Immer mehr Autofahrer berichten über hohe Servicekosten für den Tausch von eCall-Akkus. Die Spezialbatterien für das gesetzlich vorgeschriebene EU-Notrufsystem sind teils extrem teuer. Wir haben bei den Herstellern nachgefragt und geben Tipps zum Kostensparen.
Seit 2018 ist für Pkw, die ab dem Stichtag 31. März eine neue Typgenehmigung erhalten haben, in der EU das eCall-System Vorschrift. Teilweise führten Hersteller das neue Notrufsystem bereits früher ein, bei Mercedes kam es beispielsweise ab 2012 in neuen Pkw zum Einsatz. Autobesitzer erkennen am einfachsten an der meist roten und in aller Regel in der Dachkonsole verbauten "SOS"-Notruf-Taste, ob ihr Auto mit dem eCall-System ausgerüstet ist.
Über dieses System kann manuell durch Betätigen der Taste ein Notruf abgesetzt werden. Bei einem schweren Unfall wird der eCall-Notruf automatisch abgesetzt und sendet unter anderem die Koordinaten des verunfallten Fahrzeugs an die zuständige Rettungsleitstelle oder, je nach System, an eine Hersteller-Hotline. Ende 2023 haben wir in einem Praxistest verschiedene Pkw-Modelle und deren eCall-System überprüft (siehe Fotoshow).
Funktion des eCall
Diese automatische Notruffunktion soll sicherstellen, dass verunfallte Personen auch dann schnellstmöglich gefunden werden, wenn sie selbst verletzungsbedingt nicht mehr reagieren können. Weil diese Funktion selbst nach schweren Unfällen funktionieren muss, verfügt das eCall-System üblicherweise über einen sogenannten Stütz-Akku. Im Normalfall wird das System über das 12-Volt-Bordnetz des Fahrzeugs mit Strom versorgt, soll aber auch nach Ausfall der Fahrzeug-Stromversorgung funktionieren, weil nach besonders schweren Unfällen meist die Fahrzeugbatterie automatisch vom Bordnetz abgetrennt wird.
Genau diese eigene "Notstromversorgung" des eCall-Systems sorgt jetzt, rund sechs Jahre nach offiziellem Start des Automatik-Notrufs, zunehmend für Verwirrung bei Autofahrern. In den sozialen Medien und in markenspezifischen Diskussionsforen häufen sich Beschwerden über teils astronomisch wirkende Kosten für den Austausch eines defekten Akkus. Dabei handelt es sich üblicherweise um kleine Lithium-Ionen-Akkus, die als einfaches Batteriepaket oder gemeinsam mit Steuerungselektronik in einem geschlossenen Gehäuse untergebracht sind.
Während die Akkus, die man in ähnlicher Form beispielsweise aus Taschenlampen kennt, auf dem freien Markt für wenige Euro verfügbar sind, mutieren diese in einer modellspezifischen "Verpackung" zum hochpreisigen Ersatzteil. In Internetforen berichten Autobesitzer von bis zu 450 Euro Werkstattkosten für den Austausch und vermuten, wohl nicht ganz unberechtigt, eine gewisse Abzock-Mentalität dahinter, die durch zweifellos gegebene Lager- und Arbeitskosten nicht gerechtfertigt ist. Wir haben deshalb bei den Herstellern nachgefragt. Weiter unten in diesem Beitrag geben wir außerdem Tipps, wie Sie einen solchen Austausch zu geringen Kosten selbst vornehmen können.
Weil die Systeme auch innerhalb einzelner Herstellerprogramme modellspezifisch unterschiedlich sind, haben wir die zulassungsstärksten Marken in Deutschland und dort das jeweils meistverkaufte Auto abgefragt, um eine möglichst hohe Bandbreite darstellen zu können. Gefragt haben wir, ob es ein im Wartungsplan vorgegebenes regelmäßiges Wechselintervall für den Akku gibt, was dieser kostet und wie lange der Einbau dauert – in Zeiten explodierender Stundensätze in Werkstätten ein weiterer, wesentlicher Kostenfaktor. Hier die Antworten:
eCall-Akku im Audi A4
Bei früheren Modellen des A4 war noch ein turnusmäßiger Tausch nach sieben Jahren vorgesehen. Bei aktuellen A4 wird der nötige Austausch über das Diagnosesystem mit einer Servicemeldung im Auto angezeigt. Beim Nachfolgemodell A5 kann der Zustand der eCall-Notstrombatterie vom Händler auch per Ferndiagnose über Mobilfunk-Datenübertragung ermittelt werden, sofern der Besitzer dem zustimmt. Die Preisspanne für einen Ersatzakku bewegt sich in einem Bereich von ca. 50 bis ca. 120 Euro. Es werden je nach verbautem e-Call Modul verschiedene Akkus verwendet. Arbeitszeit: 12 Minuten im Rahmen eines Routine-Serviceaufenthaltes, da hier die Prozesszeiten bereits inkludiert sind; 18 Minuten für eine Serviceaktion ausschließlich zum Batteriewechsel.
eCall-Akku im BMW X1
Ein BMW-Sprecher konnte lediglich die erste Frage beantworten: "Bei einer Fehlermeldung wird der Akku getauscht. Wir empfehlen bei einer entsprechenden Meldung des Notfallsystems auf jeden Fall einen qualifizierten Service bei einer Werkstatt". Möglicher Grund für die knappe Antwort: Unsere eigene Recherche zum Akkutausch beim aktuell meistverkauften BMW-Modell X1 führte zu Preisangaben von über 400 Euro, bedingt durch die lange Arbeitszeit (zwei Stunden) für den Austausch. Der Akku selbst kostet nach unserer Recherche als Originalersatzteil rund 60 Euro.
eCall-Akku im Ford Focus
Ford antwortete als einzige Marke überhaupt nicht auf unsere Anfrage. Unsere eigene Recherche zum meistverkauften Ford-Modell Focus brachte lediglich zutage, dass in diesem Modell ein Stütz-Akku verbaut ist, der nur nach Auftreten einer Fehlermeldung getauscht werden muss. Auskünfte zu Kosten und Arbeitszeiten konnten uns auch befragte Ford-Händler mangels Erfahrungswerten nicht nennen, in diversen modellspezifischen Internet-Foren gibt es zu diesem Thema ebenfalls keine Auffälligkeiten.
eCall-Akku im Hyundai Tucson
Meistverkauftes Hyundai-Modell in Deutschland ist der Tucson. Zu diesem Fahrzeug antwortet uns ein Markensprecher kurz und bündig: Der Akku soll alle vier Jahre innerhalb des Wartungsplans getauscht werden. Der Ersatzteilpreis liege bei 35,27 Euro und die Arbeitszeit innerhalb eines Wartungsauftrags bei 0,7 Stunden. Außerhalb einer Turnus-Wartung seien 0,9 Stunden für den Austausch nötig.
eCall-Akku in der Mercedes E-Klasse
In einem sehr ausführlichen Statement erklärt Mercedes den Sachverhalt zum meistverkauften Modell, der E-Klasse. Dort ist kein separater, nur für das eCall-System vorgesehener Stütz-Akku verbaut, weshalb es auch keine Wartungsintervalle oder Zusatzkosten gibt. Der Grund dafür liegt in der speziellen Auslegung der Fahrzeugstromversorgung bei Mercedes. Hierzu eine Sprecherin: "Eine Spannungsfreischaltung des Motorraums bei einem erkannten schweren Anprall stellt sicher, dass die 12V-Batterie vor unvermeidbaren Kurzschlüssen in den Leitungssträngen und Aggregaten im direkten Anprallbereich geschützt wird. Eine autarke oder redundante Stromversorgung über eine eigene Batterie für das Mercedes-Benz Emergency Call System ist daher in der E-Klasse nicht notwendig. Das E-Call-System wird über das 12V-Bordnetz versorgt und garantiert damit eine sehr lange Lebensdauer".
eCall-Akku im Opel Astra
Der meistverkaufte Opel in Deutschland heißt Astra. Hierzu ein Opel-Sprecher: "Die Notbatterie unterliegt keinem regulären Wechselintervall und wird nur bedarfsweise (nach Defekt/ natürlichem Verschleiß) ersetzt. Dies wird dem Fahrer durch Blinken der Status-LED signalisiert. Die unverbindliche Preis-Empfehlung an den Handel beläuft sich auf 47,22 € inklusive Mehrwertsteuer. Die Arbeitszeit kalkulieren wir mit 0,4 Stunden (24 min)". Das klingt kundenfreundlich.
eCall-Akku im Seat Leon
Bei Seat gibt es für den Topseller Leon kein festgelegtes Wartungsintervall für den Notruf-Akku, er wird erst nach auftretender Fehlermeldung getauscht. Die Preise für das Ersatzteil sind laut Seat den Händlern freigestellt, im Teilekatalog liegt der Preis bei rund 70 Euro. Für den Austausch seien rund 20 Minuten Werkstattzeit erforderlich.
eCall-Akku im Toyota Yaris
Das absolute Erfolgsmodell von Toyota in Deutschland ist der Kleinwagen Yaris. Und der scheint die Stammtisch-Klischees zur Toyota-Zuverlässigkeit zu bestätigen. Auf unsere Anfrage erklärt ein Sprecher, dass sich im zentralen Ersatzteillager zwar 20 (!) Ersatzbatterien für das Notrufsystem befinden, davon sei aber seit 2018 noch keine einzige von einem Toyota-Servicepartner abgefragt worden. Man habe daher auch noch keine Preisfindung zu diesem Ersatzteil, werde diese aber aufgrund unserer Anfrage in näherer Zukunft vornehmen. Seit 2018 hat Toyota in Deutschland übrigens rund 171.000 Yaris verkauft.
eCall-Akku im VW Golf
Immer noch das Urmeter bei VW ist der Golf als meistverkauftes Auto. Für diesen gibt es kein vorgeschriebenes Wechselintervall, sondern nur einen Austausch nach Ausfall/Unterspannung, worauf im Fahrzeug optisch und akustisch hingewiesen wird. Der empfohlene Ersatzteilpreis liegt bei 68,19 Euro. Relativ hoch wird die nötige Arbeitszeit angesetzt: Eine Stunde für den reinen Austausch und weitere 20 Minuten für die nötigen Diagnosearbeiten vor und nach dem Tausch.
Kann ich den Akku selbst tauschen?
Im Prinzip ja, aber. In fahrzeugspezifischen Userforen im Internet und auch auf Youtube gibt es zu vielen Modellen Do-it-yourself-Anleitungen, um die Stützbatterie des Notrufsystems zu tauschen. Der Aufwand ist jedoch je nach Modell nicht zu unterschätzen. Das liegt unter anderem am Einbauort. Der kann relativ leicht zugänglich im Dachhimmel oder hinter einer Seitenverkleidung liegen, aber auch beispielsweise unter einem Sitz und damit erst nach umfangreichen Demontagearbeiten erreichbar. Entsprechendes Spezialwerkzeug etwa zum Entfernen von Kunststoffclipsen sowie ein gewisses handwerkliches Geschick sind daher Voraussetzung.
Einen passenden Akku finden Sie am einfachsten anhand der Teilenummer, auch hier bieten die einschlägigen Portale Orientierungshilfe – oder der Aufdruck auf dem Akku nach dem Ausbau. Empfehlenswert ist in jedem Fall das Original-Ersatzteil statt Akkus mit unbekannter Herkunft und nicht nachvollziehbarer Qualität. Teils liegen die Ersatzteilpreise in der Vertragswerkstatt nicht sehr viel höher als beim Kauf über Online-Händler. Zur Löschung von Fehlermeldungen über den OBD-Diagnoseport kann außerdem weitere Hard- und Software, zum Beispiel eine Smartphone-App, nötig sein. Auch das verursacht Kosten. Die Löschung des Fehlerspeichers kann wahlweise gegen entsprechende Gebühr bei Fachwerkstätten beauftragt werden.
Wie erkenne ich einen fehlerhaften Akku?
Die Systeme bringen jeweils eine Fehlermeldung zum Beispiel im Cockpit, die auf eine Fehlfunktion hinweist. Anfangs tritt diese meist nur sporadisch auf, etwa nach kalten Nächten, wenn die Batterie temperaturbedingt eine niedrigere Spannung aufweist. Ob Sie den Akku im Rahmen eines Service-Intervalls tauschen lassen müssen, wie das beispielsweise beim Hyundai Tucson der Fall ist, klärt eine Rückfrage bei Ihrer Markenwerkstatt.
Kann ich die Fehlermeldung ignorieren?
Abgesehen vom Sicherheitsaspekt, weil das Notrufsystem bei einem Unfall möglicherweise nicht mehr funktioniert, hat ein defekter/leerer eCall-Akku keinen Einfluss auf die Funktion des Autos. Das lässt sich trotz der Fehlermeldung weiterhin normal nutzen. Spätestens bei der nächsten Hauptuntersuchung werden aber selbst hartnäckige "Ignorierer" ausgebremst. Weil das Notrufsystem zur vorgeschriebenen Sicherheitsausstattung des Fahrzeugs gehört, wird bei einer entsprechenden Fehlermeldung im Cockpit die Prüfung nicht bestanden. © auto motor und sport
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