklusive privatem E-Auto zu investieren bereit waren? 500 Millionen Euro umfasst das Programm, bis zu 10.200 Euro Fördergeld waren pro Haushalt drin. Ob man da noch so gar nichts davon ahnte, dass kurze Zeit später 60 Milliarden fehlen würden, um klimafreundliche Technologien inklusive Ansiedlung neuer Unternehmen zu fördern? Und dass es nicht einmal mehr reichen würde, pro neuem E-Auto bis zu einem Listenpreis von 45.000 Euro statt wie bislang 6.750 nur noch mit 4.500 Euro zu unterstützen? Kurzer Seitenblick auf unsere Nachbarn: In den Niederlanden gibt es eine Steuerersparnis von bis zu 14.383 Euro, wenn man sich einen Stromer anschafft. Bei uns, führen wir es uns noch einmal deutlich vor Augen: Nichts mehr. (In unserer Bildergalerie sehen Sie die beliebtesten E-Autos).

Aber auch die Autoindustrie trägt Schuld an der Misere: Gerade, weil es nur teure Elektroautos gibt, ist die Kritik, die dann auch noch zu subventionieren, groß. Gäbe es noch einen VW E-Up, einen Skoda CitigoE iV oder einen Renault Zoe, der mal weniger als 20.000 Euro gekostet hat, dann wäre die Diskussion vielleicht auch eine andere. Beim Kostencheck des ADAC führt aktuell ein Dacia Spring Electric zu einem Preis von 22.750 Euro die Tabelle an, gefolgt vom Renault Zoe, der heute nur noch ab 28.000 Euro zu haben ist. Man muss kein Prophet sein, um vorherzusagen, dass es niemals 15 Millionen E-Autos auf den deutschen Straßen bis 2030 sein werden, wie es die Bundesregierung wollte. Es werden etwa sieben Millionen sein. Die Folge: Deutschland wird seine Klimaziele nicht einhalten können.

Video: E-Auto Supertest: Dacia Spring

Ist es also sinnvoll, die E-Auto-Prämie zu streichen, dafür aber ein neues Chipwerk von Intel in Magdeburg weiterhin mit 9,9 Milliarden Euro zu unterstützen? Auch die schwedische Firma Northvolt hat bereits die Zusage erhalten, dass ein neues Batteriewerk in Heide (Schleswig-Holstein) wie ursprünglich versprochen 4,5 Milliarden Euro Förderung bekommt. Trotz der Krise im Bundeshaushalt. Zum Vergleich: Für Elektroautos wurde seit 2016 etwa zehn Milliarden Euro für 2,1 Millionen Elektroautos im Rahmen des Umweltbonus ausgezahlt.

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Nicht falsch verstehen: Es ist richtig und sinnvoll, angesichts der gigantischen Förderprogramme in den USA und in China auch hierzulande die Industrie bei der Ansiedlung klimafreundlicher Technologien zu unterstützen. Fragt sich nur, ob das immer auf Kosten des kleinen Mannes gehen muss. In diesem Fall tut es das voll und ganz.  © auto motor und sport

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