Seit gefühlt zehn Jahren stehen selbstfahrende Autos kurz vor dem Durchbruch. Doch selbst die größten Computer-Hirne von Google, Tesla & Co. sind noch nicht in der Lage, ein Fahrzeug bei jedem Wetter und zu allen Tageszeiten sicher durch belebte Innenstädte zu manövrieren – zumindest bis jetzt. In den Serieneinsatz haben es bislang nur einfachere Systeme geschafft, wie der Drive Pilot von Mercedes, der auf der Autobahn unter bestimmten Bedingungen Spur und Abstand zum Vordermann hält.
Design durch Künstliche Intelligenz
Auch wenn KI die Erwartungen beim autonomen Fahren noch nicht erfüllen konnte, hat sie die Automobilindustrie längst erobert: in Produktion und Materialforschung, bei der Sprachsteuerung oder im Design.
So nutzt Audi die KI-basierte Software FelGAN, um die Felgendesigner zu unterstützen. Das von Audi selbst entwickelte Programm schlägt auf Wunsch eine große Zahl an Felgendesigns vor oder kombiniert Elemente aus bereits vorhandenen Felgen. Die von der KI erzeugten Vorschläge lassen sich von den Designern aus Fleisch und Blut mit wenigen Klicks in Farbe, Oberflächenstruktur oder Form anpassen und bewerten, was enorm Zeit einsparen soll.
Trainierende Algorithmen
Die Entwicklung von FelGAN verrät viel über die Prinzipien von künstlicher Intelligenz: Im Kern handelt es sich um zwei Algorithmen, die sich gegenseitig trainieren und immer besser werden.
Algorithmus eins, auch Generator genannt, fertigt Bilder von Autofelgen an und präsentiert sie zusammen mit Bildern von echten Felgen dem zweiten Algorithmus, dem Diskriminator. Der Diskriminator muss dann entscheiden, ob es sich um reale oder künstlich erzeugte Felgenbilder handelt. Je besser der Generator, desto eher täuscht er den Diskriminator. Und je besser der Diskriminator wird, desto eher entlarvt er die künstlich erzeugten Bilder. Beide Algorithmen werden mit jedem Training besser, bis nicht einmal mehr Menschen den Unterschied erkennen.
KI entwirft auch ganze Autos
KI-Hilfe beim Design ist nicht auf Einzelkomponenten beschränkt: So hat BMW 2023 Bilder eines Geländewagens veröffentlicht, der von einer bildgebenden KI gezeichnet wurde. Die KI orientierte sich dabei an den Formen des aktuellen BMW X7, ohne dessen martialische Front zu übernehmen. Statt geteilter Lichter und der großen Niere sind klassische Scheinwerfer und etwas kleinere Lufteinlässe zu sehen. Dazu designt die KI einen Dachgepäckträger, breitere Kotflügel und große, vermeintlich grobstollige Räder – die G-Klasse von Mercedes lässt grüßen.
Die auf Instagram veröffentlichten Bilder kamen bei den Abonnenten des Instagram-Kanals sehr gut an, wie die vielen positiven Bewertungen zeigen; einige Kommentatoren fanden das KI-Design sogar ansprechender als das der Serienfahrzeuge.
KI sagt Produktionsausfälle vorher
Auch in der Produktion kann KI unterstützen. BMW nutzt im Werk Regensburg Daten der Montageanlagen zur Verschleiß-Vorhersage, um ungeplante Produktionsstopps zu verhindern. Dies funktioniert so: Die Montagebänder, mit denen Fahrzeuge durch die Fabrik transportiert werden, ermitteln automatisiert vielfältige Daten. Diese Daten werden über die Anlagensteuerung an eine Cloud-Plattform gesendet, wo die Analyse beginnt: Der Algorithmus sucht nach Auffälligkeiten wie Schwankungen in der Stromaufnahme, ungewöhnlichen Förderbewegungen oder schlecht lesbaren Barcodes, die eine Störung auslösen könnten.
Bei Auffälligkeiten erhält die Leitzentrale eine Warnmeldung, damit Maschinen aus dem Fertigungsprozess genommen und separat gewartet werden können. Auf diese Weise sollen sich 500 Störminuten pro Jahr verhindern lassen.
Betreutes Schweißen dank KI
Im Werk Neckarsulm profitiert Audi von KI-gestützter Schweißpunkt-Kontrolle. Die rund 5.000 Schweißpunkte einer Rohkarosserie wurden bislang stichprobenartig von Mitarbeitern geprüft. Inzwischen kommt ein KI-basierter Algorithmus zum Einsatz, der fehlerhafte Schweißpunkte an den Daten der Roboter erkennt.
Statt weniger Stichproben können alle Schweißpunkte überprüft werden. Bei Verdacht schlägt der Algorithmus manuelle Nachkontrollen vor. Die Technik soll in weiteren Werken des VW-Konzerns eingeführt werden.
Endlich gute Sprachbedienung
Auf der CES in Las Vegas gab Volkswagen im Januar 2024 bekannt, den KI-basierten Chatbot ChatGPT in den VW-eigenen Sprachassistenten IDA zu integrieren. Im Gegensatz zu klassischen Suchmaschinen wie Google liefern Chatbots keine Links aus dem Internet, sie fassen die Inhalte der Quellen zusammen und geben die Antworten via Sprache aus.
Durch die KI-Erweiterung versteht IDA viel mehr Befehle, auch wenn sie Dialekt enthalten oder undeutlich klingen. Routenziele oder Liedwünsche lassen sich mit einer viel höheren Trefferwahrscheinlichkeit abrufen, ohne dass sich Anwender starren Eingabemustern unterordnen müssen. Sonstige Sprachassistenten reagieren lediglich auf bestimmte Schlüsselbegriffe.
KI sucht den Super-Akku
Vielleicht löst KI auch eines der drängendsten Probleme der E-Mobilität: das Finden preiswerter Material-Alternativen für Fahrzeug-Akkus. Ein Team von Microsoft und einer Forschungseinrichtung des amerikanischen Energieministeriums filterte aus 32 Millionen möglichen Substanzen ein bis dato unbekanntes Material heraus, mit dem sich der Lithium-Anteil heutiger Batterien um bis zu 70 Prozent reduzieren lässt.
Das Auffinden der Substanz, die Lithium, Natrium und weitere Elemente enthält, dauerte lediglich 80 Stunden – statt vieler Jahre, wie sonst in der Batterieforschung üblich. Das ermittelte Material soll jetzt hergestellt und auf seine tatsächliche Tauglichkeit für Fahrzeug-Akkus erforscht werden.
Assistenz statt Autonomie
Wenn KI selbst solch große Aufgaben binnen Stunden löst, warum hakt es dann beim autonomen Fahren? Bei den Fahrassistenzsystemen kommt KI schließlich längst zum Einsatz: Kamera-basierte Assistenzen wie die Fußgänger- oder Querverkehrs-Erkennung werden seit Jahren mit Videos realer Straßenszenen trainiert und sind daher in der Lage, Gefahren früh zu erkennen und den Fahrer zu warnen.
Wie gut die Systeme arbeiten, hat Mercedes schon 2015 bewiesen: So ließen sich auf den Videos der Frontkameras bereits alle relevanten Objekte wie Autos, Ampeln, Fußgänger, Fahrbahnmarkierungen etc. erkennen und in Echtzeit klassifizieren. Die Kombination mit Radar- und Lidar-Sensoren zeichnete ein exaktes Bild der Umgebung. Ein baldiger Serieneinsatz selbstfahrender Autos schien greifbar – und entpuppte sich doch als Fehleinschätzung.
An der Künstlichen Intelligenz liegt es nicht
Dass es noch nicht zum vollautomatischen Fahren reicht, liegt inzwischen vor allem an den Zulassungshürden. Hersteller solcher Systeme müssen beweisen, dass ihre Robo-Chauffeure mindestens so sicher fahren wie ihre Kollegen aus Fleisch und Blut. Von wenigen Ausnahmen wie beim bereits erwähnten Mercedes Drive Pilot für die Autobahn abgesehen, ist dies jedoch noch keinem Hersteller gelungen – auch weil die Zulassungsbehörden Neuland betreten und die erforderlichen Verfahren zum Nachweis der Sicherheit derzeit Hand in Hand mit den Autobauern entwickeln.
Experten gehen davon aus, dass vollautonome Fahrzeuge in einigen Jahren unsere Mobilität erweitern – zunächst in begrenzter Umgebung wie in exakt definierten Innenstadtbereichen. Wie lang es bis dahin dauert, lässt sich schwer abschätzen. Künstliche Intelligenz ist hier jedoch nicht der Flaschenhals. © auto motor und sport
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